Nick Carraway wird in einem Sanatorium wegen seiner Alkoholsucht und seinen Depressionen behandelt. Dauernd redet er über einen Mann namens Gatsby. Dabei hat er Schwierigkeiten seine Gedanken richtig zu artikulieren. Der Arzt fordert ihn auf, seine Gedanken niederzuschreiben, weil ihm das Schreiben Erleichterung verschaffen soll.
Carraway schreibt. Viele Seiten.
Long Island 1922: Als junger Börsenmakler bewohnt Nick Carraway ein kleines Haus in unmittelbarer Nachbarschaft einer grandiosen Villa, in der Jay Gatsby wohnt, ein geheimnisumwobener Millionär, der in seinem Haus regelmäßig aufwändige Partys veranstaltet. In der Nähe lebt auch Carraways Cousine Daisy, die mit dem steinreichen Tom Buchanan eine unglückliche Ehe führt. Nick besucht sie regelmäßig und trifft dabei auch die attraktive Jordan Baker, bei der er sich allerdings keine Chancen ausrechnet, da er nur über wenig Geld verfügt.
Mit seinem Nachbarn Gatsby freundet er sich an und erfährt so, dass der aus einfachen Verhältnissen stammende Gatsby noch immer Carraways Cousine Daisy Buchanan liebt, mit der er früher zusammen war – bevor er als Offizier in den Ersten Weltkrieg nach Frankreich zog. Danach machte er seine Millionen – vermutlich mit Alkoholschmuggel. Carraway arrangiert ein Treffen für Gatsby und Daisy. Beide werden ein Liebespaar, Daisy lehnt es jedoch ab, ihren Ehemann zu verlassen. Tom Buchanan, der selbst eine Geliebte hat, Myrtle Wilson, die Frau eines einfachen Tankstellenbesitzers, ist empört, als er erfährt, dass seine Frau ihn betrügt.
In einem New Yorker Hotelzimmer kommt es zur Konfrontation: Gatsby und Buchanan drängen Daisy dazu, sich zwischen beiden zu entscheiden, was diese verweigert. Gatsby und Daisy fahren gemeinsam nach Long Island zurück. Dort verursacht Daisy unabsichtlich einen Autounfall, bei dem Myrtle Wilson getötet wird …
Leonardo DiCaprio ist ein Gatsby mit glanzvoller Oberfläche. Carrey Mulligan gibt ihrer leeren Daisy das bisschen Leben, das es wenigstens braucht, um als Zuschauer zu verstehen, warum J. Gatsby den ganzen Zinober für sie veranstaltet. Vor 39 Jahren (Der große Gatsby – 1974) hatte Mia Farrow Robert Redford den Kopf verdrehen sollen – sie aber schaffte nicht einmal das bisschen Leben in der Leere. Tobey Maguire als der Erzähler Nick Carroway will mir in seiner Tranigkeit gerade auf die Nerven gehen, weil er denselben unbeholfenen Hansel spielt, den er drei Spider-Man-Filme lang durchgehalten hat; aber was soll ich sagen: Hier passt die Tranigkeit. Gerade noch.
Der schimmernde Reichtum des Geldadels kronleuchtert von jeder Decke
Für Baz Fuhrmann ("Australia" – 2008; Moulin Rouge – 2001; William Shakespeares Romeo & Jula – 1996; Strictly Ballroom – 1992), den PopArt-Popcornkino-Bastler muss diese Geschichte aus den Wilden Zwanzigern um diesen Simplicissimus des alten Geldadels, diesen zehntausendundersten unter den Oberen Zehntausend wie ein Weihnachtsgeschenk gewesen sein. 125 Millionen Dollar hat er angeblich ausgeben dürfen und man sieht sie alle auf der Leinwand. Der Reichtum des alten Geldadels vor der Küste Manhattans weht durch jede Gardine, röhrt aus jedem getunten Auspuffrohr und kronleuchtert von jeder Decke.
Hier und da erlaubt er sich, seine Literaturverfilmung durch durchs Bild schwebende Buchstaben und Sätze zu verdeutlichen, in einer Sequenz nimmt ein Trompeter, der auf einem Balkon in Manhattan vor sich hin spielt, den Soundtrack auf, spielt ihn weiter und gibt ihn wieder ab an die Tonspur. Gatsbys Partys sind, wie schon in der Vorlage angelegt, wilde Ausstattungsorgien. Hier und da erlaubt sich Luhrmann wilde Kameraflüge down to Earth, runter zu uns Winzlingen, die wir Gott spielen und die Vergangenheit wiederholen möchten und natürlich ist der Soundtrack nicht an die Zeit gebunden, in der Luhrmanns Film siedelt. Wie immer mischt er ein Popalbum zusammen – der Rapper Shawn Carter, Künstlername Jay Z, fungiert gleich als einer von neun Produzenten. Bedauerlicherweise nutzt Luhrmann aber dann ausgerechnet die 3D-Möglichkeiten seines Films nicht aus. Die dreidimensionalen Bilder sind in Ordnung, aber es kracht nicht.
Im entscheidend dramatischen Moment bleibt die Leinwand leer
Was nun die Erzählung angeht, da knirscht es. Tom Buchanan, der eklige Gatte der treuherzig-süßen Daisy, ist hier ein veritabler Angeber und Prahlhans. Aber als er auf dem Höhepunkt des Films im Hotelzimmer erklärt, natürlich liebe er seine Daisy und die liebe ihn, da bleibt die Leinwand rätselhaft leer. Er hat dieses Verhältnis zu Myrtle von der Tankstelle, aber außereheliche Verhältnisse scheinen in der damaligen Zeit in diesen Kreisen gesellschaftlicher Konsens gewesen zu sein. Und ein veritabler Angeber und Prahlhans ist Luhrmanns Gatsby auch, dem dann doch so etwas wie eine gewisse Zurückhaltung fehlt, die Robert Redford noch hinbekommen hat.
Bleibt sie oder geht sie – für den Betrachter bleibt die Antwort einerlei. Denn Gatsby, der charmante, „hoffnungsvollste Mensch, der mir je begegnet ist”, ist so charmant auch nicht. Dauernd führt er seine dunklen Telefonate. Er prahlt mit seinen Seidenhemden, röhrt mit einer quitschgelben Sonderanfertigung von Riesencabrio über staubige Straßen und will Daisy fast anbrüllen, ihm in Toms Beisein ihre Liebe zu gestehen. Aber hat dieser Gatsby irgendetwas, für das es sich zu lieben lohn? Nein. Die Oberfläche glanzvoll, der Inhalt banal
Es bleibt das traumlose Zuschauen
Diese Ambivalenz führt die Figur schon in der Romanvorlage dauernd spazieren, dieser Grenzgang zwischen gerade noch glaubhafter ewiger Liebe und der zur Schau gestellten Besessenheit des Freaks. Da gab es genug Leerraum, in das ich hineindeuten, -träumen konnte. Das fällt mir bei dem sehr präsenten Leonardo DiCaprio (Django Unchained – 2012; J.Edgar – 2011; Inception – 2010; Shutter Island – 2010; Der Mann, der niemals lebte – 2008; Departed – Unter Feinden – 2006; Aviator – 2004; Catch Me If You Can – 2002; Gangs of New York – 2002; The Beach – 2000; Celebrity – Schön, reich, berühmt – 1998; Titanic – 1997; William Shakespeares Romeo & Julia – 1996; Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa – 1993) in dieser Rolle schwer. Ich kann ihm bloß zuschauen. Wie ich dem ganzen Film nur zuschauen kann. Ich tue das gerne: Es sind wunderbare Bilder, ein smoother Soundtrack, schöne Menschen, spannende Dialoge.
Aber da ist nichts, in das ich mich hineinträumen kann.
39 Jahre voher, 1974, hatte Jack Clayton Der große Gatsby nach einem Drehbuch von Francis Ford Coppola verfilmt.