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Plakatmotiv: Bonnie und Clyde (2019)

Bankräuber als Sympathieträger.
Ein Film der Kunst gerecht.

Titel Bonnie und Clyde
(Bonnie and Clyde)
Drehbuch David Newman & Robert Benton
Regie Arthur Penn, USA 1967
Darsteller

Warren Beatty, Faye Dunaway, Michael J. Pollard, Gene Hackman, Estelle Parsons, Denver Pyle, Dub Taylor, Evans Evans, Gene Wilder u.a.

Genre Biografie, Crime
Filmlänge 111 Minuten
Deutschlandstart
19. Dezember 1967
Inhalt

Es ist die Zeit der Großen Depression. Anfang der 1939er lernen sich der junge Tunichtgut Clyde Barrows und die wohlbehütete Bonnie Parker kennen, als Clyde versucht, den Wagen von Bonnies Mutter zu stehlen. Bonnie fühlt sich direkt von dem gutaussehenden Clyde angezogen und folgt dem Kleinkriminellen auf seinem Weg aus der Stadt, verspricht sie sich doch eine Flucht aus ihrem langweiligen Leben.
Schon bald machen die Beiden als Bankräuber über die texanischen Staatsgrenzen hinweg von sich reden, da sie von der breiten Bevölkerung als moderne Robin Hoods angesehen werden. Unterstützung erhalten Bonnie und Clyde durch Clydes Bruder Buck und dessen Frau Blanche sowie dem leicht begriffsstutzigen C.W. Moss.

Spätestens nachdem Clyde auf der Flucht einen Bankdirektor erschießt, ist ihnen die Polizei unter Führung des Texas Rangers Frank Hamer dicht auf den Fersen. Als Buck bei einer Verfolgungsjagd getötet und Estelle verletzt wird, gelingt Bonnie, Clyde und C.W. noch die Flucht. Sie kommen bei C.W.’s Vater Ivan Moss unter, doch der verrät Bonnie und Clyde, nicht zuletzt, weil er sie dafür verantwortlich macht, C.W. zur Sünde verführt zu haben 

Was zu sagen wäre

Auf ihrer Flucht vor der Polizei treffen die verwundeten Bankräuber Bonnie Parker und Clyde Barrow auf eine Gruppe heimatloser Siedler, Menschen, die ihr Heim während der Dürre an die Banken verloren  haben und nun unterwegs in den Westen sind, wo sie sich Lohn und Brot erhoffen. Die Entwurzelten helfen den beiden, teilen mit ihnen was sie können und lassen sie dann wieder ziehen. Worte werden nicht gewechselt. Dass Bonnie und Clyde mehrere Menschen bei ihren Raubüberfällen erschossen haben, interessiert hier niemanden. In diesem von der Wirtschaftskrise getroffenen Land will jeder nur irgendwie durchkommen; und wenn er über Leichen muss.

Arthur Penn hat einen ungewöhnlichen Film gedreht. Einen Film über zwei der berühmtesten Gangster der US-Geschichte, Bankräuber und mehrfache Mörder, ohne aber eine Art James-Cagney-Killer aufzubieten, der wild mit der Maschinenpistole um sich schießt. Penns Gangster sind so heimatlos, wie die entwurzelten Siedler, die sie auf ihrer Flucht treffen. In einem Land, in dem gefühlt nur noch Bankiers, Eisenbahnmogule, Rinderbarone und deren jeweilige Angestellten genug zum Leben haben, in dem also ein großer Teil der Einwohner obdachlos Hunger leidet, sind Bonny, Clyde, dessen Bruder Buck mit Ehefrau Blanche und der Gelegenheitsarbeiter C.W. Moss einfach fünf weitere Figuren, die von ihrem Stück Kuchen träumen. Plakatmotiv: Bonnie und Clyde (2019) Clyde verspricht Bonnie unentwegt, sie groß herauszubringen, dass sie was Besseres verdient habe, dass ihr reiche Männer zu Füßen liegen müssten und Bonnie will gar nicht die anonymen reichen Männer, aber gerne Fünf Sterne leben. So wie Jeder. Im Moment scheinen Bonnie und Clyde durchaus den Kick des Augenblicks, den Thrill, zu schätzen, den so ein Bankraub bietet.

Erst Bonnies Mutter macht ihnen spät im Film klar, dass „Ihr für den Rest Eures Lebens auf der Flucht sein werdet“, wo die beiden ihre Bankräuberei trotz diverser Toter immer noch als einen Job ansehen, den sie demnächst an den Nagel hängen, um was Ordentliches zu machen. In diesen Biografien wird aber nichts durchdekliniert. Clyde taucht auf, gerade aus dem Gefängnis wegen guter Führung entlassen. Bonnie taucht auf, gelangweilt von ihrem Kellnerinnen-Dasein. Buck und Blanche tauchen auf und auch, warum C.W. sich der Bande anschließt, wird nicht groß erklärt. Er tut es einfach. Die Zeiten sind scheiße, der Hunger groß und das Gefühl, nicht gerecht behandelt zu werden, auch. Hier wird das Medium Film seinem Kunstanspruch gerecht: Kunst soll aufrütteln, wach machen, Aufmerksamkeit vermitteln. Arthur Penn bietet dem mordenden Gangsterpaar Spielfläche, um sich dem Zuschauer verständlich zu machen.

Ihnen gegenüber steht die Staatsgewalt. Die bleibt bis auf eine Ausnahme gesichtslos. Es gibt keine moralisch philosophierenden Cops, keine rachsüchtigen Geiferer, so wie es auch nur ganz wenige der historisch verbürgten Überfälle im Film gibt. Arthur Penn geht es nicht um den kriminellen Akt. Von den meisten Banküberfällen erfahren wir im Film aus der Zeitung und auch, dass den Gangstern Banküberfälle in die Schuhe geschoben werden, die sie (einfach) nachweisbar gar nicht begangen haben. Für das schwer zu ertragende, sehr blutige Finale brauchte es aber doch eine besonders motivierte Figur. Dafür wird ein Texas Ranger ins Drehbuch geschrieben, der eine frühere Begegnung mit den Gangstern hatte und seitdem versucht, seinen guten Ruf wieder herzustellen. Dieser Francis Augustus Hamer war tatsächlich der, der das Gangsterpaar zur Strecke gebracht hat. Wie weit jedoch die als Motivation übereinstimmt, ist offen. Spielfilm ist kein Dokumentarfilm.

Es ist eine auffällig leere Gesellschaft, der wir in diesem Film begegnen. Die Städte sind leer. Die Menschen sind leer – werden sie Opfer eines Bankraubs, ergeben sie sich still ihrem Schicksal. Eine Hoffnung im Mittleren Westen auf irgendwas nicht vorhanden. Als wären wir wieder im Wilden Westen, in dem das Recht des Stärkeren gilt. Amerika, der Amerikanische Traum, die Vom Tellerwäscher zum Millionär-Geschichte war selten so weit weg, wie in diesen Kinobildern. Die beiden Drehbuchautoren, David Newman und Robert Benton, wollten ihr Buch ursprünglich auch lieber von einem Nicht-Amerikaner verfilmen lassen. Sie wandten sich an François Truffaut, aber der war in den gedanklichen Vorbereitungen zu Fahrenheit 451 und gab das Buch an Jean-Luc Godard weiter, aber dessen Ideen zur Umsetzungen erschienen den beiden Autoren dann doch nicht finanzierbar. Schlussendlich betraute Produzent Warren Beatty seinen Freund Arthur Penn mit der Regie. Beide ließen das Script zigmal umschreiben, bis es in ihren Augen allen Beteiligten – Finanziers, Schauspielern, zahlenden Zuschauern – zusagen könnte. Beispiel: Der historische Clyde Barrow war bisexuell. In der Historie bildeten er, Bonnie und C.W. ein Beziehungsdreieck. Der prüde Hays Code, der Kinofilme auf eine strenge Schwarz-Weiß-Moral aus den 30er Jahren begrenzen will, ist zwar Geschichte, aber Bisexualität vielleicht doch zu viel für den durchschnittlichen Kinogänger. Also ist Clyde Barrow im Film nun sexuell irgendwie lustlos. Es klingt Impotenz an.

Am Ende haben diesen Film dann Amerikaner produziert und inszeniert. Aber sie haben sich an den großen Werken der Nouvelle Vague orientiert, zu deren wichtigsten Vertretern sowohl François Truffaut als auch Jean-Luc Godard gehören. Wie ein klassischer, us-amerikanischer Gangsterfilm sieht "Bonnie und Clyde" denn auch nicht aus. Eher wie ein Außer Atem oder ein Schießen Sie auf den Pianisten auf amerikanisch. Was insofern nicht einer gewissen Ironie entbehrt, als dass diese – französischen – Filme einst entstanden, weil französische Filmemacher Anfang der 60er neue Wege abseits der Salonkomödien und Studiofilme französischer Provenienz probierten und sich dabei am us-amerikanischen Film Noir der 30er und 40er Jahre orientierten. Wenige Jahre später orientieren sich nun junge Filmemacher in den USA, die neue Wege abseits des Studiosystems gehen wollen, an der französischen Nouvelle Vague. Der kreative Impetus befruchtet sich ein ums andere Mal.

Bonnie und Clyde war eine Herzensangelegenheit von Hauptdarsteller Warren Beatty. Und sein Einsatz hat sich gelohnt: Nicht nur machten ihn die Gewinnbeteiligungen von 40 Prozent zu einem reichen Mann, der Film gewann in den Kategorien Nebendarstellerin (Estelle Parsons) und Kamera (Burnett Guffey) zwei Oscars nach insgesamt zehn Nominierungen.

Wertung: 7 von 8 D-Mark
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