IMDB

Plakatmotiv: Fahr zur Hölle, Liebling (1975)

Robert Mitchum korrigiert das
Image des harten Privat Eye

Titel Fahr zur Hölle, Liebling
(Farewell, My Lovely)
Drehbuch David Zelag Goodman
nach dem gleichnamigen Roman von Raymond Chandler
Regie Dick Richards, USA 1975
Darsteller

Robert Mitchum, Charlotte Rampling, John Ireland, Sylvia Miles, Anthony Zerbe, Harry Dean Stanton, Jack O'Halloran, Joe Spinell, Sylvester Stallone, Kate Murtagh, John O'Leary, Walter McGinn, Burton Gilliam, Jim Thompson, Jimmy Archer u.a.

Genre Crime, Thriller
Filmlänge 95 Minuten
Deutschlandstart
30. Juli 1976
Inhalt

Los Angeles, 1941: Privatdetektiv Philip Marlowe wird von Gangster Moose Malloy, der gerade erst seine siebenjährige Haftstrafe abgesessen hat, beauftragt seine verschwundene Freundin Velma ausfindig zu machen. Parallel soll er für den zwielichtigen Gigolo Lindsay Marriott eine kostbare Kette wiederbeschaffen.

Als bei der Übergabe der Kette etwas schief geht und Marriott getötet wird, steht Marlowe als Mordverdächtiger plötzlich auf der Fahndungsliste der Polizei. Als wäre dies nicht genug, entpuppt sich der scheinbar harmlose Auftrag um Velma bald als lebensgefährliche Angelegenheit, denn all seine Kontaktpersonen werden nach und nach ins Jenseits befördert.

Als er schließlich hinter die Identität von Velma kommt, steht er schon selbst auf der Abschussliste …

Was zu sagen wäre

Als ich den Korridor sah, kriegte ich Zustände. Das war genau die Absteige, in der ich mich immer enden sah – allein und pleite.“ Philip Marlowe, der hard boiled Detektiv als sentimentaler Melancholiker? So einen Satz würde Humphrey Bogarts Marlowe niemals sagen. Und der ist der Goldstandard, wenn es um Verfilmungen der Romane von Raymond Chandler geht, dem Erfinder der Marlowe-Figur mit Trenchcoat und Hut. Robert Mitchum unter der Regie von Dick Richards – auch mit Trench und Hut –  trifft Marlowes Ton besser. Chandlers Romanfigur ist ein moralisch integrer Mann, der in einer Welt ohne Moral und Grundsätze lebt: „Für das Einfangen von Kindern nehme ich kein Trinkgeld. Für Tiere ja. Für Katzen und Hunde fünf Dollar, für Elefanten zehn.“ Seine Auslegung von Recht und Unrecht ist nicht immer deckungsgleich mit den Paragrafen des US-Gesetzbuches, aber das ist bei der LA-Police ja nicht anders. Geld ist Marlowe nur so lange wichtig, wie er sich davon Bourbon und Zigaretten kaufen kann. Meist ist er ziemlich knapp bei Kasse.

Das ist der Marlowe, den Robert Mitchum verkörpert (Yakuza – 1974; "Ryans Tochter" – 1970; Der Weg nach Westen – 1967; El Dorado – 1966; Der längste Tag – 1962; Ein Köder für die Bestie – 1962; Vor Hausfreunden wird gewarnt – 1960; Kilometerstein 375 – 1958; Duell im Atlantik – 1957; Die fünfte Kolonne – 1956; Die Nacht des Jägers – 1955; Fluss ohne Wiederkehr – 1954). Mit ungemein traurigen Augen recherchiert sein Marlowe durch abgerissene Häuser abgerissener Menschen: „Ich versuchte, den Nachtportier auszuquetschen. Aber das war genau so, als ob man versuchen würde, eine Büchse mit Ölsardinen zu öffnen, nachdem man die Metalasche abgebrochen hat.Plakatmotiv (US): Farewell, my Lovely(1975) Er streift durch eine Welt voller impotenter Verlierer, Alkoholiker und Glücksspieler. Los Angeles, die "Stadt der Engel", ist eine Stadt für Gangster, Nutten und Filmproduzenten, die junge Frauen vor der Kamera ausprobieren und dann an die Bordelle verfüttern.

Auf seinen langen Autofahrten sinniert Marlowe über Joe DiMaggio, den Baseballspieler, der kurz davor ist, einen Rekord zu brechen. „Aber der war ja auch erst 26 und spielte in der Sonne und hörte kleine Jungs lachen.“ Diese Welt, in der die Sonne scheint und kleine Jungs lachen, ist in Marlowes Welt, in der kleine Jungs nicht verstehen, warum ihr Dad nie mehr heimkommen wird, nur eine Zeitungsgeschichte, eine Heldengeschichte im Radio. Mit seinem Leben hat das nur die 5 Dollar zu tun, die er gegen den Zeitungsverkäufer Georgie auf DiMaggos Rekord wettet. Mehr nicht. Eine Traumwelt, in die der Unbestechliche in seinem neuen Fall gerät: „Das Haus war ein bescheidener Klinkerbau. Etwas kleiner als der Buckingham Palace und es hatte wahrscheinlich auch weniger Fenster als das Chrysler Building.“ Dort wohnt Richter Baxter Wilson Grayle mit seiner jungen Frau, die sich unverhohlen an den kräftig gebauten Privatdetektiv ranschmeißt.

Es gehört zur Grundausstattung dieser von Dashiell Hammett (Sam Spade) und Raymond Chandler erfundenen Privatdetektiv-Geschichten, dass sie die Unterwelt mit der Halbwelt und der Welt der Oberen Zehntausend in Beziehung setzen und dass sich im Finale herausstellt, dass die weißen Westen der hohen Herrschaften viel schmutziger sind, als die ungebügelten Hemden der kleinen Gangster. Dick Richards' Interpretation der Philip-Marlowe-Welt ist eine präzise Skizze des Milieus gescheiterter Existenzen, lakonisch von Marlowe aus dem Off kommentiert und großartig von Mitchum gespielt.

<Nachtrag1999>Dass die Lösung des Falls heute nicht mehr arg so überraschend ist, liegt an der Flut von Privatdetektivfilmen und -Büchern, die seit den 30er Jahren auf der Erfolgswelle der Marlowe-Bücher und -Filme geritten sind. Da werden die inhaltlichen Überraschungen dann halt etwas knapp. Inhaltlich mag der Film, in dem Sylvester Stallone (Rocky, Rambo) eine kleine Statistenrolle hat, als "nicht gut gealtert" gelten. Filmisch aber hat "Farewell my Lovely" nichts von seiner Faszination verloren, die Robert Mitchum als einen der besten, wenn nicht den besten Marlowe-Interpreten zeigt.</Nachtrag1999>

Wertung: 8 von 9 D-Mark
IMDB