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Plakatmotiv: Wyatt Earp - Das Leben einer Legende (1994)

Schöne Bilder, klasse Landschaften
und ein sauertöpfischer Kevin Costner

Titel Wyatt Earp – Das Leben einer Legende
(Wyatt Earp)
Drehbuch Dan Gordon & Lawrence Kasdan
Regie Lawrence Kasdan, USA 1994
Darsteller

Kevin Costner, Dennis Quaid, Gene Hackman, David Andrews, Linden Ashby, Jeff Fahey, Joanna Going, Mark Harmon, Michael Madsen, Catherine O'Hara, Bill Pullman, Isabella Rossellini, Tom Sizemore, JoBeth Williams, Mare Winningham, James Gammon, Rex Linn, Randle Mell u.a.

Genre Western, Biografie
Filmlänge 191 Minuten
Deutschlandstart
1. September 1994
Inhalt

Von der strengen Hand des Vaters wird Wyatt Earp zum gottesfürchtigen und rechtschaffenen Mann erzogen, für den die Familie der zentrale Lebensinhalt ist. Als seine erste Frau während ihrer Schwangerschaft an Typhus stirbt, ergibt sich Wyatt dem Alkohol und schlägt sich als Büffeljäger durch.

Nachdem er diese Lebenskrise mit Mühe gemeistert hat, wird er zum Sheriff gewählt und sorgt, gemeinsam mit seinen Brüdern und Doc Holliday, mit eiserner Hand für Gesetz und Ordnung – und wird nebenbei als Glücksspieler zum reichen Mann ...

Was zu sagen wäre

Zum Helden taugt dieser Wyatt Earp eigentlich nicht, auch wenn ihn alle als solchen feiern. Er ist humorlos, wortkarg und schlägt lieber gleich zu, bevor's der andere tut. Das hat ihm sein Vater beigebracht: „…schlag wenn du kannst zuerst zu.“ Von ihm weiß er auch, dass nichts stärker ist „als die Bande des Blutes. Der Rest sind doch Fremde“. Wyatt Earp hatte nicht nur einen Vater, er taucht auch in dieser filmischen Anlehnung an Earps Leben zum ersten mal im Film auf, knurrig väterlich interpretiert von Gene Hackman (Geronimo – Eine Legende – 1993; Die Firma – 1993; Erbarmungslos – 1992; Das Gesetz der Macht – 1991; Narrow Margin – 1990; Eine andere Frau – 1988; Mississippi Burning – 1988; No Way Out – 1987; Superman IV – Die Welt am Abgrund – 1987; Die verwegenen Sieben – 1983; Under Fire – 1983; Eureka – 1983; Superman – 1978; Die Brücke von Arnheim – 1977; Abenteurer auf der Lucky Lady – 1975; French Connection II – 1975; 700 Meilen westwärts – 1975; Frankenstein Junior – 1974; "Der Dialog" – 1974; Die Höllenfahrt der Poseidon – 1972; Die Professionals – 1972; French Connection – Brennpunkt Brooklyn – 1971; Leise weht der Wind des Todes – 1971; Bonnie und Clyde – 1967).

Es tauchen auch viele andere Stationen aus Earps Leben auf, von denen wir im Kino im allgemeinen nur gehört haben. Auf der Leinwand fokussierte sich das Leben der großen Westernlegende meist auf sein Tun in Tombstone rund um den O.K. Corral, zuletzt vor einem halben Jahr in George Pan Cosmatos' Tombstone (1993) mit Kurt Russell in der Earp-Rolle – die er von Kevin Costner übernommen hatte, nachdem der das Projekt verlassen hatte, weil er fand, dass Earps Brüder und vor allem Doc Holliday dort zu viel Raum einnahmen. Costner fand, Wyatt Earp müsse ganz im Zentrum des Films stehen. Also zog er ein eigenes Projekt auf, in dem er, zurzeit einer der einflussreichsten Stars in Hollywood (Perfect World – 1993; Bodyguard – 1992; JFK – Tatort Dallas – 1991; Robin Hood – König der Diebe – 1991; Der mit dem Wolf tanzt – 1990; Feld der Träume – 1989; No Way Out – 1987; Die Unbestechlichen – 1987; Die Sieger – American Flyers – 1985; Silverado – 1985), die Creme de la Creme zusammentrommelte und ein Drei-Stunden-zehn-Minuten-Ungetüm entwarf – in dem jetzt wirklich alles auf Wyatt Earp zugeschnitten ist, der den ganzen Film über mit Sauertopfmine den beiden oben zitierten Glaubenssätzen seines Vaters folgt und sich damit keine Freunde macht. Aus Dodge City wird er als Marshal trotz erfolgreicher Befriedung der Stadt sogar rausgeschmissen, weil die Einwohner ihn als zu brutal empfinden; klar: Earp schlägt immer noch zuerst zu und die Schläger trollen sich dann. Tatsächlich sind da immer nur seine Brüder – die mit denselben väterlichen Glaubenssätzen aufgewachsen sind – die zu ihm halten. Seine Schwägerinnen hassen ihn.

Wenn im Leben des Helden jemand eine wichtigere Rolle spielt, dann sind es die Frauen. Die erste, Urilla, nimmt er zur Frau und liebt sie, bis sie an Typhus stirbt. Das wirft ihn derart aus der Bahn, dass er Gefühle nicht mehr an sich ran lässt: „Frauen bleiben nie“, ist fortan sein Glaubenssatz. „Irgendwann hauen sie ab. Oder sie sterben!“ Entsprechend kühl behandelt er seine langjährige Freundin Mattie, die sich aus lauter Verzweiflung mit Laudanum in den langsamen Tod trinkt. Bis dann Josie Marcus auftaucht, zwischen denen es im ersten Augenblick funkt. Sie wird die Frau sein, die 47 Jahre später am Sterbebett ihres Mannes Wyatt sitzen wird und Schwiegervaters Satz über „die Bande des Blutes“ wahr werden lässt. Das erfahren wir als Texteinblendung unmittelbar vor dem Abspann – und wissen es vielleicht auch aus einem Geschichtsbuch.

Der zweite Fremde, der zur Familie wird, ist Doc Holliday, tuberkulosekrank, Trinker, Zyniker und Lebensweisheiten-Spender, wenn sein Freund Wyatt wieder mal überzukochen droht. Dennis Quaid ("Grüße aus Hollywood" – 1990; Great Balls of Fire – 1989; D.O.A. – Bei Ankunft Mord – 1988; Suspect – Unter Verdacht – 1987; Die Reise ins Ich – 1987; The Big Easy – Der große Leichtsinn – 1986; Enemy Mine – Geliebter Feind – 1985; "Der weiße Hai 3" – 1983) legt seinen rauen Charme in die Rolle, bleibt aber die Luxusausgabe eines Stichwortgebers.

Die Zeit, in der dieser Western spielt, ist eine Zeit des Übergangs. Wyatt Earp und die Schießerei am O.K. Corral stehen in der US-Historie als Symbol für den Kampf von Recht und Gesetz gegen offenes Banditentum in den Grenzstädten, wo die Spannungen des Bürgerkrieges nachwirkten und Strafverfolgung noch unzuverlässig war. Lawrence Kasdan (Grand Canyon – Im Herzen der Stadt – 1991; "Die Reisen des Mr. Leary" – 1988; Der große Frust – 1983; Heißblütig – Kaltblütig – 1981) packt diese Zeit in die passenden Bilder. Die Schienen der Eisenbahn fressen sich durchs Land. Die Städte haben mehr als einen Saloon. Viele Einwohner tragen gesteifte Anzüge und gehen in andere Bars als die staubigen Cowboys. Wyatts Vater ist Jurist und zieht zu Beginn des Films nach Kalifornien, wo er als Richter arbeiten wird. In jeder Szene liegt der Wandel zum Zahmen Westen in der Luft, während der Wilde Westen ein verbissenes Rückzugsgefecht gegen Wyatt Earp führt.

Aber ein Epos will trotz 190 Minuten Länge einfach nicht daraus werden. Denn die Geschichte führt nirgendwo hin. Noch kein Earp-Film hat so nah an der historischen Begebenheit entlang erzählt (soweit die überhaupt bekannt ist), wie dieser hier, aber alle Filme haben sich auf eine Episode aus diesem Leben beschränkt – meistens die Schießerei. Kasdan präsentiert uns seine Titelfigur als jungen Teenager bis zum grauhaarigen Mann inklusive seiner Erlebnisse dazwischen in Reihe. Einerseits ist das akademisch interessant, mal alles aus so einem Leben zu sehen – die Männer zu John Waynes und James Stewarts Western-Zeiten waren häufig die einsamen Reiter, die früher mal Frau und Farm hatten, heute aber nicht mehr und man wusste nie, warum, hier erfährt man es mal – andererseits kann man sich bei "Wyatt Earp" zwischendrin mal ein Bier holen, weil es ohnehin keine Höhepunkte gibt. Der Film fließt wie ein hochgetunter TV-Vierteiler vor sich hin und beendet seine Erzählung irgendwann am Klondike, wo Wyatt und seine Josie Gold zu finden gedenken, während Wyatt immer wieder mal einen aus dem schurkischen Clantonclan aus dem Verkehr zieht, der ihm rund um Tombstone das Leben versaut hat. Zwei Fremde wurden ihm eine bessere Familie als die Blutsbande der Brüder und die Menschen landauf landab bewundern ihn. Aber sie haben ihn auch zu Beginn nicht abgelehnt. Sie haben seine Härte verurteilt, aber deren Ergebnisse immer zu schätzen gewusst. Es fehlt der Haken in der Geschichte, die fatale Entscheidung mit den grausligen Auswirkungen, die er bedauert. Aber für Reue, für seelische Tiefpunkte sind in diesem Mann kein Platz.

Und so schaue ich schönen Western-Bildern auf Cinemascope zu, erlebe Schießereien und nehme immerhin de Erkenntnis mit nach Hause, dass die zahl der Revolvermänner im Wilden Westen möglicherweise viel kleiner war als die der nervtötenden Schläger, die Wyatt Earp reihenweise und sehr fantasievoll aus dem Verkehr zieht.

Wertung: 4 von 10 D-Mark
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