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Plakatmotiv: Antz (1998)

Woody Allen ist auch
als Ameise der Größte

Titel Antz
(Antz)
Drehbuch Todd Alcott & Chris Weitz & Paul Weitz
Regie Eric Darnell + Lawrence Guterman + Tim Johnson, USA 1998
Stimmen

Woody Allen, Wolfgang Draeger, Sylvester Stallone, Thomas Danneberg, Sharon Stone, Martina Treger, Anne Bancroft, Inken Sommer, Gene Hackman, Klaus Sonnenschein, Christopher Walken, Lutz Riedel, Danny Glover, Jürgen Kluckert, Dan Aykroyd, Norbert Gescher, Jane Curtin, Evelyn Gressmann, Jennifer Lopez, Carola Ewert u.a.

Genre Trickfilm
Filmlänge 83 Minuten
Deutschlandstart
5. November 1998
Inhalt

In den Tiefen des Ameisenhügels braut sich etwas zusammen: Arbeits-Ameise Z-4195 kann gar nicht glauben, dass er nur ein kleines unbedeutendes Rädchen im Getriebe ist. Z fühlt sich zu Höherem berufen. Um der hübschen Prinzessin Bala zu imponieren, tauscht Z den Platz mit seinem Kumpel Weaver, einem bärenstarken Soldaten. Und damit tappt er prompt mitten hinein in die Pläne des Ameisen-Generals Mandible.

Mandible lässt das riesige Ameisenheer in den Krieg gegen die Termiten im nahen hohlen Baum ziehen. Mandible hatte das Suizidunternehmen von langer Hand vorbereitet, um die königinnentreuen Truppen zu schwächen. Als einziger kehrt Z aus der grausamen Schlacht zurück.

Als Kriegsheld gefeiert glaubt er, nun leichteres Spiel bei der Prinzessin zu haben. Die aber ist seit langem dem manischen General versprochen, von dessen teuflischen Plänen niemand etwas ahnt.

Nur Z kommt bald dahinter, als er – eher aus Versehen – die Prinzessin entführt und das sagenhafte "Insektopia" findet …

Was zu sagen wäre

Als der Arbeiterführer Mao Zedong in den 40er und 50er Jahren die Macht in China an sich riss, da nannte man sein Millionen zählendes Heer von Gefolgsleuten wegen derer blauen Jacken Maos "blaue Ameisen". Daran müssen Todd Alcott, Chris Weitz und Paul Weitz gedacht haben, als sie sich mit einem Abenteuer für den ersten Trickfilm für "Dreamworks SKG" befassten, nachdem die Pixar Studios mit Toy Story (1995) die Messlatte für Trickfilme um ein paar Stellen nach oben gesetzt hatten. Klassischer Zeichentrick ist nicht mehr so gefragt. Aktuell muss alles CGI sein – computer generated image. Plakatmotiv: Antz (1998) Mit der vergleichsweise neuen Technik geht für den Trickfilm eine neue Bildfülle einher; musste im Zeichentrick noch jedes Element von Hand gezeichnet werden, erlaubt der Computer nun veritable Massenszenen. Und Massenszenen liefert "Antz" zur Genüge.

Wir befinden uns in einer Welt der Konformität. Millionen von gleichgeschalteten Individuen arbeiten für das eine große Ziel: „Es geht nicht um Dich, Z! Es geht um das!“, sagt Arbeiter-Ameise Azteca und breitet die Arme aus, um das Ganze zu erfassen. „Um ein großes Loch unter der Erde?“, zweifelt Arbeiter-Ameise Z das Große Ganze an.

Schon klar: Auch am Ende des 20. Jahrhunderts erkennt die US-Filmindustrie eine der größten Horrorvisionen in kommunistischen Einheitssystemen, in denen nicht alle gleich sind, weil sich einige eben als gleicher betrachten. Im Fall des Ameisenstaates unter der Erde ist das, irgendwie wenig überraschend, die Generalität, die die Schwachen ausradieren und mit den Starken einen neuen Staat unter ihrer Führung gründen will. An dieser Stelle hat der Film mit einem Dilemma zu kämpfen: Ein Ameisenstaat funktioniert im Prinzip nur, wenn er wie ein autoritärer Ameisenstaat funktioniert (weil Ameisen mit Begriffen wie Autorität oder Individualismus gar nichts anfangen können). Tut er das nicht mehr, ist der Staat dem Zerfall anheim gestellt.

Also stellen die für den Film relevanten Figuren – Arbeiter Z, Soldat Weaver, Prinzessin Bala – zwar irgendwann fest, dass es im Leben mehr gibt, als das formatierte Leben als Arbeiter, als Soldat, als Prinzessin – „Was weißt Du über Arbeit. Was glaubst Du, was es bedeutet, alle zehn Sekunden ein Kind zu bekommen. Für den Rest Deines Lebens?“. Aber am Ende sind dann doch alle sehr zufrieden mit ihrem Status Quo. Z, die unangepasste Ameise, die darunter leidet, als mittleres Kind von fünf Millionen von der Mutter nicht genug Aufmerksamkeit erhalten zu haben, nur das Zehnfache ihres Körpergewichts tragen zu können und im Dreck zu arbeiten nie als ihre Vorstellung einer lohnenden Karriere empfunden hat – „Ich fühle mich völlig unbedeutend!“ „Wunderbar, Z. Du macht große Fortschritte.“ „Ach, wirklich!?“ „Ja, Du bist völlig unbedeutend!“ – ist neben Kumpel Weaver die einzige, die ihr Schicksal tatsächlich beeinflussen kann. Weaver, der Soldat, lebt fortan mit einer Arbeiterin zusammen. Z, die Arbeiter-Ameise bekommt die Prinzessin. Aber damit der Alltag weiter funktioniert, bleiben alle anderen Ameisen, was sie immer waren – Arbeiter, Soldat, Hofstaat –, nur nicht mehr unter der Erde, sondern im Sonnenschein rund um einen Müllhaufen mit leeren Öl-Dosen, angefressenen Fritten und wurmstichigen Apfelresten, was hier als Insektopia durchgeht. Eine Ameisenkolonie bleibt eine Ameisenkolonie bleibt immer ein organisiertes Herrschaftssystem. „Hilf uns, eine größere, bessere Kolonie zu bauen. Und versuch, Dich darüber zu freuen!” „Klar. Wie könnte ich nicht glücklich darüber sein, als Werkzeug am Bau benutzt zu werden.“ Am Ende ist es dann eben doch der selbstlose Einsatz der Massen, der den Wenigen das Überleben sichert.

In Hollywood erfüllt sich der große Traum der Freiheit halt nur für die Wenigen. Irgendwer muss auch weiterhin im Heizungskeller den Kessel befeuern, im Palast den königlichen Nachwuchs betreuen und auf dem Feld für Nahrungsnachschub sorgen; für solche Ameisen besteht die Freiheit dann eben darin, nicht mehr unter der Erde schuften zu müssen, sondern über der Erde. Als größtes Zugeständnis an die Freiheit inszeniert der Film zwei Hornissen, in der realen Fauna Fressfeinde der Ameisen, als herzerweichende Fremdenführer für hilflose Arbeiter und Prinzessinnen, und auch das immerhin unter strahlend blauem Himmel.

Unter dem Deckmantel des Genres Trickfilm, das sich in erster Linie an Kinder wendet, ist das ein wenig verlogen, wenigstens einseitig betrachtet, auch wenn der Film wunderbar unterhält – was er aber eher über sein Design tut, das eher nicht die jüngste Zielgruppe anspricht. Nichts haben die Charaktere – Ameisen, Termiten, Hornissen, Pillendreher – vom knuddelig runden Charme Disney'scher Filmfiguren. Plakatmotiv: Antz (1998) Die Ameisen in "Antz" sind Figuren mit scharfen Gesichtszügen, die Hornissen mit dem breiten britischen Akzent, die in der Ameisenprinzessin „eine Europäerin“ zu erkennen glauben, blicken aus blasierten Augen in kantigen Gesichtszügen, über Schlachtfeldern, auf denen zerstückelte Leichen liegen, wabert der graue Nebel des Todes.

Den größten Abstand zu Pixar und Disney stellt der Trickfilm im us-amerikanischen Original über die kluge Besetzung der Synchronstimmen her, die der deutsche Verleih UIP freundlicherweise mit den entsprechenden Synchronschauspielern eingesprochen hat. Z, die zweifelnde Arbeiterameise, wird von Woody Allen gesprochen (s.u.) und also sind dessen Probleme in der Gesellschaft der Gleichgeschalteten ausgelöst durch Kindheitstraumata. Sylvester Stallone spricht den freundlichen Muskelberg Weaver (Cop Land – 1997; Daylight – 1996; Assassins – Die Killer – 1995; Judge Dredd – 1995; Demolition Man – 1993; Cliffhanger – 1993; Stop! Oder meine Mami schießt! – 1992; Tango und Cash – 1989; Over the Top – 1987; Die City-Cobra – 1986; Rambo – 1982; Nachtfalken – 1981; Vorhof zum Paradies – 1978; Rocky – 1976; Bananas – 1971) – der freundliche Ameisensoldat wird einer höchst unsanften Befragung unterzogen und da erinnert sein zerbeultes Gesicht tatsächlich sehr an Rocky nach 15 verprügelten Runden im Ring. Sharon Stone (Sphere – 1998; Last Dance – 1996; Diabolisch – 1996; Casino – 1995; Basic Instinct – 1992; Total Recall – Die totale Erinnerung – 1990) gibt als Prinzessin Bala eine formidable Vorstellung; nachdem sie immer an ihrem Erotik-Konstrukt Catherine Trammell in Basic Instinkt gemessen wird, kann sie hier sehr eindrucksvoll ihre Stimme wirken lassen. Für den intriganten General Mandible wirft Gene Hackman seine ganze Persona in die Waagschale und er tut das, als stünde er selbst vor der Kamera statt nur vor dem Mikrofon (Der Staatsfeind Nr. 1 – 1998; Im Zwielicht – 1998; Absolute Power – 1997; Die Kammer – 1996; The Birdcage – 1996; Crimson Tide – 1995; Die Firma – 1993; Erbarmungslos – 1992; Das Gesetz der Macht – 1991; Narrow Margin – 12 Stunden Angst – 1990; Eine andere Frau – 1988; Mississippi Burning – Die Wurzel des Hasses – 1988; No Way Out – 1987; Superman IV – Die Welt am Abgrund – 1987; Die verwegenen Sieben – 1983; Unter Feuer – 1983; Superman – 1978; Die Brücke von Arnheim – 1977; French Connection II – 1975; Frankenstein Junior – 1974; "Der Dialog" – 1974; Die Höllenfahrt der Poseidon – 1972; French Connection – Brennpunkt Brooklyn – 1971; Leise weht der Wind des Todes – 1971; Bonnie und Clyde – 1967).

Mit dem voll im Computer entstandenen Abenteuercomic "Antz" wollen Steven Spielberg und seine Kollegen Jeffrey Katzenberg und David Geffen beweisen, dass Toy Story (1995) keine Eintagsfliege (sic), kein Monolith für Pixar und Disney ist. CGI können auch andere Player in Tinseltown. In direkter Konkurrenz zu "Antz" startet Disney sein neues Projekt Das große Krabbeln, ebenfalls die Geschichte einer Ameise, die ausziehen muss, um ihren Hügel zu retten.

Wertung: 9 von 11 D-Mark
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