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Kinoplakat: Die Kammer

Die nächste John-Grisham-Verfilmung.
Sie ist nicht besonders spannend.

Titel Die Kammer
(The Chamber)
Drehbuch William Goldman + Chris Reese
nach dem gleichnamigen Roman von John Grisham
Regie James Foley, USA 1996
Darsteller
Chris O'Donnell, Gene Hackman, Faye Dunaway, Robert Prosky, Raymond J. Barry, Bo Jackson, Lela Rochon, David Marshall Grant, Nicholas Pryor, Harve Presnell, Richard Bradford, Greg Goossen, Seth Isler, Millie Perkins, Sid Johnson u.a.
Genre Drama
Filmlänge 113 Minuten
Deutschlandstart
5. Juni 1997
Inhalt

Sam Cayhall ist überzeugter Rassist. Er sitzt in der Todeszelle, in die er vor 30 Jahren wegen eines rassistisch motivierten Bombenanschlag auf eine jüdische Anwaltskanzlei zum Tode verurteilt wurde, bei dem zwei Kinder ums Leben kamen und deren Vater schwer verletzt wurde. Jetzt wartet er auf seinen Gang in die Gaskammer. Cayhall war bei dem Anschlag nur Komplize und hatte nicht die Absicht, Menschen zu Schaden kommen zu lassen, weigert sich aber, seine Mittäter preiszugeben.

Kinoplakat: Die KammerSams Enkel Adam, ein erfolgreicher Junganwalt, übernimmt zähneknirschend die Verteidigung – mit Grandpas politischen Überzeugungen kann der Junge so gar nichts anfangen. Und Antisemit Sam, Mitglied des Ku-Klux-Klan in vierter Generation, kann mit seinem Enkel nichts anfangen. Im Zuge der gemeinsamen Arbeit fördert Adam nicht nur neue Erkenntnisse, sondern auch manch verschüttet geglaubtes Gefühl in dem Alten zutage …

Was zu sagen wäre

So richtig drin in seinem Berufsbild ist dieser Junganwalt nicht, trägt er doch einen Anzug, dessen baumelnde Krawatte weit unterhalb des Gürtleschjlosses endet. Da ist kein großstädtischer Profi aus den Kanzleien, deren Firmenname sich aus vier Koryphäen-Namen formiert. Dies ist ein Junganwalt mit, nun ja, wenig Praxis und wenig Ruf.

Es ist dies ein Film aus der Welt der Jurisprudenz. In dieser geht es um präzise Formulierungen, um Worte. Ihre Protagonisten zücken keine geölten automatischen Waffen, die verlassen sich nur auf ihre Kunst der exakten Formulierung.

Kurz: Wir haben es mit Talking Heads in Endlos-Schleife zu tun: „Erlauben Sie mir ein wenig gesunde Skepsis“, sagt Chris O'Donnell als Anwalt Hall. „Aber natürlich“, entgegnet Nora Stark, Mitarbeiterin des Gouverneurs, „jedoch inoffiziell und zur Sache: Es wird ganz bei Ihnen liegen, dem Gouverneur Rückendeckung zu liefern.“ „Ich liebe Politik!“ „Denn wenn er die Hinrichtung ohne Grund aufschiebt, sieht er für die Linke aus, wie ein Freund der Alten Garde. Und für die Rechte wie Jemand, der zu weich zu Verbrechern ist. Und angesichts der Tatsache, dass er selbst es war, der die Verurteilung erreicht hat, sieht er dann für die ganze Welt aus wie ein großer Umfaller.“ „Aber falls ich ihm neue Informationen liefere, hat er einen Grund, seinem Gewissen zu folgen.“ „Sagen wir, es würde seine Möglichkeiten erweitern.“ „Um das zu unterstützen, hat er Sie zu meiner besten Freundin ernannt?“ „So könnte man sagen.“ „Ich habe vor, den Prozess im Gerichtssaal zu gewinnen. Der Gouverneur hat damit nichts zu tun.“ „Hört sich sehr gut an. Falls Sie Hilfe brauchen: Das ist Zuhause, das ist das Büro!“ Dabei reicht die smarte Anwältin dem smarten Anwalt eine Businesscard. Solche Grisham-Szenen sind natürlich wichtig in den Romanen, weil John Grisham ja als Kenner des juristischen Betriebs eingeführt ist und also anhand solcher Dialoge zeigen kann, wie verworfen das System längst ist. Nur, im Film reicht das nicht aus. Da braucht es Bilder der Verworrenheit. Und die fehlen.

Es fehlen schöne, beeindruckende Großleinwandbilder. Die Zeiten, als in "Die Akte" noch fliegende (im Original titelgebende) Pelikane in den Sonnenaufgang flogen, sind vorbei. John Grishams "Die Kammer" ist kein visuell schönes Kinostück, aber ein wortgewandtes. Zum Glück haben wir da Gene Hackman. Leider spielt Chris O'Donnell seinen herausfordernden Widerpart. Der bremst.

Oder auch so ein Dialog wie dieser: „Warum will uns unser FBI-Freund nichts über einen 30 Jahre alten Fall erzählen?“ „Weil wir in Mississippi sind!“, sagt Nora. „Das Land der Geheimnisse. Überall um uns herum sind Leichen vergraben. Aber keiner will etwas in Bezug auf Sam verbergen. Das ist nicht nötig. Er war es. Sie wollen nur nicht, dass Sie die Asche durchwühlen, weil sie nicht wissen, was Sie da ausgraben!“ „Wer sind Die?“ Da vertraut der Film dann auf das behauptete Misstrauen zwischen Adam und Nora und behauptet eine Spannung, noch dazu eine erotische, die dann keine Rolle spielt, weil die Talking Heads einfach das Drama zu Ende talken.

Allein Gene Hackman hebt den Film über Niveau (The Birdcage – 1996; Schnappt Shorty – 1995; Crimson Tide – 1995; Wyatt Earp – 1994; Die Firma – 1993; Erbarmungslos – 1992; Das Gesetz der Macht – 1991; Narrow Margin – 1990; Mississippi Burning – 1988; No Way Out – 1987; Superman IV – Die Welt am Abgrund – 1987; Die verwegenen Sieben – 1983; Under Fire – 1983; Eureka – 1983; Superman – 1978; French Connection II – 1975; Frankenstein Junior – 1974; "Der Dialog" – 1974; Die Höllenfahrt der Poseidon – 1972; Die Professionals – 1972; French Connection – 1971; Leise weht der Wind des Todes – 1971; Bonnie und Clyde – 1967). Er hat hier wenig Spielraum, nur die Zelle und sein Gesicht, mit dem er mit Wimpernschlag von Zorn auf Tränen wechseln kann und alle Gefühle ausdrücken kann, die ein Totgeweihter mit dysfunktionaler Kindheit haben kann; das macht das Drama dicht – na gut, Chris O'Donnell eher nicht (Batman Forever – 1995; Die drei Musketiere – 1993; Der Duft der Frauen – 1992; Grüne Tomaten – 1991).

Grishams Justizthriller hat das Zeug zu einem großartigen Kammerspiel. Regisseur James Foley lässt alle Gelegeheiten verstreichen. Seine Inszenierung hat keinen Pep – Talking Heads wechseln mit Establishing Shots und ein bisschen Faye Dunaway (Don Juan DeMarco – 1994; Supergirl – 1984; "Die Augen der Laura Mars" – 1978; Network – 1976; Die drei Tage des Condor – 1975; Flammendes Inferno – 1974; Chinatown – 1974; Little Big Man – 1970; Thomas Crown ist nicht zu fassen – 1968). Das ist zu wenig, um Spannung zu erzeugen. Es gibt den Film nur deshalb, weil momentan jedes Wort von John Grisham verfilmt wird. Neues bringt die Kunstform Film dem The Chamber-Stoff indes nicht. Von den John-Grisham-Verfilmungen, die in dieser Zeit wir Pilze aus dem Boden sprießen, ist diese hier die langweiligste.

Wertung: 3 von 11 D-Mark
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