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Kinoplakat: Arrival
Schönheit in Cinemascope.
Sprache ist große Macht!
Titel Arrival
(Arrival)
Drehbuch Eric Heisserer
nach der Geschichte „Story of Your Life“ von Ted Chiang
Regie Denis Villeneuve, USA 2016
Darsteller
Amy Adams, Jeremy Renner, Michael Stuhlbarg, Forest Whitaker, Sangita Patel, Tzi Ma, Mark O'Brien, Julia Scarlett Dan, Abigail Pniowsky, Jadyn Malone, Ruth Chiang, Nathaly Thibault, Anana Rydvald, Leisa Reid, Russell Yuen u.a.
Genre Science Fiction, Drama
Filmlänge 116 Minuten
Deutschlandstart
24. November 2016
Website arrivalmovie.com
Inhalt

Dr. Louise Banks ist Sprachwissenschaftlerin. Sie liebt ihren Job, lebt ihn mit Leidenschaft, trotz eines schweren Verlustes. Ihre Tochter stirbt im Teenageralter an einer seltenen Krankheit. An der Uni weiß das niemand. Die Studenten ihres Kurses schätzen sie als Vielbelesene, sie schätzt ihren Kurs als Ablenkung..

Zwölf Raumschiffe landen auf der Erde, an unterschiedlichen Punkten. Überall versuchen Gruppen aus Militärs und Wissenschaftlern, mit den Außerirdischen Kontakt aufzunehmen. Banks und der Physiker Ian Donnelly werden von US-Colonel Weber für ein amerikanisches Team engagiert, das in Montana Kontakt zu den unbekannten Wesen aufbauen soll. Das wegen seiner Form als „Muschel“ bezeichnete schwarze Raumschiff öffnet sich alle 18 Stunden, und das Team trifft in einer großen Kammer an einer Milchglaswand auf zwei der Aliens. Während Banks mit Schrifttafeln die Menschen vorstellt, schreiben die wegen ihres Aussehens als „Heptapoden“ (Siebenfüßler) bezeichneten Außerirdischen mit ihren Füßen Schriftzeichen auf die Wand, die mit Tusche gezeichneten Kreisen unterschiedlicher Ausprägung ähnlich sehen.

Den Wissenschaftlern gelingt es, diese logographischen Zeichen zu entschlüsseln, und in regelmäßigen Treffen eine Kommunikation mit den Abbott und Costello genannten Wesen aufzubauen. Eine friedliche Verständigung scheint möglich zu sein, jedoch betrachten die Regierungen anderer Staaten die außerirdischen Flugobjekte zunehmend als direkte Bedrohung und erwägen militärische Maßnahmen. Dazu neigt insbesondere der chinesische General Shang.

Nachdem Banks Botschaften der Aliens als „Waffe anbieten“ und „Waffe nutzen“ übersetzt, spitzt sich die Lage schnell zu. Ein globaler Krieg wird immer wahrscheinlicher und die Kommunikation zwischen den internationalen Wissenschaftlerteams wird abgebrochen …

Was zu sagen wäre

Es ist im Kino des 21. Jahrhunderts keine neue Situation mehr. Aber ein Regisseur, der sein Handwerk liebt, kann daraus auch in der ausgehenden zweiten Dekade dieses Jahrhunderts noch einen Magic Moment bauen: Etwas geschieht, und die Smartphones – Synonym für die Kommunikation moderner Menschen – aller im Raum mit ihren Short Messages und Klingeltönen machen uns darauf aufmerksam. Denis Villeneuve (Sicario – 2015; „Prisoners“ – 2013) baut das in einer ganz wunderbar einfachen Sequenz zu einem Aggregator seines Films. Dr. Banks, die Linguistin, wird dann von ihren verstörten Studenten gebeten, „die Nachrichten einzuschalten“ (und in diesem Fall müssen wir im Kinosessel mal nicht verzweifeln, weil sie gleich den richtigen Kanal einschaltet – weil das, was geschieht, einfach auf allen Kanälen läuft). Aber auch dann sehen wir nicht. Wir hören nur, und sehen dabei in die Gesichter von Menschen.

Das Kino entdeckt die Sprache wieder

Das ist ein schöner Einstieg in einen Film, in dem es um Kommunikation, um die Sprache geht, darum, wie Menschen – oder fremde Wesen – miteinander in Kontakt treten können: In einer Zeit, in der Bilder allgegenwärtig sind, werden Bilder zweitrangig. Wichtig ist: Was sagen die anderen? Hier ist „Arrival“ aus Produzentensicht auch so ein Glücksfall, weil er in die Kinos kommt, als gerade Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde und alle (intellektuelle) Welt sich fragt, wie das geschehen konnte, das Thema mangelnder Kommunikation also ohnehin in aller Munde ist; sowas ist im mehrjährigen Prozess des Filmemachens immer ein Zufall, aber bitteschön, Botschaft kommt an: Leute, redet miteinander.

Denis Villeneuve („Sicario“ – 2015; „Enemy“ – 2013; „Prisoners“ – 2013; „Der 32. August auf Erden“ – 1998) hat einen großartig schönen Film gedreht. Der verfilmten Short Story von Ted Chiang liegt ein kühnes Gedakenexperiment zugrunde: Was passiert, wenn Wesen die Welt, das Leben, das Universum simultan wahrnehmen, wenn es kein lineares Bewusstsein gibt, in dem ein aufs andere folgt, statt dessen eines, in dem alles gleichzeitig geschieht? Villeneuves Director of Photography, Bradford Young, verzichtet auf grandiose Alien-Objekte über Megacities oder im Gegenlicht. Bei ihm hängen die „Muscheln“ über tosender See oder nassgrünen Landschaften, Young gibt dem Besuch einen realistischen Look, verstärkt dadurch, dass wir meistens grisseliges News-Footage aus dem Fernsehen zu sehen bekommen, ein Kniff, den schon Neill Blomkamp in District 9 (2009) wirkungsvoll angewendet hat. Dazu bietet er uns lange Sequenzen an, die Villeneuve ungeschnitten lässt, wunderbare Einstellungen, die dem Zuschauer die Möglichkeit geben, den Schauplatz zu verstehen. Bestes 3D-Kino in 2D – ein Beweis, dass 3D-Kino ein Gimmick ist, den gut fotografiertes Kino gar nicht braucht.

Der Kreislauf der Lebens der Sprache der Aliens

Und immer wieder bewegt sich Youngs Kamera im Kreis. Der Kreis spielt eine zentrale Rolle in Villeneuves Film. Der Kreislauf des Lebens, die Unendlichkeit des Rades – mit diesen Motiven spielt er. Denn natürlich kommen die Aliens nicht einfach so zu Besuch – schon das Plakat fragt, „Warum sind sie hier?“ – und natürlich sind sie nicht einfach irgendwelche Typen, die Kontakt herstellen wollen. Das Kino, an dessen Anfang einst „Die Reise zum Mond“ der Gebrüder Lumière stand, kennt kaum ein älteres Subjekt, als den Außerirdischen. Also geht es am Ende um das Große Ganze. Und da spielt der lineare, der sequenzielle Zeitverlauf keine Rolle mehr.

Nach dem Tod ihrer Tochter taumelt Louise durch einen endlos scheinenden, kreisrunden Krankenhaus-Korridor – ziellos, perspektivlos – und dann tritt sie mit dem nächsten Schnitt vor ihre Studenten. Später kreist ihr Hubschrauber (und mit ihm die Kamera) elegisch um das Militärcamp in Montana zu Füßen der „US-Muschel“ – scheinbar ziellos – um dann, nach dem nächsten Bildschnitt, mitten hinein zu gehen ins Geschehen. Die Sprache der Aliens besteht überhaupt nur aus Kreisen mit leichter, aber entscheidend unterschiedlicher Unwucht, die gleichzeitig Anfang und Ende des Gesagten symbolisieren; in der Aliensprache gibt es sowas wie Anfang oder Ende nicht, sie denken und formulieren gleichzeitig. Und auch Eric Heisserers Drehbuch (The Thing – 2011; Final Destination 5 – 2011; „A Nightmare on Elm Street“ – 2010) erzählt schließlich eine kreisförmige, keine lineare Geschichte.

Der Mensch als Pickel am Arsch des Universums

Es ist – im schon angesprochenen 21.-Jahrhundert-Kino – erstaunlich, dass ein Film über friedliche Aliens, in dem sich sogar waffenstarrende Miltärs und geübt misstrauische CIA-Agenten über weite Strecken im Zaum halten und von einer kleinen rothaarigen Wissenschaftlerin den Weg weisen lassen, nie zähflüssig wird. Neben Villeneuves elegantem Erzählrythmus, den Steve McQueens Cutter Joe Walker (Blackhat – 2015; 12 Years a Slave – 2013; „Shame“ – 2011; „Hunger“ – 2008) in Film gegossen hat, liegt das an Amy Adams (Batman V Superman: Dawn of Justice  – 2016; American Hustle – 2013; Her – 2013; Back in the Game – 2012; Die Muppets – 2011; „Julie & Julia“ – 2009; „Der Krieg des Charlie Wilson“ – 2007). Villeneuve schenkt ihrer offenen – ängstlichen zunächst – Neugier lange Großaufnahmen, die die Schauspielerin mit großer Emotion füllt. Sie spielt ihre Linguistin angemessen rational. Umso tiefer zieht uns ihre Verbundenheit mit Abbot und Costello mitten ins Drama.

Ein Drama, das die Sprachlosigkeit der Menschen behandelt – die Aliens sind nur der Katalysator, ein etwas größer geratener MacGuffin. Szenen, die die Linguistin mit ihrer – nach fünf Filmminuten verstorbenen – Tochter zeigen, machen das deutlich; auch die sehr junge Tochter schaut auf die Menschen wie auf einen Fremdkörper. Die Fremdheit, die Alienation, ist die Fremdheit der Menschen untereinander. Diese Erkenntnis macht die Geschichte und den Film so großartig. Das erste, was passiert, nachdem die Aliens erscheinen: Die Menschen rauben sich untereinander aus, anstatt zusammenzustehen. Der Film zeigt das in TV-Nachrichten so nüchtern, als sähen wir als Wissenschaftler Mäusen im Labyrinth zu – wenn also was Schlimmes passiert, geht Otto-Normalbürger erst einmal plündern. Dessen Regierungen aber sind kaum besser. Anfangs noch schalten sich alle zusammen, aber wenn es dann darum geht, Informationen und wirkliche Erkenntnisse auszutauschen, um gemeinsam weiter zu kommen, machen plötzlich alle dicht und am Ende herrscht die waffenstarrende Sprachlosigkeit unter den Menschen, die sich hier als lediglich der Pickel am Arsch des Universums beweisen.

Die gemeinsame Basis mit dem absolut Fremden

Hier kommt die Linguistin als Heilsbringerin daher, die zeigt, welcher Fragen es bedarf, um mit dem Fremden überhaupt erst einmal eine gemeinsame Basis zu finden, die absolute Andersartigkeit zu akzeptieren, zu begreifen, dass der Andere eine ganz andere Wahrnehmung hat. Adams überspielt diese leicht Kitschgefährdete Situation gekonnt und kann sich da auch auf ihren Co-Star Jeremy Renner verlassen, der offenbar ganz froh ist, mal wieder eine Rolle zu spielen, die weniger Action (Mission: Impossible – Rogue Nation – 2015), mehr Kopf erfordert. Renner (American Hustle – 2013; Hänsel und Gretel: Hexenjäger – 2013; Das Bourne Vermächtnis – 2012; The Avengers – 2012; Mission: Impossible – Phantom Protokoll – 2011; „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“ – 2008; „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“ – 2007; 28 Weeks Later – 2007) als sympathisch geerdeter Mathematiker ist ein – zusätzlicher – Gewinn für den Film.

Dass es der zunächst Schlachtenlüsterne Chinese ist, über den der gordische Knoten der Sprachlosigkeit zertrümmert werden muss, ist kein Zufall. Aber dieser Zufall hat dann nichts mit der Story zu tun. Dass zunehmend Asiaten im Hollywoodkino auftreten – manchmal noch nur als Minuten dauernder Sidekick – hat damit zu tun, dass vor allem China massiv auf Einkaufstour ist. Die Columbia-Studios gehören seit Jahren schon zum SONY-Konzern aus Japan. Und viele Beobachter der Filmindustrie erwarten nun, dass China die Vereinigten Staaten bis 2017 überholen und – gemessen am Umsatz – der weltgrößte Filmmarkt wird (2015 erreichten die Umsätze an den Kinokassen in China ein neues Rekordhoch von fast 6,5 Milliarden Euro).

China erobert den Kinomarkt

Also produziert Hollywood zunehmend Filme, die sich am asiatischen Markt orientieren. Der demnächst startende „The Great Wall“ mit Matt Damon ist ein geradezu klassisches Beispiel dafür: ein asiatischer Monster-Mythos, die chinesische Mauer und ein westlicher Weltstar, der nach dem asiatischen Zielpublikum auch die Gai Jins (die Langnasen) ins Kino locken soll; aber ausgerichtet ist jener Film deutlich auf die Asiaten. Ähnlich kalkulieren die Produzenten für Denis Villeneuves Film. Es hätten es ja auch die Russen oder die Europäer sein können, mit denen die Linguistin am Ende den rettenden, den Frieden erhaltenden Dialog führt – das spielt für die Story an sich keine entscheidende Rolle; das amerikanische Militär spielt ohnehin nur noch die Rolle des etwas schwer von Begriff agierenden Antipoden. Den rettenden, den Frieden erhaltenden Dialog aber führt die Lingusitin dann mit dem starken Mann Chinas, der sich später vor ihr verneigt.

Es ist eben alles eine Frage der richtigen Sprache – für deren Verständnis man bereit sein muss, hinter das Fremde zu sehen, das Andersartige zu akzeptieren. Ein hochaktueller Film.

Wertung: 7,50 von 8 €uro
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