Gus Lobel ist eine Legende. Als Scout hat er im Baseball so ziemlich jeden Star-Pitcher gefunden, der es in den vergangenen 5.000 Jahren ins Licht der Öffentlichkeit geschafft hat. Er kann hören, wenn ein Schwung des Batters aus flatterigem Handgelenk kommt. Der Mann ist ein Profi. Jetzt ist er alt. Nicht mehr lange, und er kann nichts mehr sehen, er erblindet. Schon jetzt ziert ein unscharfes Feld sein zentrales Blickfeld. Die Geier warten schon. Tom Silver zum Beispiel, jung, respektlos, arrogant, ein Typ mit Laptop, der glaubt, das Spiel zu kennen, weil er Tabellen und Analysen liest. Gus Lobel kann das Spiel lesen.
Was er nicht kann, das ist Familie. Seine Tochter Mickey war sechs, als seine Frau starb. Er zog Mickey alleine groß, aber ein Leben zwischen Baseball, Billardtischen und Bars war nichts für ein kleines Mädchen, Gus gab die Tochter erst zu einer Tante, dann ins Internat. Mickey hat ihm das nie verziehen, hat ihren ganzen Ehrgeiz in die Karriere als Anwältin gesteckt, wo sie kurz vor dem Schritt in die Partnerschaft ist. Es passt ihr gar nicht, als Pete Klein in der Tür steht, Gus' alter Freund und Kollege, und Mickey bittet, Gus auf dessen Scouting-Tour zu begleiten – Pete ahnt, dass Gus mit dem Sehen Schwierigkeiten hat und will dem alten Freund helfen.
Widerwillig lässt sich Amy breit schlagen und setzt sich neben ihren Vater auf die Holzbänke der Schulmeisterschaften, wo Bo Gentry für nervöse Aufmerksamkeit in der Liga sorgt – vielleicht das nächste große Talent? Gus kann mit seiner Tochter nichts anfangen, schon gar nicht, als die ihn gleich mit Vorwürfen über die Zeit ihrer Kindheit überschüttet. Aber Mickey ist zäh – und in Sachen Baseball ihrem Dad allemal gewachsen. Gus ist es gar nicht mal so unangenehm, seine hellsichtige Tochter neben sich sitzen zu haben.
Dass Mickey da sitzt und Ahnung von Baseball hat, findet auch Johnny Flanagan nicht schlecht. Johnny ist auch Talentscout, unterwegs für ein konkurrierendes Team. Er wurde vor Jahren selbst von Gus als zukünftiger Baseballstar entdeckt – und interessiert sich jetzt sehr für Mickey …
„Trouble with the curve“ heißt der Film im Original und beschreibt dem US-Zuschauer damit recht deutlich, worum es in etwa geht: ein Film im Baseballmilieu, wo man den „curve ball“ kennt, ein angeschnitten geworfener Ball. Im deutschen heißt der Film nun „Back in the Game“, was völlig abwegig ist. Niemand ist hier zurück im Spiel, weil niemand das Spiel je verlassen hätte. Was soll so ein Titel? Glaubt der Verleih, ein englischer Titel – der allerdings ohne Fachbegriffe wie „curve“ auskommen müsste – lasse den Film cooler wirken? Hipper? Jünger? Also als all das, was der Film nicht ist? Experiment misslungen. Ich habe zum ersten mal an der Kinokasse gestanden und den Filmtitel nicht parat gehabt („Bitte zwei Karten für … äh … dingens. Den Film mit Clint Eastwood.“) „Back in the Game“ ist ein nichtssagender Titel.
Ein routiniert zorniger alter Mann
Zum ersten mal seit Wolfgang Petersens In the line of fire (1993) spielt Clint Eastwood (Gran Torino – 2008; „Million Dollar Baby” – 2004; „Blood Work” – 2002; Space Cowboys – 2000; Ein wahres Verbrechen – 1999) unter fremder Regie. Er tut das routiniert, gibt den zornigen alten Mann, der spät zurück ins familiär geprägte Leben findet und darf dem konservativ geprägten, ur-amerikanischen Sport des Baseball frönen. Ihm gegenüber steht Amy Adams („The Master“ – 2012; Die Muppets – 2011; „The Fighter“ – 2010; „Julie & Julia“ – 2009; „Der Krieg des Charlie Wilson“ – 2007; Catch Me If You Can – 2002), die ihrer auf jung, zäh, schlagfertig und weichherzig getrimmten Tochterrolle nicht für möglich gehaltenes Leben einhaucht. Wenn sonst nichts ist, kann man zwei souveränen Schauspielern bei der lustvollen Ausübung ihres Berufes zusehen.
Der Film ist ein gutes Beispiel dafür, warum Manches im Kino nicht mehr funktioniert. „Back in the Game“ wartet mit einem ausgezeichneten Schauspieler-Ensemble auf, John Goodman gibt präzise den onkelhaft gutmütigen alten Buddy, Justin Timberlake (In Time – 2011; Freunde mit gewissen Vorzügen – 2011; Bad Teacher – 2011; the social network – 2010) liefert das Porträt eines jungen, gut aussehenden Erfolgs-Johnnys glaubhaft und Mathew Lillard (Mörderische Freunde - 1998) ist so hochnäsig-unsympathisch, wie sich das für den Mann gehört, der als Überraschungskiller in Scream! (1996) in die Filmgeschichte einging.
Auch Kameramann Tom Stern liefert sehenswerte Arbeit, Marco Beltramis Musik fällt ebensowenig unangenehm auf wie der Bildschnitt (Joel Cox + Gary Roach). Das Drehbuch ist solide. Aber eben nicht gut genug für den teuren Kinoabend. Als Premiere in der 20.15-Schiene des öffentlich-rechtlichen Fernsehens darf sich jeder Zuschauer über viel kunstvolles Handwerk in diesem Film freuen. Ein Kinoabend zu zweit – für den dieser Film gemacht ist – kostet 30 Euro. Da darf es schon etwas mehr sein, als guten Schauspielern dabei zuzusehen, wie sie – professionell inszeniert – hundertmal gesehenen Figuren Clint-Eastwood- oder Amy-Adams-Charme einhauchen.
Sympathisch. Charmant. Freundlich. Der nächste bitte.
Die Kinofilme mit Clint Eastwood
Clinton Eastwood Jr. (* 31. Mai 1930 in San Francisco, Kalifornien) ist ein US-amerikanischer Filmschauspieler, Regisseur, Produzent, Komponist und Politiker.
Als wortkarger Western- und Actionheld avancierte er ab den 1960er Jahren zu einem weltweit erfolgreichen Star. Mittlerweile ist er auch ein renommierter Filmregisseur und -produzent. Mitunter, vornehmlich für seine eigenen Filme, komponiert er auch Filmmusik.
Von 1986 bis 1988 war er Bürgermeister der kalifornischen Kleinstadt Carmel.
Der Schauspieler
- Die Rache des Ungeheuers (Revenge of the Creature, 1955)
- Tarantula (1955)
- Francis in the Navy (1955)
- Die nackte Geisel (Lady Godiva, 1955)
- Nur Du allein (Never Say Goodbye, 1956)
- Noch heute sollst Du hängen (Star in the Dust, 1956)
- The First Traveling Saleslady (1956)
- Klar Schiff zum Gefecht (Away All Boats, 1956)
- Verschollen in Japan (Escapade in Japan, 1957)
- Ambush at Cimarron Pass (1958)
- Lafayette Escadrille (1958)
- Für eine Handvoll Dollar (Per un pugno di dollari, 1964)
- Für ein paar Dollar mehr (Per qualche dollaro in più, 1965)
- Zwei glorreiche Halunken (Il Buono, il brutto, il cattivo, 1966)
- Agenten sterben einsam (Where Eagles Dare, 1968)
- Coogans großer Bluff (Coogan’s Bluff, 1968)
- Hängt ihn höher (Hang ’Em High, 1968)
- Westwärts zieht der Wind (Paint Your Wagon, 1969)
- Ein Fressen für die Geier (Two Mules for Sister Sara, 1970)
- Stoßtrupp Gold (Kelly’s Heroes, 1970)
- Betrogen (The Beguiled, 1970)
- Sadistico (Play Misty for Me, 1971)
- Dirty Harry (1971)
- Sinola (Joe Kidd, 1972)
- Ein Fremder ohne Namen (High Plains Drifter, 1973)
- Dirty Harry II – Callahan (Magnum Force, 1973)
- Die Letzten beißen die Hunde (Thunderbolt and Lightfoot, 1974)
- Im Auftrag des Drachen (1975)
- Der Texaner (The Outlaw Josey Wales, 1976)
- Dirty Harry III – Der Unerbittliche (The Enforcer, 1976)
- Der Mann, der niemals aufgibt (The Gauntlet, 1977)
- Der Mann aus San Fernando (Every Which Way But Loose, 1978)
- Flucht von Alcatraz (Escape from Alcatraz, 1979)
- Bronco Billy (1980)
- Mit Vollgas nach San Fernando (Any Which Way You Can, 1980)
- Firefox (1982)
- Honkytonk Man (1982)
- Dirty Harry kommt zurück (Sudden Impact, 1983)
- Der Wolf hetzt die Meute (Tightrope, 1984)
- City Heat – Der Bulle und der Schnüffler (City Heat, 1984)
- Pale Rider – Der namenlose Reiter (Pale Rider, 1985)
- Heartbreak Ridge (1986)
- Das Todesspiel (The Dead Pool, 1988)
- Pink Cadillac (1989)
- Weißer Jäger, schwarzes Herz (White Hunter Black Heart, 1990)
- Rookie – Der Anfänger (The Rookie, 1990)
- Erbarmungslos (Unforgiven, 1992)
- In the Line of Fire – Die zweite Chance (In the Line of Fire, 1993)
- Perfect World (A Perfect World, 1993)
- Die Brücken am Fluss (The Bridges of Madison County, 1995)
- Absolute Power (1997)
- Ein wahres Verbrechen (True Crime, 1999)
- Space Cowboys (2000)
- Blood Work (2002)
- Million Dollar Baby (2004)
- Gran Torino (2008)
- Back in the Game (Trouble with the Curve, 2012)
- The Mule (2018)
- Cry Macho (2021)
Der Regisseur
- Sadistico (Play Misty for Me, 1971)
- Ein Fremder ohne Namen (High Plains Drifter, 1973)
- Begegnung am Vormittag (Breezy, 1973)
- Im Auftrag des Drachen (1975)
- Der Texaner (The Outlaw Josey Wales, 1976)
- Der Mann, der niemals aufgibt (The Gauntlet, 1977)
- Bronco Billy, 1980)
- Firefox (1982)
- Honkytonk Man (1982)
- Dirty Harry kommt zurück (Sudden Impact, 1983)
- Pale Rider – Der namenlose Reiter (Pale Rider, 1985)
- Heartbreak Ridge (1986)
- Bird (1988)
- Weißer Jäger, schwarzes Herz (White Hunter Black Heart, 1990)
- Rookie – Der Anfänger (The Rookie, 1990)
- Erbarmungslos (Unforgiven, 1992)
- Perfect World (A Perfect World, 1993)
- Die Brücken am Fluss (The Bridges of Madison County, 1995)
- Absolute Power (1997)
- Mitternacht im Garten von Gut und Böse (Midnight in the Garden of Good and Evil, 1997)
- Ein wahres Verbrechen (True Crime, 1999)
- Space Cowboys (2000)
- Blood Work (2002)
- Mystic River (2003)
- Million Dollar Baby (2004)
- Flags of Our Fathers (2006)
- Letters from Iwo Jima (2006)
- Der fremde Sohn (Changeling, 2008)
- Gran Torino (2008)
- Invictus – Unbezwungen (Invictus, 2009)
- Hereafter – Das Leben danach (Hereafter, 2010)
- J.Edgar (2011)
- Jersey Boys (2014)
- American Sniper (2014)
- Sully (2016)
- The 15:17 to Paris (2018)
- The Mule (2018)
Der Fall Richard Jewell (2019) - Cry Macho (2021)
Juror #2 (2024)