Sechs Menschen verbringen gemeinsam ein Wochenende in einer Hütte in Vermont. Doch der Wochenend-Trip verheißt nicht nur Entspannung und Erholung, sondern offenbart die geheimen Wünsche und unterdrückten Sehnsüchte der Ausflügler.
Denn alle sind verliebt, dummerweise nicht immer in den eigenen Partner, sondern in eine der anderen anwesenden Personen: Schauspielerin Diane, die schon mehrmals heiratete, hat sich neu verliebt: Zuletzt in Lloyd.
Ihre Tochter Lane liebt Peter und steckt mitten in einer ungeklärten Beziehung mit dem Schriftsteller. Der wiederum interessiert sich viel eher für die beste Freundin seiner Partnerin – Stephanie. Die lebt jedoch nur für ihren Nachwuchs. Und der alternde Nachbar Howard hat Gefühle für Lane; davon ahnt die aber nichts …
Die Welt in diesem Film, der ausschließlich innerhalb einer hübschen alten Villa mit Erkern und Holzboden spielt, ist in pastellfarbene Gelb-, Braun- und Grüntöne getaucht. Es gibt keine grellen Farbtupfer, nichts ragt optisch hervor, Santo Loquasto und Speed Hopkins – Production Designer und Art Director – halten die Welt mit ausschließlich Erdtönen im Hintergrund. Carlo Di Palma, seit Hannah und ihre Schwestern (1986) Woody Allens Kameramann, unterstreicht diese entspannende Farbwelt mit sanftem Lichtdesign und ruhig schwebender Kamera, während sechs Personen, von Jeffrey Kurland in ebenfalls pastellfarbene Kostüme, erdfarben, gekleidet, hochdramatische, bisweilen schrille Momente durchleben.
Unterlegt ist das Stück mit einem Soundtrack voll sanftem Jazz; hier macht Woody Allen, ob Farce, Komödie oder Drama, keine Kompromisse.
"September" ist ein Drama, ein klassischer Fünfakter. Sechs Personen, lose miteinander freundschaftlich oder familiär verbunden, verbringen zwei Tage in einem großen Haus. In verschiedenen Gesprächen legen sie ihre Unsicherheiten, Ängste und Träume offen, im Finale spitzt sich alles zu einem dramatischen Höhepunkt zu. Die Versuchsanordnung erinnert an Allens Sommernachts-Sexkomödie (1982), nur ohne die Kalauer und ohne, dass die jeweiligen Begierden ein Bäumchen-wechsel-Dich auslösen.
Die Menschen in diesem Film stehen alle an einem Scheideweg in ihrem Leben. Fast alle. Die alt gewordene Schauspielerin Diane hat nach mehreren Ehen gelernt, Enttäuschungen „wegzustecken und zu vergessen“. Sie ist für ein paar Tage zu Besuch im Haus ihrer Tochter.
Mit lautem Organ und ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten anderer poltert sie durchs Haus. Elaine Stritch spielt sie beinahe unsympathisch, bis sie in Momenten, in denen sie allein mit sich und ihrem sie – egal was kommt – liebenden x-ten Ehemann Lloyd ist. In solchen Momenten schimmern die nicht verheilten Narben ihres langen Lebens durch.
Woody Allens Muse Mia Farrow spielt Lane, die Tochter dieses Rollkommandos namens Diane. Farrow spielt sie als das Gegenstück zu Hannah im vergangenen jähr; war die zupackend, sortiert und fokussiert, ist Lane eine verstörte Seele. Sie hat ein Trauma aus ihrer Kindheit zu verarbeiten, will mit der familiären Vergangenheit abschließen und in New York ein neues Leben anfangen, am liebsten mit dem Werbetexter Peter, der hier auf dem Land nach seiner Scheidung seinen ersten großen Roman schreiben will – „Das Thema ist Überleben!“ Ein schwieriges Unterfangen, weil Peter ein großer Zweifler ist, nie zufrieden, der seine Texte immer wieder verwirft. So geht er auch mit Lane um. Orientierungslos, unentschlossen bandelt er mit Lanes bester Freundin Stephanie an, die sich in einer langjährigen Ehe mit Kindern pflichtschuldigst eingerichtet hat. Auch sein großes Buchprojekt steht schon wieder zur Disposition, nachdem ihm die laute Diane einflüstert, doch besser ihre Biografie mit den vielen tollen Abenteuern einer Schauspielerin aufzuschreiben; sie sei schließlich auch eine Überlebende.
Und dann ist da noch Howard, der alte Nachbar, der sich um die trauernde, psychisch verheerte Lane gekümmert und sich dabei in sie verliebt hat. Howard wird gespielt von Denholm Elliott ("Maurice" – 1987; "Zimmer mit Aussicht" – 1985; Die Glücksritter – 1983; Jäger des verlorenen Schatzes – 1981; Die Brücke von Arnheim – 1977; Robin Und Marian – 1976), der 23 Jahre älter ist als Mia Farrow. Howard ist seit dem Tod seiner Frau sehr allein, sieht zwar den Altersunterschied, meint aber, Lanes Herz gewinnen zu können, wenn er ihr, die nach zwei Jahren Therapie und ohne Arbeit kein Geld mehr hat, ein finanziell sorgenfreies Leben verspricht.
Bis auf Lloyd, den schmerzfreien Mann der exaltierten Diane, sind die Männer in diesem Film fragwürdig bis unsympathisch. Neben dem altersgeilen Howard ist das der verhinderte Schriftsteller Peter. Sam Waterston spielt ihn (Hannah und ihre Schwestern – 1986; "Killing Fields" – 1984; Heaven's Gate – 1980; Innenleben – 1978; Unternehmen Capricorn – 1978; Der große Gatsby – 1974) als einen nervtötenden Zweifler, der sich mit seinen Zweifeln in die Betten ebenfalls an ihrem Leben zweifelnder Frauen schleimt.
Woody Allens diesjähriger Film besticht durch schöne Bilder und großartige Schauspielleistungen. Alle Akteure reiben sich in dramatischen, ungeschnittenen Dialogen auf und jede und jeder glänzt mit einem großen Monolog. Der Sommer geht zu Ende in diesem Film, in ein paar Tagen geht der August in den titelgebenden September über, das Spätsommerlicht hat die Welt farblich nivelliert. Die emotional brennenden Figuren trauern dem ablaufenden Sommer hinterher, in dem sie sich noch einbilden konnten, ihr Leben verliefe in mehr oder weniger geordneten Bahnen. Zurück bleiben Seelen, die keinen Schritt weiter sind, als zu Beginn, aber für den Zuschauer mal über alles geredet haben.
Woody Allen drehte den Film zunächst mit Sam Shepard, Charles Durning und Maureen O’Sullivan in den Hauptrollen, war dann aber mit dem Ergebnis so unzufrieden, dass er den gesamten Film mit anderen Schauspielern nochmal drehte.
Das Drama wurde in einem Studio in New York City mit einem Budget von 10 Millionen Dollar gedreht. Der Film spielte weniger als 500.000 US-Dollar ein.
Die Filme von und mit Woody Allen
- Drehbuch, Schauspieler: Was gibt's Neues, Pussy? (What's New Pussycat), 1965
- Regie: What's up, Tiger Lily (What's up, Tiger Lily), 1966
- Schauspieler: Casino Royale (Casino Royale), 1967
- Regie, Schauspieler: Woody, der Unglücksrabe (Take the Money and run), 1969
- Regie: Bananas (Bananas), 1971
- Schauspieler: Mach's noch einmal, Sam (Play it again Sam), 1972
- Regie, Schauspieler: Was Sie schon immer über Sex wissen wollten (Everything You wanted to know about sex but were afraid to ask), 1972
- Regie, Schauspieler: Die Letzte Nacht des Boris Gruschenko (Love & Death), 1975
- Regie, Schauspieler: Der Schläfer (Sleeper), 1973
- Schauspieler: Der Strohmann (The Front), 1976
- Regie, Schauspieler: Der Stadtneurotiker (Annie Hall), 1977
- Regie: Innenleben (Interiors), 1978
- Regie, Schauspieler: Manhattan (Manhattan), 1979
- Regie, Schauspieler: Stardust Memories (Stardust Memories), 1980
- Regie, Schauspieler: Eine Sommernachts-Sexkomödie (A Midsummernight Sexcomedy), 1982
- Regie, Schauspieler: Zelig (Zelig), 1983
- Regie, Schauspieler: Broadway Danny Rose (Broadway Danny Rose), 1984
- Regie: The Purple Rose of Cairo (The Purple Rose of Cairo), 1985
- Regie, Schauspieler: Hannah und ihre Schwestern (Hannah and her sisters), 1986
- Regie: Radio Days (Radio Days), 1987
- Regie: September (September), 1987
- Regie: Eine andere Frau (Another woman), 1988
- Regie, Schauspieler: New Yorker Geschichten (New York Stories), 1989 Episodenfilm
- Regie, Schauspieler: Verbrechen und andere Kleinigkeiten (Crimes and Misdemeanors), 1989
- Regie: Alice (Alice), 1990
- Schauspieler: Ein ganz normaler Hochzeitstag (Scenes from a mall), 1991
- Regie, Schauspieler: Schatten und Nebel (Shadow and Fog), 1992
- Regie, Schauspieler: Ehemänner und Ehefrauen (Husbands and Wifes), 1992
- Regie, Schauspieler: Manhattan Murder Mystery (Manhattan Murder Mystery), 1993
- Regie: Bullets over Broadway (Bullets over Broadway), 1994
- Regie, Schauspieler: Geliebte Aphrodite (Mighty Aphrodite), 1995
- Regie, Schauspieler: Alle sagen: I love you (Everyone says I love You), 1996
- Regie, Schauspieler: Harry außer sich (Deconstructing Harry), 1997
- Regie: Celebrity - Schön. Reich. Berühmt (Celebrity), 1998
- Stimme: Antz (Antz), 1998
- Regie: Sweet and Lowdown (Sweet and Lowdown), 1999
- Schauspieler: Picking up the Pieces - Ich habe doch nur meine Frau zerlegt (Picking up the Pieces), 2000
- Regie, Schauspieler: Schmalspurganoven (Small Time Crooks), 2000
- Regie, Schauspieler: Im Bann des Jade Skorpions (The curse of the Jade Scorpion), 2001
- Regie: Sounds from a Town I love (Kurzfilm), 2001
- Regie, Schauspieler: Hollywood Ending, 2002
- Regie: Anything else, 2003
- Regie: Melinda und Melinda (Melinda and Melinda), 2004
- Regie: Match Point (Match Point), 2005
- Regie: Scoop - Der Knüller (Scoop), 2006
- Regie: Cassandras Traum (Cassandra's Dream), 2007
- Regie: Vicky Cristina Barcelona, 2008
- Regie: Whatever works - Liebe sich wer kann (Whatever works), 2009
- Regie: Ich sehe den Mann Deiner Träume (You will meet a tall dark Stranger), 2010
- Regie: Midnight in Paris, 2011
- Regie: To Rome with Love, 2012
- Regie: Blue Jasmine, 2013
- Schauspieler: Plötzlich Gigolo, 2013
- Regie: Magic in the Moonlight, 2014
- Regie: Irrational Man, 2015
- Regie: Café Society, 2016
- Regie: Wonder Wheel, 2017
- Regie: A Rainy Day in New York, 2019
- Regie:
Rifkin's Festival, 2020 - Regie:
Ein Glücksfall, 2023
