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Plakatmotiv: Little Big Man

Wuchtiger Western mit klarer Haltung,
visueller Schönheit und Oppulenz

Titel Little Big Man
(Little Big Man)
Drehbuch Calder Willingham
nach dem Roman von Thomas Berger
Regie Arthur Penn, USA 1970
Darsteller

Dustin Hoffman, Faye Dunaway, Chief Dan George, Martin Balsam, Richard Mulligan, Jeff Corey, Aimee Eccles, Kelly Jean Peters, Carole Androsky, Robert Little Star, Cal Bellini, Ruben Moreno, Steve Shemayne, William Hickey, James Anderson u.a.

Genre Western
Filmlänge 139 Minuten
Deutschlandstart
13. August 1971
Inhalt

Im Alter von 121 Jahren erzählt Jack Crabb einem Reporter seine Lebensgeschichte. Diese beginnt damit dass der damals zehnjährige Junge bei einem Indianerüberfall seine Familie verliert und nur er und seine Schwester Caroline überleben. Beide werden von dem Cayenne-Indianer Shadow That Comes Inside aufgelesen und in sein Dorf gebracht.

Während seine Schwester schon bald die Flucht ergreift bleibt Jack im Stammeslager und wird von dem Häuptling Old Lodge Skins wie ein Enkel behandelt und großgezogen. Ganze sechs Jahre bleibt Crabb bei den Cheyennes und wird von seinen „Brüdern“ aufgrund seiner Größe erst akzeptiert, nachdem er Younger Bear das Leben rettet. Nach einer darauffolgenden Auseinandersetzung mit der US-Armee muss sich Jack als Ihresgleichen zu erkennen geben, damit er dem Tod entkommt.

Zurück in der weißen Zivilisation muss er sich mit dieser ihm mittlerweile fremd gewordenen Welt auseinandersetzen …

Was zu sagen wäre

Ein Western. Ein Drama aus der Zeit der Indianerkriege, als weiße Siedler eingeborene „Indianer“ verträngten. Aber auch: Ein Antikriegsfilm, der sich mit den aktuellen Gräueln des Vietnam-Krieges auseinandersetzt. Ein Kapitel dieses reichhaltigen Films erzählt vom Überfall des eitlen Gernal Custer auf eine Cheyenne-Siedlung am Washita River, wo er ein Massaker anrichtet. Das kann, wer möchte, als direkten Bezug auf die Kriegführung der US-Soldaten in Vietnam – Stichwort: My Lai – interpretieren.

Arthur Penn ("Alice’s Restaurant" – 1969; "Bonnie und Clyde" – 1967; Ein Mann wird gejagt – 1966; "Mickey One" – 1965) und sein Drehbuchautor Calder Willingham machen keinen Hehl, auf wessen Seite sie im Film stehen. Sie stellen dem Bild des weißen Helden, des Kämpfers für die Ideale des American Dream einen Antihelden entgegen, der – im moralischen Sinn – am Ende recht behält. Jack Crabb lernt Sprache und Gebräuche der mit der Natur verbundenen Cheyennes kennen. Und als er dann in die Welt der Weißen, der Bleichgesichter gewechselt ist, stellt er fest, dass dort, wer es zu was bringen will, betrügen, lügen, heucheln muss.

Ein Film in Rückblende mit dezentem Musikeinsatz der als erstes klar macht, das die Weißen (Kinozuschauer) die Indianer nur als Vorurteil kennen. Da ist gleich zu Beginn der Reporter, der vom einzigen Überlebenden der Schlacht am Little Big Horn etwas über die „primitive Lebensweise der Indianer“ erfahren möchte, und dann (mit den Zuschauern) erfährt, wie absolut gar nicht primitiv diese Ureinwohner waren. Crabbs große Schwester Caroline wird nicht – wie von ihr erwartet – vergewaltigt („Die arme Caroline hatte nie Glück mit Männern.“, sagt Crabb aus dem Off). Das setzt einen lockeren Ton, den der Film über seine ganze Laufzeit nicht verlässt. Der Film ist lang – dabei nicht langweilig. Er zerstört viele Mythen des wilden Westens und zeigt die Indianerkriege als das, was sie wohl waren: blutige Gemetzel. Die subjektiv gefärbten Erinnerungen Crabbs, dem die Indianer den Ehrennamen Little Big Man geben, sind mit einem gehörigen Schuss Ironie getränkt und zerstören jeglichen Anflug von Pathos.

Der Film ist visuell aufregend, er erzählt eine lange Geschichte über den Off-Text in überschaubaren Kapiteln und bietet wunderbare Schauspieler in fantastischen Bildern. Dustin Hoffman ("Asphalt Cowboy" – 1969; Die Reifeprüfung – 1967) als Titelheld und Simplicissimus erweist sich nachgerade als zwingend in der Rolle des Wanderers zwischen den Welten, dem keiner Böses kann.

Arfthur Penn hat gleichermaßen einen Anti-Western und einen Anti-Kriegsfilm gedreht. Er nutzt die Kulisse der Frontier-Heros, um das Rückzugsgefecht des Naturvolkes (der Indianer) gegen die Industrialisierung zu erzählen: „Die Erdensöhne (Human Beings), Sohn, glauben, dass alles lebt. Nicht nur der Mensch und die Tiere. Sondern auch das Wasser, die Erde, die Steine. Und auch Teile des menschlichen Körpers (für die der Häuptling exemplarisch einen Skalp herzeigt), wie sein Haar. Der Mann, dem dieses Haar gehörte, lebt jetzt kahlköpfig im Jenseits. Denn ich besitze seinen Skalp. So steht es um die Dinge. Aber der weiße Mann glaubt, alles sei tote Materie. Steine, Erde, Tiere und Menschen. Selbst seine eigenen Leute. Weiße Menschen löschen jeden Lebenswillen aus. Das ist der Unterschied!

Conclusio: „Die Welt war zu absurd, um auf ihr leben zu wollen.“ Einer der Mehr-muss-man-nicht-sagen-um-alles-zu-verstehen-Filme.

Wertung: 8 von 8 D-Mark
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