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Plakatmotiv: September (1987)

In einer Welt aus Pastelltönen leben
hier Kopfmenschen ihre Probleme aus

Titel September
(September)
Drehbuch Woody Allen
Regie Woody Allen, USA 1987
Darsteller
Denholm Elliott, Mia Farrow, Elaine Stritch, Dianne Wiest, Sam Waterston, Jack Warden, Rosemary Murphy, Ira Wheeler, Jane Cecil u.a.
Genre Drama
Filmlänge 83 Minuten
Deutschlandstart
31. März 1988
Inhalt

Sechs Menschen verbringen gemeinsam ein Wochenende in einer Hütte in Vermont. Doch der Wochenend-Trip verheißt nicht nur Entspannung und Erholung, sondern offenbart die geheimen Wünsche und unterdrückten Sehnsüchte der Ausflügler.

Denn alle sind verliebt, dummerweise nicht immer in den eigenen Partner, sondern in eine der anderen anwesenden Personen: Schauspielerin Diane, die schon mehrmals heiratete, hat sich neu verliebt: Zuletzt in Lloyd.
Ihre Tochter Lane liebt Peter und steckt mitten in einer ungeklärten Beziehung mit dem Schriftsteller. Der wiederum interessiert sich viel eher für die beste Freundin seiner Partnerin – Stephanie. Die lebt jedoch nur für ihren Nachwuchs. Und der alternde Nachbar Howard hat Gefühle für Lane; davon ahnt die aber nichts …

Was zu sagen wäre

Die Welt in diesem Film, der ausschließlich innerhalb einer hübschen alten Villa mit Erkern und Holzboden spielt, ist in pastellfarbene Gelb-, Braun- und Grüntöne getaucht. Es gibt keine grellen Farbtupfer, nichts ragt optisch hervor, Santo Loquasto und Speed Hopkins – Production Designer und Art Director – halten die Welt mit ausschließlich Erdtönen im Hintergrund. Carlo Di Palma, seit Hannah und ihre Schwestern (1986) Woody Allens Kameramann, unterstreicht diese entspannende Farbwelt mit sanftem Lichtdesign und ruhig schwebender Kamera, während sechs Personen, von Jeffrey Kurland in ebenfalls pastellfarbene Kostüme, erdfarben, gekleidet, hochdramatische, bisweilen schrille Momente durchleben.

Unterlegt ist das Stück mit einem Soundtrack voll sanftem Jazz; hier macht Woody Allen, ob Farce, Komödie oder Drama, keine Kompromisse.

"September" ist ein Drama, ein klassischer Fünfakter. Sechs Personen, lose miteinander freundschaftlich oder familiär verbunden, verbringen zwei Tage in einem großen Haus. In verschiedenen Gesprächen legen sie ihre Unsicherheiten, Ängste und Träume offen, im Finale spitzt sich alles zu einem dramatischen Höhepunkt zu. Die Versuchsanordnung erinnert an Allens Sommernachts-Sexkomödie (1982), nur ohne die Kalauer und ohne, dass die jeweiligen Begierden ein Bäumchen-wechsel-Dich auslösen.

Die Menschen in diesem Film stehen alle an einem Scheideweg in ihrem Leben. Fast alle. Die alt gewordene Schauspielerin Diane hat nach mehreren Ehen gelernt, Enttäuschungen „wegzustecken und zu vergessen“. Sie ist für ein paar Tage zu Besuch im Haus ihrer Tochter. Plakatmotiv: September (1987) Mit lautem Organ und ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten anderer poltert sie durchs Haus. Elaine Stritch spielt sie beinahe unsympathisch, bis sie in Momenten, in denen sie allein mit sich und ihrem sie – egal was kommt – liebenden x-ten Ehemann Lloyd ist. In solchen Momenten schimmern die nicht verheilten Narben ihres langen Lebens durch.

Woody Allens Muse Mia Farrow spielt Lane, die Tochter dieses Rollkommandos namens Diane. Farrow spielt sie als das Gegenstück zu Hannah im vergangenen jähr; war die zupackend, sortiert und fokussiert, ist Lane eine verstörte Seele. Sie hat ein Trauma aus ihrer Kindheit zu verarbeiten, will mit der familiären Vergangenheit abschließen und in New York ein neues Leben anfangen, am liebsten mit dem Werbetexter Peter, der hier auf dem Land nach seiner Scheidung seinen ersten großen Roman schreiben will – „Das Thema ist Überleben!“ Ein schwieriges Unterfangen, weil Peter ein großer Zweifler ist, nie zufrieden, der seine Texte immer wieder verwirft. So geht er auch mit Lane um. Orientierungslos, unentschlossen bandelt er mit Lanes bester Freundin Stephanie an, die sich in einer langjährigen Ehe mit Kindern pflichtschuldigst eingerichtet hat. Auch sein großes Buchprojekt steht schon wieder zur Disposition, nachdem ihm die laute Diane einflüstert, doch besser ihre Biografie mit den vielen tollen Abenteuern einer Schauspielerin aufzuschreiben; sie sei schließlich auch eine Überlebende. 

Und dann ist da noch Howard, der alte Nachbar, der sich um die trauernde, psychisch verheerte Lane gekümmert und sich dabei in sie verliebt hat. Howard wird gespielt von Denholm Elliott ("Maurice" – 1987; "Zimmer mit Aussicht" – 1985; Die Glücksritter – 1983; Jäger des verlorenen Schatzes – 1981; Die Brücke von Arnheim – 1977; Robin Und Marian – 1976), der 23 Jahre älter ist als Mia Farrow. Howard ist seit dem Tod seiner Frau sehr allein, sieht zwar den Altersunterschied, meint aber, Lanes Herz gewinnen zu können, wenn er ihr, die nach zwei Jahren Therapie und ohne Arbeit kein Geld mehr hat, ein finanziell sorgenfreies Leben verspricht.

Bis auf Lloyd, den schmerzfreien Mann der exaltierten Diane, sind die Männer in diesem Film fragwürdig bis unsympathisch. Neben dem altersgeilen Howard ist das der verhinderte Schriftsteller Peter. Sam Waterston spielt ihn (Hannah und ihre Schwestern – 1986; "Killing Fields" – 1984; Heaven's Gate – 1980; Innenleben – 1978; Unternehmen Capricorn – 1978; Der große Gatsby – 1974) als einen nervtötenden Zweifler, der sich mit seinen Zweifeln in die Betten ebenfalls an ihrem Leben zweifelnder Frauen schleimt.

Woody Allens diesjähriger Film besticht durch schöne Bilder und großartige Schauspielleistungen. Alle Akteure reiben sich in dramatischen, ungeschnittenen Dialogen auf und jede und jeder glänzt mit einem großen Monolog. Der Sommer geht zu Ende in diesem Film, in ein paar Tagen geht der August in den titelgebenden September über, das Spätsommerlicht hat die Welt farblich nivelliert. Die emotional brennenden Figuren trauern dem ablaufenden Sommer hinterher, in dem sie sich noch einbilden konnten, ihr Leben verliefe in mehr oder weniger geordneten Bahnen. Zurück bleiben Seelen, die keinen Schritt weiter sind, als zu Beginn, aber für den Zuschauer mal über alles geredet haben.

Wertung: 6 von 10 D-Mark
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