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Plakatmotiv: Dune – Part Two (2024)

Die Entstehung eines komplexen
Kosmos' in grandioser Schönheit

Titel Dune: Part Two
(Dune: Part Two)
Drehbuch Denis Villeneuve & Jon Spaihts & Craig Mazin
nach dem Roman von Frank Herbert
Regie Denis Villeneuve, USA, Kanada 2024
Darsteller

Timothée Chalamet, Zendaya, Rebecca Ferguson, Javier Bardem, Josh Brolin, Austin Butler, Florence Pugh, Dave Bautista, Christopher Walken, Léa Seydoux, Stellan Skarsgård, Charlotte Rampling, Souheila Yacoub, Roger Yuan, Babs Olusanmokun, Alison Halstead, Giusi Merli, Kait Tenison u.a.

Genre Science Fiction, Abenteuer, Drama
Filmlänge 166 Minuten
Deutschlandstart
29. Februar 2024
Inhalt

Der Planet Arrakis. Das Jahr 10191: Nach dem brutalen Anschlag auf das Haus Atreides, Folge einer Intrige des Imperators und dem Haus Harkonnen, sind Paul Atreides und seine Mutter Jessica in der Wüste von den Fremen aufgenommen und im Gebirge von Arrakis unterwegs.

Während sich Paul in die Kultur der Fremen eingliedern und das Überleben in der Wüste lernen will, halten die Fremen ihn für den prophezeiten Lisan al Gaib, einen Messias, der die Fremen ins Paradies führen soll. Nur die junge Kriegerin Chani zweifelt an dem antiken Glauben und sieht in Paul einen aufrichtigen Verbündeten, in den sie sich schon bald verliebt.

Das Spice – eine Droge und der wertvollste Rohstoff im ganzen Universum – verstärkt immer mehr Pauls seherische Fähigkeiten und in seinen Visionen zeichnet sich ein bevorstehender Krieg mit den Harkonnen und dem Imperator ab. Bald marschieren die Fremen aus allen Teilen des Planeten unter Pauls Führung gegen Harkonnen und den Imperator selbst …

Was zu sagen wäre

Nach zweieinhalb Filmstunden im Herbst des Jahres 2021 zeichnet sich in dieser wieder zweieinhalb Stunden währenden Fortsetzung aus dem Jahr 2024 langsam die Komplexität des Dune-Kosmos ab, den Autor Frank Herbert in den 1960er Jahren in mehreren ziegelsteindicken Büchern entworfen hat. Die erste Trilogie – "Der Wüstenplanet" (1965), "Der Herr des Wüstenplaneten" (1969), "Die Kinder des Wüstenplaneten" (1976) – erzählt, wie sich das Haus Atreides, ausgehend von Paul Atreides, zum neuen Herrschergeschlecht über das Imperium aufschwingt, Paul sowohl mit seiner Geliebten, der Fremenfrau Chani, als auch seiner Ehefrau, Prinzessin Irulan, Tochter des abgedankten Imperators, Erben zeugt und dann mittels Waffengängen, Intrigen und Nachkommen die Macht des Hauses zu sichern sucht. Es entwickelt sich ein religiöser Personenkult um Paul Atreides, der zu neuen Spannungen führt.

"Dune" als Parabel auf die Weltgemeinschaft

Der Film "Dune: Part Two" hat mit dem Abspann ungefähr das Ende des ersten Bandes dieser Trilogie erreicht, hat allerdings inhaltliche Abweichungen dahingehend genommen, dass diverse Kinder aus der Romanvorlage im Film noch nicht bekannt oder auch noch nicht geboren sind – was nichts heißen muss, aber in der verzwickten Theokratie des "Dune"-Kosmos' weitläufige Folgen für potenziell künftige Filme haben kann. Gleichzeitig taucht der Film tiefer in die zahlreichen Themen von Umwelt über Kolonialismus bis hin zu Religion ein, die die Romanvorlage setzt.

Regisseur Denis Villeneuve steigt, nachdem sein gefeierter Dune: Part One (2021) im Rückblick zu einem Prolog schrumpft, der die Aufgabe erfüllt, die Protagonisten und Antagonisten gegeneinander in Stellung zu bringen, mit "Part Two" tief in die Welt des Wüstenplaneten ein. Nahtlos knüpft er an den Vorfilm an, Paul und seine Mutter sind mit den Fremen auf dem Weg in deren zentrales Quartier, werden aber weiterhin misstrauisch auf Abstand gehalten. Menschen können niemals Fremen, niemals Wesen der Wüste sein, lautet ihr Credo. Dennoch wird Lady Jessica die neue Ehrwürdige Mutter der Fremen und Paul von einem Teil der Wüstenleute als der auserwählte Lisan al-Gaib erkannt, der die Fremen in ein prophezeites Paradies bringen soll. Die Herrscherhäuser, ihre Intrigen und Händel spielen in diesem Film lange keine Rolle, stattdessen entwickelt der Film die Gemeinschaft der Fremen zu einer grob gezeichneten Parabel auf die Weltgemeinschaft. Es gibt die Völker des Südens, die an Prophezeiungen und strenge Riten glauben, und die rational gesinnten Völker des Nordens, die solcherlei für gefährlichen Unsinn halten, der nur in die Sklaverei führt. Sinnbildlich stehen dafür Pauls Mentor Stilgar, der in ihm den Auserwählten zu erkennen glaubt und ihn das Überleben in der Wüste und das Reiten des großen Wurms lehrt, und Chani, die Frau, in die sich Paul verliebt und die in ihm den guten Kämpfer und Garanten für das Überleben der Gruppe erkennt. Dass die gläubigen Fremen mit ihren dichten Bärten und unterwürfigen Gebetsriten an muslimische Glaubensvertreter erinnern, ist sicher kein Zufall.

Die Frauen an den Hebeln der Macht

Paul steht in der Tradition des Zweiflers, der durch Visionen erkennt, was geschieht, wenn er die Führung übernimmt – er sieht „Milliarden von Toten“, für die er verantwortlich sein würde – und gleichzeitig vorwärts getrieben wird vom Wunsch nach Rache am Haus Harkonnen und dem Imperator. Mitten hinein in diese Dualitäten – hier die rationalen, da die gläubigen Fremen; hier Zurückhaltung, da Rache; hier die imperialen Häuser, die das Spice brauchen wie die Luft zum Atmen, da die Fremen, denen das Spice qua Geburtsrecht eigentlich gehört – setzen sich die Bene Gesserit als Solitär der kühlen Besserwisserei. Die Religionsgemeinschaft der Schwestern, denen ihr Mitglied, Lady Jessica, mit Paul einst einen Jungen ins Nest gelegt hatte, statt ein weiteres, zu potenziell Allmächtigem fähigen Mädchen, ist unentwegt damit beschäftigt, ihre Planungen der Realität anzupassen. „Hoffnung?“, höhnt die Ehrwürdige Mutter Mohiam, „wir hoffen nicht. Wir planen für alle Eventualitäten!“ Und natürlich ist in ihren Visionen Paul weder der Erste, noch gar der oder die Einzige, der ihre Prophezeiungen in Realität umsetzen könnte. In der Welt von "Dune" haben die Männer nur die Macht. Die Frauen aber halten die Fäden in der Hand.

Es gibt eine weitere Dualität: die Galaxien umspannenden Pläne Paul Atreides' und die Sehnsucht nach dem einfachen Leben mit wunderschönen Sonnenaufgängen auf Arrakis, das Chani, der Fremenfrau, vorschwebt. In diesem Zwiespalt ist das ferne Scheitern einer romantischen Beziehung mit Kindern und Abendbrot im romantischen Sonnenuntergang schon angelegt.

Ein souveräner Sturkopf auf dem Regiestuhl

Wie soll man sowas verfilmen? Man kann das so machen, wie George Lucas in seinen ersten Star Wars-Filmen, der sich reichlich bei Motiven aus Frank Herberts Fantasiewelt bedient hat, ursprünglich für zwölf Filme geschrieben hatte, dann aber schon seinen ersten Teil mit der Detonation des Todessterns enden ließ – hätte ja sein können, dass der Film floppt und es keine Fortsetzungen gegeben hätte; dann hätte sein "Krieg der Sterne" zumindest ein Finale gehabt. Oder man macht es so souverän, wie Denis Villeneuve mit "Dune", der von der ersten Minute des ersten Teils an stur auf einen Mehrteiler hin inszeniert, dessen Struktur im ersten Teil unscharf und ohne explosives Finale bleibt, sich im vorliegenden zweiten Teil entwickelt und in kommenden Filmen – aus Kinosesselperspektive gesprochen: hoffentlich – manifestiert.

Solche Versuche, im Kino Mehrteiler zu etablieren, sind schon mehrfach in die Hose gegangen – man denke an World of Warcraft, an die abgebrochene Millennium-Trilogie nach Stieg Larsson oder an Jumper: in Zeiten zahlreicher Freitzeitalternativen sind Kinogänger mehr denn je flatterhafte Wesen.

Villeneuve macht besser, was andere ignorieren (Dune – 2021; Blade Runner 2049 – 2017; Arrival – 2016; Sicario – 2015): Er setzt das Bild an erste Stelle. "Dune: Part Two" ist ein rauschendes Fest der schönen Bilder. Virtuose Wüstenpanoramen mit gigantischen Würmern wechseln ab mit extremen Nahaufnahmen ausdrucksstarker Gesichter, wunderbar designte Fluggeräte kontrastieren mit archaischem Leben in der Wüste. Reiten die Fremen auf den großen Würmern, will man sich im Kinosessel festkrallen. Ferne Planeten leuchten ohne Farben: Giedi Prime, Heimatplanet der Harkonnen, dreht sich um eine schwarze Sonne, folgerichtig inszeniert Villeneuve die Szenen, die dort spielen, in Schwarz-Weiß. Villeneuve entwickelt seine Visionen nicht, wie viele zeitgenössische Regisseure, erst im Schneideraum. Das Timing, der Fluss der Bilder, die Energie, die sie ausstrahlen, deuten darauf hin, dass er vom ersten Drehtag nichts der Improvisation überlässt; wahrscheinlich wusste er am Premierentag dieses Films schon, was in Minute 58 des dritten Teils seiner Dune-Reihe passiert.

Ein Magic Moment für das Kinojahr 2024

Wie man sowas wie Herberts inhaltswuchtige Welt auf eine kinosesseltaugliche Zeit komprimiert? Indem etwa nicht jeder Schritt der Heldengenese ausdefiniert wird. Als eine der Prüfungen, die sein Mentor ihm auferlegt, muss Paul einen Bereich der Wüste durchqueren, in dem ihn verschiedene Gefahren erwarten. Paul marschiert also los – im schwankenden Schritt der Fremen, die mit ihrem unrhythmischen Gang verhindern, dass Sandwürmer auf sie aufmerksam werden. Das zeigt uns Villeneuve ein paar Sekunden. Die reichen schon. Er hält seine Zuschauer für alt genug, sich zu erinnern, dass Paul schon im ersten Teil einen mustergültig geschnürten Fremenanzug vorzeigen konnte und mehrfache Bedrohungen in der Wüste überlebte. Also sitzt nach wenigen Schwankender-Gang-Sekunden Chani auf einer Düne und macht sich über die Fehler in seinem Gang lustig. Und dann zeigt sie ihm wie das richtig funktioniert und hier schafft Villeneuve einen Magic-Moment des Kinos 2024. Chani und Paul tanzen ein Ballett, schwanken im Gleichklang über den goldgelben Wüstensand; eine Szene, die auch gleich noch die in diesem Film zentrale Liebesgeschichte transportiert. Es gibt drei oder vier Szenen für die beiden alleine, mehr verschwendet Villeneuve auch auf die romantischen Momente der Saga nicht, denn seine Bilder sind auch hier ausdrucksstark genug, um sich wieder dem komplexen Ganzen zu widmen.

Unmittelbar nach dem Magic Moment im Wüstensand also Bildschnitt und wir finden uns mitten in einem Angriff der Fremen gegen einen Spice-Ernter und dessen schwere Bewaffnung wieder. Plakatmotiv: Dune – Part Two (2024) Gedreht wurde wieder in der Wüste Jordaniens, in der natürlich digitale Effekte zum Einsatz kommen – gigantische Sandwürmer und schwebende Spice-Ernter gibt es ja real nicht – aber Vieles ist eben nicht im Studio vor Green Screen oder LED-Wänden entstanden, sondern im realen Wüstensand und das sieht man dem Film an; das staubige, ausgetrocknete Setting spüren wir förmlich im Hals. Und darin leben und arbeiten echte Menschen, keine Klischees.

Ein Star wird erwachsen

Timothée Chalamet als Paul ist reifer geworden zwischen den Teilen. Vor drei Jahren war er der durchaus passend blasse, wenn auch clevere Herrscher-Nachwuchs, dem im realen Leben der Begriff Teenager-Schwarm anhaftete, der sich vor allem im professionellen Autorenkino ausprobierte (Little Women – 2019; A Rainy Day in New York – 2019; Feinde – Hostiles – 2017; Lady Bird – 2017; "Call Me by Your Name" – 2017; Interstellar – 2014; #Zeitgeist – 2014). Sein Gesicht ist kantiger, um die Erfahrung einiger Großproduktionen reifer geworden ("Wonka" – 2023; Don't Look Up – 2021; Dune – 2021) – und dass es gegen alle Wüstensonnen gefeit immer noch so blass ist, unterstreicht letztlich nur seinen Auserwähltenstatus.

Im Vorgängerfilm bildeten Chalamet und Rebecca Ferguson (Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Eins – 2023; Stephen Kings Doctor Sleeps Erwachen – 2019; Men in Black: International – 2019; Girl on the Train – 2016; Florence Foster Jenkins – 2016; Hercules – 2014) als seine Mutter Jessica das zentrale Gespann. Das ändert sich hier. Jessica verfolgt wieder ihre Karriere hin zur Ehrwürdigen Mutter und übergibt (sinnbildlich) Pauls Zügel an Chani, die Fremenfrau, die im ersten Teil nur wenige Szenen hatte, mit ihrer Coolness aber nachhaltigen Eindruck hinterließ. Jetzt steht sie im Zentrum und vielleicht ist es ein Plus, dass Zendaya, bevor sie mit den Spider-Man-Filmen Kinoluft schnupperte, Erfahrung in ihren Jobs als Sängerin, Model und Moderatorin sammelte. In diesen Jobs hat sie gelernt, mit ihrem scharf geschnittenen Gesicht unmittelbar Gefühle zu transportieren; in Multimillionen Dollar-Produktionen wie dieser ist diese Fähigkeit Gold wert. Villeneuve, der in Werbung und Musikvideos gelernt hat, wie Bilder wirken, nutzt diese Erfahrung für große Emotionen. Ergebnis: Am Ende sitzen wir im Kinosessel eng an der Seite all der Protagonisten, die wir in den vergangenen zweieinhalb Stunden begleitet haben.

"Dune: Part Two", dessen Start wegen des Streiks der Drehbuchautoren und Schauspieler in Hollywood im vergangenen Jahr von November auf den Februar dieses Jahres geschoben werden musste, präsentiert sich als erster Höhepunkt des Kinojahres 2024, der seine ganze Wucht freilich erst entfaltet, wenn man ihn zusammen mit Part One guckt.

Wertung: 8 von 8 €uro
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