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Kinoplakat: Cassandras Traum
Woody Allen ohne Lust
auf Spaß – Eine Moritat
Titel Cassandras Traum
(Cassandra's Dream)
Drehbuch Woody Allen
Regie Woody Allen, USA 2007
Darsteller Ewan McGregor, Colin Farrell, Hayley Atwell, Sally Hawkins, Tom Wilkinson, John Benfield, Clare Higgins, Philip Davis, Andrew Howard, Ashley Madekwe, Peter-Hugo Daly, Keith Smee, Stephen Noonan, Dan Carter, Richard Lintern u.a.
Genre Drama
Filmlänge 108 Minuten
Deutschlandstart
5. Juni 2008
Website woodyallen.com
Inhalt

Der Süden Londons; Arbeiterklasse. Die Brüder Ian und Terry leben von der Hand in den Mund, kargen Jobs, Pferdewetten und Pokerabenden. Gerade haben sie sich einen Traum erfüllt: Sie haben sich ein kleines Segelboot gekauft, die Cassandra's Dream. Die Brüder kämpfen dauernd mit finanziellen Problemen, insbesondere Terry hat hohe Spielschulden. Beim Besuch ihres reichen Onkels Howard bitten sie ihn um Hilfe, woraufhin der sie mit der Beseitigung von Martin Burns, eines Geschäftspartners, der Onkel Howards ungesetzliche Geschäftspraktiken offenlegen will, beauftragt.

Die Brüder sind zunächst schockiert, willigen jedoch, vor allem durch Ians Initiative, ein, da sie keine andere Wahl sehen. Terry muss seine Schulden, 90.000 Pfund, begleichen, während Ian Startkapital für den Schritt in die Selbständigkeit benötigt und seine Freundin, die Schauspielerin Angela, beeindrucken will. Der Mord wird ausgeführt, alles geht glatt.

Kinoplakat: Cassandras TraumNur Terry geht nicht glatt. Er wird mit der Tatsache, einen Menschen ermordet zu haben, nicht fertig. Ihn plagen Gewissensbisse, er trinkt, ist depressiv und will sich stellen. Das können weder Ian noch Onkel Howard zulassen …

Was zu sagen wäre

Woody Allen ohne Humor, dafür mit Mordgedanken. Fast habe ich den Eindruck, er schämt sich ein bisschen, dass sein Emporkömmling Chris Wilton aus dem zwei Jahre zurückliegenden Match Point als Mörder von Scarlett Johannsson unbeschadet davon gekommen ist, weshalb er die Geschichte eines Mordes, der ausgeführt wird, um in der britischen Klassengesellschaft aufzusteigen, noch einmal erzählt.

Das Drehen auf der britischen Insel scheint Woody Allens dunkle Seite zu beflügeln. Nach dem Meisterstück Match Point gab es in Scoop den Ausflug in die Unterwelt und Mordgeschichten in den höheren Kreisen. „Cassandra's Dream” beginnt Allen als Milieustudie der britischen Arbeiterklasse in Mike-Leigh-Tradition und steigert sich dann zu einem Drama mit Hitchcock'schen Dimensionen. Kalt beobachtet er seine Schachfiguren, die nach dem Wenn-Du-etwas-wirklich-willst-Prinzip logisch konsequent vorgehen. Aber Allen wildert im Terrain britischen Milieukinos, ohne der Milieuschilderung wirklich neue Erkenntnisse hinzuzugewinnen – da schneidet er lieber mal zu einer kleinen Schauspielertruppe, die seine geliebten Debatten über klassische Kunst und aktuelle Politik führt. Hat Allen eigentlich echtes Interesse an den Milieus, die er schildert? Oder sucht er für seine Draman nur einen jeweils passenden Bilderrahmen? Allen hat schon häufiger Mordgeschichten („Manhattan Murder Mystery” – 1989) erzählt; er hat schon häufiger sein – uns – vertrautes Terrain verlassen und schwerblütiges Imgmar-Bergmann-Kino (Eine andere Frau – 1988; September – 1989) kopiert.

Allen hat seinen Stil über die Jahre entwickelt: Alles sieht aus, wie mit leichter Hand dahin inszeniert, er überspringt Wochen, und macht das in einem Nebensatz deutlich, aber eigentlich interessiert er sich auch nicht für den Zwang des geradlinigen Erzählens. Er will sein Drama vorantreiben; und so eine Mordgeschichte passt eben nicht in ein Wochenende. Vor allem, wenn dann auch noch eine komplexe Lovestory eingebaut wird. Allens Muse in diesem Film ist Haylee Atwell („Die Säulen der Erde”, Captain America) – Ende 20, entzückend und mit Ausstrahlung. Sehr gekonnt gibt sie die ambitionierte Schauspielerin, die für die Karriere einiges zu geben bereit ist und stolpert.

Die Underdog-Brüder, die mit einem Bein immer im Knast oder unter der Brechstange von Kredithaien stecken, sind verwirrend gegen den Strich besetzt – würde ich nur das Drehbuch kennen, hätte ich gesagt, Ewan McGregor (Der Ghostwriter – 2010; Star Wars – 1999; Trainspotting – 1996) spielt den emotional brüchigen Terry, Colin Farrell (Miami Vice – 2006; „Alexander” – 2004; „S.W.A.T. – Die Spezialeinheit – 2003; Daredevil – 2003) den kühl kalkulierenden Ian. Aber sie sind großartig.

Ein bemerkenswerter Woody-Allen-Film, der in Deutschland allerdings schnell wieder aus den Kinos verschwand.

Wertung: 5 von 7 €uro
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