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Plakatmotiv: Für eine Handvoll Dollar (1964)

Eine neue Art von Western-Held
betritt die Cinemascope-Leinwand

Titel Für eine Handvoll Dollar
(Per un pugno di dollari)
Drehbuch Adriano Bolzoni & Mark Lowell & Víctor Andrés Catena + Sergio Leone + Jaime Comas Gil
Regie Sergio Leone, Italien, Spanien, BRD 1964
Darsteller

Clint Eastwood, Marianne Koch, Gian Maria Volontè, Wolfgang Lukschy, Sieghardt Rupp, Joseph Egger, Antonio Prieto, José Calvo, Margarita Lozano, Daniel Martín, Benito Stefanelli, Mario Brega, Bruno Carotenuto, Aldo Sambrell u.a.

Genre Italo Western
Filmlänge 99 Minuten
Deutschlandstart
5. März 1965
Inhalt

Ein einsamer Reiter nähert sich dem abgelegenen Wüstenort San Miguel in New Mexico, einem heruntergekommenen Flecken, dessen Bewohner korrupt und grausam zu sein scheinen. Der schweigsamer Mann im Poncho mit dem Zigarillo im Mundwinkel ieht schnell und trifft – das merken ein paar Banditen, die ihn herausfordern. er legt sie in Nullzeit um.

Der Mann im Poncho sieht, dass der Ort von zwei rivalisierenden Familien beherrscht wird, den Rojos und den Baxters. Er sieht seine Chance, die beiden Clans gegeneinander auszuspielen, und verdingt sich zunächst bei den Rojos. Er tötet vier Handlanger der Baxters. Als eine von Soldaten der mexikanischen Armee streng bewachte Postkutsche in der Stadt Halt macht, steht die Frage im Raum, welche Fracht die Kutsche geladen hat.

Als das Gefährt am nächsten Morgen seine Reise fortsetzt, folgt ihr der Fremde zusammen mit Silvanito, dem Wirt des örtlichen Saloons. So werden sie Zeuge, wie die Rojos, die Uniformen von US-Offizieren tragen, bei einer Rast der Kutsche am Rio Bravo zusammen mit ihrer Bande eine Schießerei anzetteln, nachdem sie zuvor bereits einen Trupp amerikanischer Soldaten getötet haben, und die Kisten mit Gold erbeuten. Alle die Kutsche begleitendenden Soldaten finden den Tod. Die Leichen der getöteten amerikanischen und mexikanischen Soldaten lassen sie liegen, um so vorzutäuschen, dass diese sich gegenseitig umgebracht hätten. Nach dieser schlimmen Tat kehren Ramon und seine Sinnesgenossen nach San Miguel zurück und tun so, als sei ihnen Gewalt zuwider und an einem friedlichen Miteinander mit den Baxters gelegen.

Der Fremde beginnt nun damit, die verfeindeten Familien gegeneinander auszuspielen und mit ihnen ein perfides Spiel zu treiben, indem er ihnen abwechselnd anbietet, für sie zu arbeiten und ihnen Fallen stellt. Für jeden Verrat kassiert er eine Handvoll Dollar. Im Beisein von Silvanito platziert der Fremde die Leichen zweier Offiziere auf dem Friedhof, um die Clans glauben zu lassen, diese hätten das Massaker am Rio Bravo überlebt. Die Folge ist, dass es zwischen den verfeindeten Clans zu einer wilden Schießerei auf dem Friedhof kommt.

Währenddessen durchsucht der Fremde das Lager der Rojos nach dem Gold und stößt dabei auf die gefangene Marisol, die von ihrem Mann beim Pokern an Ramón verspielt wurde. Er übergibt sie den Baxters. Da die Rojos aber inzwischen Antonio, den Sohn der Baxters, in ihrer Gewalt haben, findet ein Austausch statt. Der Fremde muss mit ansehen, dass Marisol gegen ihren Willen zu Ramón Rojo zurückkehren muss.

Mittels einer List gelingt es ihm erneut, nicht nur Marisol, sondern auch ihren Mann und den kleinen Sohn, der als Geisel dient, zu befreien und den Verdacht auf die Baxters zu lenken. Marisol ist auf den Rat des Fremden hin in die nahen Wälder geflohen.

Als Ramón Rojo klar wird, dass der Fremde Marisol zur Flucht verholfen hat, lässt er ihn foltern, da er die schöne Frau um jeden Preis zurückhaben will …

Plakatmotiv: Für eine Handvoll Dollar (1964)

Was zu sagen wäre

Ennio Morricones Musik stimmt schon während des kunstvollen Titelvorspanns auf eine düstere, brutalen, emotionale Heldenreise ein. Morricones Musik ist ganz anders als das, was wir als Westernmusik aus dem US-Western kennen, ist perfekt an die Filmbilder angepasst und unterstreicht nicht nur die Spannung einer Szene, sondern verleiht dem Film eine ordentliche Portion Pathos. Morricone unterstreicht seine Kompositionen mit Elementen wie trappelnden Hufen, Pferdegewieher, Pistolenschüssen, Glockengeläut und dem Knallen von Peitschen, E-Gitarren-Klänge werden mit Chören untermalt, ein Spektrum menschlicher und tierischer Schreie, Pfeif-, Grunz- und Stöhnlaute werden vermischt. Eine banal gepfiffene Melodie geht bei Morricone schon mal in einen sich opernhaft steigernden Strudel von Tönen über.

Die Bildsprache des Westerns hat Sergio Leone vollkommen verinnerlicht: weite, leere Landschaften mit einzelnen Männern darin. Seine Figuren aber sind anders, neu, begehrenswert in ihrem Weltekel.

Ein Fremder kommt also in die Gegend und sorgt erst einmal für klare Verhältnisse. Er hat keinen Namen, bald nennen sie ihn der Einfachheit halber Joe, und er erschießt die erste Garde der Gunslinger und wartet dann ab. Sergio Leone malt die Legende des rechtsfreien Raums perfekt, zeigt das etablierte Gesetz des Schnelleren, des Stärkeren – hier ist der Namenlose richtig. Das hat mit den Westernern, die wir aus den USA verinnerlicht haben und die ein wenig müde geworden sind dabei, den Westen zu besiedeln, während eben dieser Westen in der realen Welt im fernen Vietnam einen ungeliebten Krieg ausfechtet, nichts mehr zu tun. Leone orientiert sich an uralten Archetypen des Helden. Dem Produzenten Iain Johnstone sagte er, dass sein Interesse im Bereich Western bis in die Antike zurückgehe: „Ich war schon immer der Ansicht, dass der größte Western-Autor aller Zeiten Homer ist. Achilles, Agamemnon und Ajax sind die Archetypen des heutigen Cowboys. Das hat mich letztlich zum Dreh eines Western veranlasst.“ Ursprünglich fand Leone Eastwood für die Rolle nicht knackig genug, zu intellektuell, er habe „etwas Virileres, Härteres aus ihm machen“ wollen, „etwas Älteres – deshalb der Bart, die Zigarillos und der Poncho, der ihn irgendwie massiver erscheinen ließ“.

Der Fremde kommt, sieht und kassiert ab. Aber irgendwann übernimmt das Herz. Der Schweigsame wird menschlich – da wird aus dem Mann ohne Namen ein Mann mit Vergangenheit „Sie erinnern mich an jemanden, den ich mal kannte.“ – die Frauen in diesem Film sind entweder Heilige oder Huren, eine im mediterranen Raum verbreitete Gegenüberstellung. Joes Ritterlichkeit gegenüber der holden Maid wird schon früh durch eine Ritterrüstung angekündigt, die im Raum steht, und in der Bleiweste vollzogen, die Joe sich zum Showdown überzieht.

Dieser Joe ist der größte der Archetypen. Stoisch. Cool. Während die italienischen und deutschen Schauspieler um ihn herum krakeelen, fuchteln, knurrren und auf große Oper machen, bleibt er stets einsilbig, unbewegt. Clint Eastwood sieht schon unverschämt gut aus. Eastwood, der durch eine langlebige Westernserie im Fernsehen zu Bekanntheit gelangt war, war kaum am Set, da stritt er mit Leone über das Drehbuch und die Anlage seiner Figur – er wollte seine Rolle wortkarger haben. Der Held sollte vor allem durch seine lakonische Art geheimnisvoll wirken, sozusagen als Kontrapunkt für den makabren Humor der Story. Es gelang ihm, Leone von seiner Idee zu überzeugen und seine Rolle weniger dialoglastig anzulegen. Im Gegensatz zum flamboyanten Spiel seiner italienischen Kollegen stand Eastwoods zurückgenommene Darstellung des wortkargen Fremden. Dazu äußerte er später einmal: „Italienische Schauspieler tendieren samt und sonders zum Bombast. Ich schätze, sie dachten alle, dass ich überhaupt nicht schauspiele. Alle, außer Leone, der genau wusste, was ich vorhatte.“

Entspannt höflich und immer einen Schritt voraus ohne damit anzugeben. Er ist der Schmerzensmann, der sich, um die schöne Marisol zu retten, deren Name nicht zufällig klingt wie der der Mutter Gottes und deren Sohn dann auch noch Jesús heißt, für die Erlösung Marias foltern lässt. Er entkommt seinen Peinigern schließlich durch die Gosse … dahin, wo die präpotenten Schurken niemals einen Mann vermuten würden, der sie zum Narren gehalten hat – einen John Wayne oder James Stewart kann man sich nur schwer in der Gosse liegend vorstellen. Dieser Man without Name stellt sich klar zwischen zwei alteingesessenen Parteien. Das zitiert Motive aus Howard Hawks' Rio Bravo ebenso wie John Fords Der Teufelshauptmann; aber es zitiert keine Realität mehr. Leones Kino ist ein Kino des zitierten Kinos.

Bei Sergio Leone steht nicht mehr die Suche des Weißen Mannes nach Land im Mittelpunkt. Leone modelliert sich Figuren aus dem verfilmten Kampf ums Überleben, dem How The West Was Won – er verlässt die Bühne des Historischen und zitiert literarische und filmische Vorlagen, befeuert über Ikonographien gewesener Kinoerfolge das Genre mit neuem Geist. Die Welt des Westens war schmutzig, schmutziger als sie selbst bei Howard Hawks und dessen Trinkerportraits aussieht. Leone und Morricone geben jener Zeit den Schmutz der Straße in brutaler Schönheit zurück. Er reduziert den ohnehin schon reduzierten Western von John Ford oder Howard Hawks auf das Wesentliche: ein Mann, ein Schuss.

„Für eine Handvoll Dollar“ orientiert sich an Akira Kurosawas 1961 inszeniertem Samuraifilm „Yojimbo – Der Leibwächter“. In Kurosawas Film wiederum tauchen Elemente des Western Mein großer Freund Shane (1953) von George Stevens auf.
 

Wertung: 7 von 7 D-Mark
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