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Plakatmotiv: What's Up, Tiger Lilly? (1966)

Woody Allens erster Kinofilm ist mehr
Seminararbeit als Spannungskino

Titel What's Up, Tiger Lilly?
(What's Up, Tiger Lilly?)
Drehbuch Autoren Woody, Frank Buxton, Louise Lasser
Regie Woody Allen, Japan, USA 1966
Darsteller

Tatsuya Mihashi, Akiko Wakabayashi, Mie Hama, Tadao Nakamaru, John Sebastian, Susumu Kurobe, Sachio Sakai, Eisei Amamoto, Osman Yusuf, Woody Allen, China Lee u.a.

Genre Komödie
Filmlänge 80 Minuten
Deutschlandstart
12. Juni 1981
Website woodyallen.com
Inhalt

Der Geheimagent Phil Moskowitz wird auf eine Mission zur Rettung der Welt geschickt. Er muss das geheime Rezept für einen Eiersalat finden, von dessen Besitz die Herrschaft über die Welt abhängt. Es liegt jedoch ein Fluch auf dem Rezept: Wer den Eiersalat zubereitet und anschließend verspeist, den ereilt ein plötzlicher Tod.

Auf Phil Moskowitz’ Reise tauchen viele Probleme und Widersacher auf, hinzu kommt seine eigene Ungeschicklichkeit, die die Suche nach dem Rezept erschwert. Zu seinen Gegenspielern gehören unter anderem die attraktive Suki Yaki, die anfänglich versucht den Auftrag des Agenten mit ihren Verführungskünsten zum Scheitern zu bringen. Nach einem Sinneswandel macht sie sich jedoch zusammen mit Phil Moskowitz auf die Suche nach dem geheimen Rezept. Sukis Schwester Teri Yaki kommt den beiden genauso zu Hilfe wie der Gangster Wing Fat. Später stellt sich heraus, dass Fat das Rezept selbst behalten möchte, um es für seine eigenen Zwecke zu missbrauchen. Die Suche führt die Gruppe schließlich zu Shepherd Wong, einem berühmten und gefährlichen Bandenboss, der im Besitz des Rezepts für den besten Eiersalat der Welt ist …

Was zu sagen wäre

Als dieser Film bei uns in Deutschland auf die Leinwand kommt, ist er schon 15 Jahre alt. Es ist die erste Regiearbeit von Woody Allen aus dem Jahr 1966. Mittlerweile ist er ein gefeierter Regisseur und Oscarpreisträger für seinen Film Der Stadtneurotiker und Manhattan.

Der vorliegende Film kam damals, als er in die US-Kinos kam, nicht gut an und das ist auch kaum verwunderlich. Das, was wir da sehen, war – bis auf wenige Szenen, in denen Woody Allen auftaucht – mal ein japanischer Agentenfilm, der auf der Welle der in den 60er Jahren aufkommenden James Bond-Erfolgswelle schwamm. Er heißt "Kagi No Kagi" (dt. Schlüssel der Schlüssel). Die japanischen Produzenten hatten eine englisch synchronisierte Fassung für den amerikanischen Markt gemacht, die dort aber bei Testvorführungen durchfiel.

Der amerikanische Produzent Henry G. Saperstein kaufte die Rechte japanischen Agentenfilm und beauftragte Woody Allen, der im Jahr zuvor das Drehbuch für die erfolgreiche Kinokomödie Was gibt's Neues, Pussy? geschrieben hatte, diesen Agentenfilm für den US-Markt zu bearbeiten. Der baute den Film völlig um, nahm Szenen auseinander, setzte sie in anderer Reihenfolge weder zusammen und machte sich selbst in nachgedrehten Szenen zum Gastgeber und Kommentator des Films. Außerdem verpasste er ihm auf der Tonspur eine Sprachfassung, die inhaltlich nichts mehr mit dem Original zu tun hatte, Arbeitstitel: "Tod ist ein Brot, Gefahr ist meine Butter". Am Ende stand statt eines japanischen Kriminalfilms mit James-Bond-Charakter eine amerikanische Komödie, die in Anlehnung an Clive Donners Was gibt's Neues, Pussy? den Titel "What’s Up, Tiger Lily?" erhielt.

Weil der fertig umgebaute und synchronisierte Film für eine Kinoauswertung zu kurz war, bauten die Produzenten ohne Allens Wissen noch die Band The Lovin’ Spoonful, die damals mit ihrem ersten Nummer-1-Hit "Summer in the City" erfolgreich war, mit längeren Szenen in den Film ein. Plakatmotiv: What's Up, Tiger Lilly? (1966) Allen war sehr unzufrieden mit dem Ergebnis und der Musik, die die Band als Soundtrack beisteuerte. Seither achtet er stets darauf, bei seinen Filmen den Final Cut zu behalten, also die Kontrolle über die Produktion seiner Filme bis zum letzten Schnittbild vor der Premiere.

Jetzt liegt also ein Film vor, der im Bildschnitt keiner dramaturgischen Handlung mehr folgt, was aber durch die neu eingesprochenen Dialoge aufgefangen wird, gestreckt durch Auftritte einer Band, die weder mit dem japanischen Original noch mit Woody Allens Bearbeitung etwas zu tun hat. Und dann ist diese kreative Version für unseren Kinomarkt auch noch mal auf deutsch neu synchronisiert worden. Wir erleben Geheimagenten, Großverbrecher, schöne Frauen und sadistische Killer im ständigen Wechselspiel zwischen kernigen Androhungen, Beinahe-Folter und Beinahe-Sex – nicht immer in dieser Reihenfolge.

Im Mittelpunkt steht das Rezept für einen Eiersalat, das alle haben wollen. „Wieso nicht?“, sagt Woody Allen mitten in seinen umgeschnittenen Film hinein, „sonst geht es immer um Atomraketen, geheime Pläne oder wissenschaftliche Durchbrüche. Hier geht es jetzt mal um Eiersalat.“ Eine einfachere Erklärung dafür, was ein MacGuffin ist, gibt es kaum: Es ist egal, worum es geht, solange nur ein Menge Leute dahinter her sind und sich gegenseitig ausschalten.

Allens loses Erzählkonstrukt ist ein böser Blick auf die Mechanismen der Kommerzmaschine Hollywood, die sich Ende der 60er Jahre wund gelaufen hatte, bevor junge, kreative Regisseure mit den eingespielten Sehgewohnheiten brachen und mit Filmen wie Bonnie & Clyde, Taxi Driver, Der weiße Hai schufen, was heute als New Hollywood bekannt ist. Sein Film macht nämlich deutlich, wie einfallslos das Kino vor diesen Filmen geworden war: Es war beinahe unerheblich, was das Bildermedium Film in seinen Bildern erzählte, solange immer irgendeine Person auf der Leinwand erklärt, was passiert war, was passiert und was jetzt zu passieren hat. Die kreativen Gewerke wie Kamera, Schnitt, Kostüm spielten keine ausschlaggebende Rolle mehr. Nur, als "Tiger Lilly" 1966 ins Kino kam, war dieser Umstand ein paar Filmwissenschaftlern und -kritikern bekannt, nicht dem einzelnen Zuschauer, der einfach nicht mehr ins Kino ging: Dieser wäre aber nötig gewesen, "Tiger Lilly" zu nennenswerten Kasseneinnahmen zu führen. Heute, 1981, ist das anders. Der Kinozuschauer sieht mehr und, dank der eben genannten Filme und weiterer, besser.

Das macht "What's Up, Tiger Lilly?" auch heute noch nicht zu einem guten Film. Aber ein interessantes Experiment ist dieser 15 Jahre alte Erstling von Woody Allen allemal.

 

Wertung: 2 von 8 D-Mark
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