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Kinoplakat: Ein wahres Verbrechen

Hier passt nichts zusammen, vor allem
nicht Eastwood und die jungen Frauen

Titel Ein wahres Verbrechen
(True Crime)
Drehbuch Larry Gross + Paul Brickman + Stephen Schiff
nach dem gleichnamigen Roman von Andrew Klavan
Regie Clint Eastwood, USA 1999
Darsteller

Clint Eastwood, Isaiah Washington, LisaGay Hamilton, James Woods, Leary, Bernard Hill, Diane Venora, Michael McKean, Michael Jeter, Mary McCormack, Hattie Winston, Penny Bae Bridges, Francesca Eastwood, John Finn, Laila Robins u.a.

Genre Crime, Drama
Filmlänge 127 Minuten
Deutschlandstart
28. April 1999
Website truecrimethemovie.com
Inhalt

Zeitungsreporter Steve "Ev" Everett hat jede Menge Probleme. Seit knapp zwei Monaten erst ist er trocken. Seine Frau ist kurz davor, den unverbesserlichen Frauenanbaggerer rauszuschmeißen und dank seines chaotischen Lebenswandels hat ihn die New York Times gefeuert. Seither sitzt er an der Westküste und arbeitet für die Oakland Tribune. Und den Job hat er auch nur, weil sein Freund Alan mit dem Herausgeber gut bekannt ist.

Ein junge Kollegin in der Redaktion ist gestorben, hat sich alkoholisiert tot gefahren. Ev hatte den Abend mit ihr in der Bar verbracht, versucht sie rumzukriegen. Nun soll er ihre Story übernehmen: die bevorstehende Hinrichtung des Mörders Frank Beachum. Everett übernimmt ihre Recherche, über die sie noch gesagt hatte, dass da was faul gewesen sei, sie glaube nicht, dass Beachum der Mörder ist. Trotz seiner privaten Schwächen ist Everett ein exzellenter Reporter. Seine Hintergrundrecherche zum Fall Beachum bringt Ungereimtheiten an den Tag. Und als er Beachum im Gefängnis besucht, bekommt er Informationen, die seine Instinkte bestätigen: Beachum muss unschuldig sein.

Everett startet seine Suche nach Indizien, die die Exekution des Verurteilten stoppen könnten. Während die Uhr gegen den Todeskandidaten tickt, kämpft Everett einen Kampf gegen sich und sein Umfeld – er weiß er hat weniger als acht Stunden, um das Leben eines augenscheinlich unschuldig zum Tode Verurteilten zu retten …

Was zu sagen wäre

Der Fehler in dieser Story spränge einem auch ohne Dialog ins Auge, aber Chefredakteur Alan Mann motzt ihn dem abgehalfterten Reporter auch nochmal direkt ins Gesicht. Da wurde also umfangreich ermittelt. Es wurden Zeugen einvernommen. Es gab eine Gerichtsverhandlung. Eine Berufung. Eine Anwältin hat sich bis um Schluss für den Todeskandidaten eingesetzt. Und alle kamen zu demselben Ergebnis: Der Angeklagte ist schuldig. Aber der Reporter findet binnen einer halben Stunde die Schwachstelle im Fall und sein Gefühl sagt ihm, dass der Typ unschuldig ist. Die Hürde ist zu hoch für einen Film, mit dem es Eastwood doch eigentlich gut meint.

Der Titel "A true Crime" bezieht sich auf das juristische System der USA, auf die Todesstrafe, die der politisch konservative Eastwood hier als Regisseur anprangert; dieses System ist in seinen Augen das Wahre Verbrechen. Eine Weiße wird erschossen. Zwei weiße Zeugen sagen übereinstimmend aus, es war Beachum. Und weil Beachum ein Afroamerikaner ist, wird nicht weiter nachgehorcht, sondern Beachum mittels Indizien und löchrigen Zeugenaussagen zum Tode verurteilt. Es geht Eastwood nicht um Weiß gegen Schwarz: Der wahre Täter war dann auch ein Afroamerikaner. Aber eben ein anderer. Deshalb zeichnet Eastwood auch die Vollzugsbeamten im Todestrakt nicht als feiste Stiernacken an; alle sind aufmerksame, mitfühlende Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, die sich um den Delinquenten kümmern. Eastwoods hehrer Hintergedanke, ein ungerechtes System, nicht seine Ausführer anzuprangern, geht dennoch unter. Schon durch die Einleitung.

Clint Eastwood auf dem Regiestuhl (s.u.) heißt: Ich bekomme keine Mätzchen, keine überflüssigen Schnörkel. Ich bekomme unaufgeregte Inszenierung. Hier heißt das: Ein knapp 70-Jähriger Altstar baggert Frauen zwischen 20 und 30 Jahren an und die fühlen sich auch noch geschmeichelt. Dieser Steve Everett ist ein wahrlich unangenehmer Zeitgenosse. Er betrügt andauernd seine Frau, seine Tochter ist zwar ganz süß, interessierst ihn aber eigentlich nicht. Seine Qualitäten als Reporter werden ein paar mal erwähnt, trotz eines höllischen Patzers im vergangenen Jahr, und zudem erst spät offenbart. Und er benimmt sich Jedermann gegenüber wie ein Arsch. Aber die Frauen lieben ihn. Das hat in den 70er Jahren noch – mit einem Augenrollen im Kinosessel – funktioniert. Heute ist das peinlich.

Dass Eastwood kein Ostküstenfreund ist, hat er oft genug deutlich gemacht – zum ersten Mal 1968 in Coogan's Bluff. Diesmal ist der Herausgeber der New York Times sein Ostküsten-Snob, mit dessen minderjähriger Tochter er in einer nächtlichen Lagerhalle erwischt wurde, deshalb in der Stadt, die niemals schläft und als Königreich des Lasters gilt, zur Persona non grata erklärt und deshalb gefeuert wurde.

Eastwood scheint schon während des Drehs seines Films gemerkt zu haben, dass aus all den Versatzstücken – Trinker, Frauenbetrüger mit Herz, alter Mann und junge Frauen, Todesstrafe, Rassismus – kein runder Film wird. Er flüchtet sich in Parallelmontagen von Hinrichtungs-Uhr und Autojagd-zur-Lösung-in-letzter-Sekunde. Ein verlorener Fall, der sich mit einem Kai-aus-der-Kiste-Kniff klärt, während der Held schon dabei ist, seinen Frust in der nächsten Bar zu ersaufen.

Was in Erinnerung bleibt, jedenfalls solange, bis ich meinen Frust über diesen Eastwood-Film in der nächsten Kneipe ertränkt habe, sind wunderbare Szenen zweier Großschauspieler: James Woods ("Ein neuer Tag im Paradies" – 1998; John Carpenters Vampire – 1998; Contact – 1997; Das Attentat – 1996; Nixon – Der Untergang eines Präsidenten – 1995; Casino – 1995; "Getaway" – 1994; Auf die harte Tour – 1991; Salvador – 1986; KatzenAuge – 1985; Es war einmal in Amerika – 1984) als Chefredakteur im dauernden Streit mit Clint Eastwood, seinem abgehalfterten Freund und Mitarbeiter. Aus diesen Dialogen schlagen die beiden einige Funken, die Spaß machen.

Der Rest ist egal und weg.

Wertung: 4 von 11 D-Mark
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