IMDB

Plakatmotiv: Stardust Memories (1980)

Fiktion mischt sich mit Realität.
Woody Allen probt den Ausbruch.

Titel Stardust Memories
(Stardust Memories)
Drehbuch Woody Allen
Regie Woody Allen, USA 1980
Darsteller

Woody Allen, Charlotte Rampling, Jessica Harper, Marie-Christine Barrault, Tony Roberts, Daniel Stern, Amy Wright, Helen Hanft, John Rothman, Sharon Stone, Anne DeSalvo, Joan Neuman, Ken Chapin, Leonardo Cimino, Eli Mintz, Bob Maroff, Gabrielle Strasun, David Lipman, Robert Munk u.a.

Genre Drama, Komödie
Filmlänge 89 Minuten
Deutschlandstart
22. Januar 1981
Website woodyallen.com
Inhalt

Der für seine Komödien berühmte Filmemacher Sandy Bates will keine komischen Filme mehr drehen. Sein jüngstes Werk ist dermaßen schwermütig geraten, dass die Produzenten damit drohen, dieses umzuschneiden und das Ende nachzudrehen.

Sandy fährt frustriert in das Hotel "Stardust", wo man ihm eine Retrospektive widmet. Während er von seinen Fans belauert wird, vermischen sich für Sandy Vergangenheit, Gegenwart und Fiktion …

Was zu sagen wäre

Ein Clown reflektiert sein komisches Tun in Zeiten schmerzhafter Realitäten. Woody Allen war mal ein Komiker, ein Mann, der auf der Bühne vor Publikum Witze erzählte. Dann bekam er eine Filmkamera in die Hand und begann, seine Witze-Shows in sowas wie eine Filmhandlung zu packen. Daraus wurden lustige Filme mit vielen lustigen Sprüchen.

Und dann wurde er erwachsen.

Glaube ich jedenfalls, ich kenne Woody Allen ja nicht persönlich, liebe aber seine Filme. Für Annie Hall regnete es plötzlich vier Oscars, unter anderem den für den Besten Film, und in dem hatte Allen erstmals die Handlung über die Punchline gesetzt; insgesamt gesehen war auch dieser Film eine Comedy Show, aber eine, die einer Geschichte folgt, in diesem Fall einer Liebesgeschichte.

Danach drehte er, ausgestattet mit vier Oscars, dadurch hohen Kinokasseneinnahmen und folglich einem Carte-Blanche-Budget, Innenleben (1978). Das erschreckte sein Filmstudio. Denn Innenleben ist keine Komödie, hat nicht mal Witze. Innenleben ist reines Drama, angelehnt an Allens Vorbild Ingmar Bergmann.

"Stardust Memories" nun ist die direkte Folge auf die Reaktionen auf Interiors: Ein Regisseur, der berühmt ist für seine Komödien, hat unerwartet einen sehr ernsten, pessimistischen Film ohne Witze gedreht. Die Produzenten sind entsetzt, das Publikum verstört; sie mögen ihn doch alle so sehr, weil er so komisch ist. Also will das Filmstudio, dass das Ende seines Films neu gedreht, anders erzählt wird.

Bei Woody Allen darf man davon ausgehen, dass sein neuer Film nicht zufällig aussieht, wie ein Enkel von Federico Fellinis Achteinhalb (1963). Allen dreht in Schwarzweiß für kleine Breitleinwand (also fast TV-Seitenverhältnis), nicht in Super-Breitbildstandard 2.39:1 und schon gar nicht in Cinemascope). Plakatmotiv: Stardust Memories (1980) "Stardust Memories" ist, ähnlich wie Achteinhalb nicht chronologisch erzählt und springt zwischen realem Erleben und Einbildung der Hauptfigur, die in beiden Filmen ein Regisseur ist. Der größte Unterschied ist, dass Fellinis Filmregisseur damals am Filmset stand, ohne eine Idee für den Film zu haben, während Allens Regisseur einen fertigen Film hat, über den nun im Hintergrund eine Kontroverse über dessen Sinnhaftigkeit und kommerzielle Verwertung entbrennt.

Während der von Allen selbst gespielte Regisseur seine üblichen Probleme mit Frauen hat.

Da ist die sehr attraktive, erotische Granate Dorrie, mit der der Regisseur aber kaum fünf kluge Sätze wechseln kann. Die Britin Charlotte Rampling macht aus ihr ein ätherisches, zugewandtes, beinahe unwirklich wirkendes Wesen (Orca, der Killerwal – 1977; Fahr zur Hölle, Liebling – 1975; Der Nachtportier – 1974; Zardoz – 1974; Vanishing Point – 1971; Yeah Yeah Yeah – 1964). Und da ist die geschiedene Französin Isobel, Marie-Christine Barrault (Der Schrecken der Medusa – 1978) mit den beiden Kindern, mit der er reden, aber keinen aufwühlenden Sex haben kann. Der Regisseur im Film ist nicht der Regisseur hinter der Kamera, Sandy Bates nicht mit Woody Allen identisch, aber in seinem "Stardust Memories"-Drehbuch reduziert Allen Frauen auf entweder Dumm-f....-gut oder auf Sexuell uninteressante Geistesgröße. Auch das Publikum, das sich Sandy-Bates-Filme anschaut, führt Woody Allen wahlweise als wie Fliegen lästige Autogrammjäger, angeblich ehemalige Schulkameraden, die sich in seinem Erfolg sonnen wollen, oder als krampfhaft seine Filme intellektuell durchleuchtende Fachleute, in jedem Fall aber unsympathische Typen ein. Hier könnte ein Rätselraten beginnen: Wie sehr überschneiden sich Sandy Bates, der Regisseur im Film, mit Woody Allen, dem Drehbuchautor und Regisseur, der Sandy Bates erfunden hat. Anders gefragt: Wie schwer dröhnen die Ohrfeigen, die Woody Allen mit "Stardust Memories" in alle Richtungen austeilt.

Das lässt sich im Kinosessel nicht klären. Sagen lässt sich vielleicht: Allen möchte ein paar Wachmacher-Ohrfeigen an seine Zuschauer, Kritiker und Fans verteilen, damit die Film und Wirklichkeit wieder lernen, voneinander zu trennen. <Nachtrag1996>Allen selbst sagt 1994 in dem Buch "Woody Allen on Woody Allen: In Conversation with Stig Björkman", es gebe da keine Überschneidung. Wenn es diese Überschneidungen also nicht gibt, sind die Frauen- und die Fan-Figuren in seinem Film eher plumpe Klischees eines auf die trockene Punchline fixierten Mannes.</Nachtrag1996>

"Stardust Memories" ist weder visuell noch dramaturgisch ein Film, den man gesehen haben muss. Interessant ist er nur, weil er von genau diesem Filmautor genau jetzt gemacht worden ist.

Wertung: 4 von 9 D-Mark
IMDB