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Plakatmotiv: Der einzige Zeuge (1985)

Einfache Krimihandlung
in überraschender Welt

Titel Der einzige Zeuge
(Witness)
Drehbuch William Kelley & Earl W. Wallace & Pamela Wallace
Regie Peter Weir, USA 1985
Darsteller

Harrison Ford, Kelly McGillis, Josef Sommer, Lukas Haas, Jan Rubes, Alexander Godunov, Danny Glover, Brent Jennings, Patti LuPone, Angus MacInnes, Frederick Rolf, Viggo Mortensen, John Garson, Beverly May, Ed Crowley u.a.

Genre Crime, Drama
Filmlänge 112 Minuten
Deutschlandstart
24. Mai 1985
Inhalt

Der siebenjährige Samuel Lap befindet sich mit seiner Mutter Rachel auf einer Reise nach Philadelphia. Als die beiden Angehörigen der Amisch-Gemeinde dort auf den Zug warten, wird Samuel auf der Bahnhofstoilette Zeuge eines Mordes.

Als sie das Geschehene melden und der Polizist John Book mit Hilfe des Jungen feststellt, dass der gesuchte Täter der korrupte Beamte James McFee ist, entschließt er sich, Mutter und Sohn persönlich in Sicherheit zu bringen. McFee erfährt allerdings von dem Vorhaben und stellt den Flüchtigen in einer Tiefgarage eine Falle. Bei einem kurzen Schusswechsel wird Book schwer verletzt, schafft es aber, Rachel und Samuel in ihre Gemeinde zu bringen.

Während er sich dort von seiner Verletzung erholt und immer mehr zum Teil der Gemeinde wird, ist ihnen McFee schon auf der Spur …

Was zu sagen wäre

Ein kleiner Junge wird Zeuge eines Mordes, wird daraufhin von einem Polizisten beschützt, der gegen die eigenen Leute vorgehen muss. Diese Zusammenfassung, die etwa auf jede dritte Krimifolge im Fernsehen passt und da in 43 Minuten erzählt ist, erzählt Peter Weir in knapp zwei Filmstunden. Der Australier ist ein Freund der Entschleunigung ("Ein Jahr in der Hölle" – 1982; "Gallipoli" – 1981; "Picknick am Valentinstag" – 1975). Er erzählt seine Filme über die Landschaften und die Gesichter der Menschen darin, die Weiss Bilder zu einer Geschichte machen.

Im vorliegenden Fall ist es die Landschaft der Amish-People, aus Europa im 18. Jahrhundert nach Amerika ausgewandert, wo einige heute noch leben, wie im 18. Jahrhundert – ohne Strom, ohne Telefon, ohne Autos. Sie verweigern moderne Techniken und übernehmen Neuerungen, wenn überhaupt, erst nach sorgfältiger Prüfung der Auswirkungen. Zwar führt ein Off-Sprecher zu Filmbeginn in das Grundlegende ein, dennoch gibt Weir seinen Zuschauern die Zeit, sich in dieser anderen, streng wirkenden, streng religiösen Welt einzufinden. Dafür gibt er uns den anerkannten Kino-Abenteurer Harrison Ford an die Hand (Indiana Jones und der Tempel des Todes – 1984; Blade Runner – 1982; Jäger des verlorenen Schatzes – 1981; Ein Rabbi im Wilden Westen – 1979; Apocalypse Now – 1979; Krieg der Sterne – 1977; "Der Dialog" – 1974; American Graffiti – 1973), der in dieser Amish-Welt so fremd ist wie wir, aber eben erprobt in fremden Welten.

Der Film startet in der sehr hiesigen Welt in Philadelphia, wo Rachel mit ihrem Sohn Samuel in eine Mordermittlung verwickelt werden. Schön ist diese Welt nicht. Der Bahnhof voll, die Toiletten dreckig, die Straßen unsicher, das Polizeipräsidium eng und stickig. Rachel und Samuel wirken hier so verloren, wie später John Bock, wenn er sich in der Amish-Welt nicht zurecht findet, die Peter Weir in elegische Bilder von saftigen Landschaften im Sommerwind packt, in die wir uns leicht hinein sehnen wollen. Aber so kalt und dunkel das mit vielen Abwechslungen und Annehmlichkeiten ausgestattet Leben in der Großstadt im Film nicht nur düster ist – John Boock hat freundliche Kollegen und eine etwas kauzige, aber nette Schwester – so ist das naturverbundene und enge Miteinander der Amischen nur mit totaler Abgeschiedenheit „von den Engländern“ und mit rigider Moral und strengen Gesetzen verbunden. Weis Film stellt nicht die eine Gesellschaftsform gegen die andere, er stellt sie einander gegenüber und schaut, was passiert, wenn die Abgeschiedenheit einen Riss bekommt.

Dieser Riss ist der Großstadt-Cop. Wenn Book in der Gemeinde der Amischen aufwacht, nachdem diese ihn gesund gepflegt haben, kommt die Krimihandlung beinah zum Erliegen und macht einer zarten Romanze Platz, die nicht sein darf, die nicht passieren darf. Rachel ist nicht nur Mutter, sie ist auch Witwe und schon am Tag der Beisetzung hat Daniel Hochleitner von der Nachbarfarm begonnen, um Rachels Herz zu werben. Das birgt genug Spannung, um den herrlichen Bildern durch den Film zu folgen, staunend zuzusehen, wie an einem Tag eine ganze Scheune gebaut wird, bei der Harrison Ford seine gelernten Zimmermannkünste einsetzen kann, und irritiert über die alte, aber von allen akzeptierte Rollenverteilung zu sein: Die Männer bauen, die Frauen backen den Kuchen und bringen Limonade.

Wenn dann zum Showdown die korrupten Schurken aus der großen Stadt auftauchen, um die Krimihandlung, um die es ja eigentlich geht, in Schwung und zum Abschluss zu bringen, ist das fast schade. Denn, anders als das Leben in dieser fremden Gemeinschaft Überraschungen und Fußangeln birgt, ahnt man, wie diese Handlung ausgeht. 

Wertung: 7 von 10 D-Mark
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