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Plakatmotiv: Grenzenlos (2017)

Eine romantische Liebesgeschichte
während der Rettung der Menschheit

Titel Grenzenlos
(Submergence)
Drehbuch Erin Dignam
nach dem gleichnamigen Roman von J.M. Ledgard
Regie Wim Wenders, Deutschland, Frankreich, Spanien, USA 2017
Darsteller

James McAvoy, Alicia Vikander, Alexander Siddig, Celyn Jones, Reda Kateb, Audrey Quoturi, Jess Liaudin, Godehard Giese, Alex Hafner, Harvey Friedman, Hakeemshady Mohamed, Andrea Guasch, Jannik Schümann, Jean-Pierre Lorit, Marie-Anne Cambon Bonavita, Adam Quintero, David Lajoie, Julien Bouanich, Thibaut Evrard, Guillaume de Parceval, Loïc Corbery, Franck Rosazza u.a.

Genre Drama, Romanze, Thriller
Filmlänge 112 Minuten
Deutschlandstart
2. August 2018
Website grenzenlos-derfilm.de
Inhalt

Das Schicksal scheint es gut mit ihnen zu meinen, als sich James More und Danielle Flinders zufällig in einem Hotel in der Normandie kennenlernen und auf Anhieb ineinander verlieben. Dabei sind beide eigentlich damit beschäftigt, sich auf ihre jeweiligen Missionen vorzubereiten: Undercover-Agent James soll ein Ausbildungszentrum von Terroristen aufdecken und Danny soll als begabte Biomathematikerin nach Mitteln und Wegen gegen den Klimawandel forschen.

Schon bald sind sie meilenweit voneinander entfernt und während Danielle für ihre Arbeit einen komplizierten Tiefseetauchgang plant, gerät James in die Gefangenschaft von Dschihadisten. Während er um sein Leben ringt, weiß Danny am anderen Ende der Welt nicht, was sie von der plötzlichen Funkstille halten soll …

Was zu sagen wäre

Die Romantik muss warten, weil vorher noch kurz die Welt gerettet werden muss. Blöd nur, dass niemand sicher sagen kann, wer der eigentliche Weltenretter ist. Retten wir die Welt, beziehungsweise die Menschheit auf ihr, indem wir in Somalia Terroristen bekämpfen? Oder retten wir die Welt, indem wir buchstäblich in die Hölle vorstoßen, wo wir nachweisen, das es anderswo im All neuen Lebensraum für uns gibt, wenn wir diesen Planeten versaut haben? Und steht uns die Romantik dabei im Wege? Oder hilft sie uns, durch schwere Phasen zu kommen?

Wim Wenders stellt zwei spannende Persönlichkeiten in den Mittelpunkt. Keine typischen Wendersfiguren. Auch sie sind im weitesten Fall Suchende. Aber diese beiden, Danny und James, suchen nicht nach dem Sinn in ihrem Leben, im Gegenteil, den haben sie gefunden und sie verfolgen leidenschaftlich ihre jeweilige Mission. Er sucht Terroristen in Somalia, sie sucht auf dem tiefsten Meeresgrund nach den Grundlagen des Universums. Nicht einmal die Liebe haben sie gesucht. Die haben sie einfach gefunden, an einem wild romantischen Strand in der Normandie, als er an ihr vorbei joggt und „Hi“ ruft, sie den Gruß erwidert, schon sind die Vornamen ausgetauscht und als sich beide kurz darauf als Gäste desselben Hotels wieder treffen, ist seine Frage um ein gemeinsames Mittagessen eine Sache von Sekunden und während sie äußerlich ungerührt ihre Zimmertür aufschließt, nuschelt sie mehr als dass sie spricht: „Halb zwei, ist das okay für Sie?“. Ich habe im Kino lange keine Boy-meets-Girl-Situation gesehen, die mich so ins Herz getroffen hat, wie diese unter der Regie von Wim Wenders.

Keine Geigen vom Score, keine Großaufnahmen verstohlener Blicke, keine zappelige Unbeholfenheit. Ein ganz beiläufiges Eingestehen zweier Fremder, dass sie einander gefallen. Dieses Aufeinandertreffen ist magisch, sie machen sich nicht gegenseitig an, sie geilen sich nicht auf. Sie kabbeln sich, interessieren sich füreinander und haben Spaß daran, sich gegenseitig herauszufordern – Wer bist Du? Wer bin ich? Welche gemeinsame Basis haben wir?

James McAvoy spielt zwar einen Undercovermann, der sich als Brunnenbauer der UN tarnt, gibt aber nicht den toughen Draufgänger. Seine mit schottischem Akzent gefärbte Frage nach einem gemeinsamen „Lunch?“ kommt so beiläufig daher wie die Frage nach der Uhrzeit. Und die Antwort kommt von einer Frau, die keinen Kopf hat für romantische Spielereien. Ihr gefällt der vom Joggen schwitzende Mann mit dem freundlichen Gesicht, warum also Zeit vergeuden, man ist ja kein Backfisch mehr. Plakatmotiv (US): Submergence – Grenzenlos (2017) Und alles weitere wird man ja eh sehen. Alicia Vikander, die im vergangenen März als harte Abenteurerin Lara Croft in der Neuauflage von Tomb Raider im Kino zu sehen war (als die Dreharbeiten zu diesem Wenders-Projekt aber schon abgeschlossen waren), gibt ihrem Portfolio als Danielle eine neue Facette hinzu. Sie spielt die Biomathematikerin und Meeresbiologin mit der zielstrebigen Klarheit ihrer Gerda aus The Danish Girl und mischt es mit der Anmut ihrer Sophia aus Tulpenfieber. Vikander ist wieder einmal ein Ereignis (Liebe zwischen den Meeren – 2016; Jason Bourne – 2016; The Danish Girl – 2015; Codename U.N.C.L.E. – 2015; Ex Machina – 2014; "Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt" – 2013). Da hinein spielt natürlich auch ihre Schönheit. Wim Wenders stellt gerne schöne Frauen vor seine Kamera. Aber nicht in erster Linie zum Selbstzweck: Im somatischen Folterkeller muss sich James nur ihr Gesicht in Erinnerung rufen, um Schmerzen, Hunger, die Entwürdigung zu verdrängen. Das kann auch jeder gemütlich Wein trinkende Zuschauer im Kinosessel sofort nachvollziehen.

Es ist eine erwachsene Liebesgeschichte. Da treffen sich zwei und entdecken die Liebe ihres Lebens und sind gleichzeitig sehr engagiert für ihre Sache, die an ganz entgegengesetzten Orten dasselbe erreichen wollen. Der Ozean, sagt sie, habe fünf Schichten. Das Blaue mit den Korallen und leuchtenden Fischen, in der wir tauchen; alles, was wir mit Tauchen verbinden, sei dort. Danach folge die Schicht des Zwielichts, dann die der Schwärze. Und irgendwann sei man ganz unten in der Schicht, die man "Hölle" nenne. James More wird diese Stadien an Land durchleben, Danny unter Wasser. Mehr oder weniger parallel. Zu den finalen Abspanntiteln ist die Leinwand hell erleuchtet, weiß, nicht wie üblich schwarz. Den Rest sollen wir auf dem Nachhauseweg klären

So wie die Liebe den Agenten im somalischen Gefängnis auffängt, so droht sie, Danielles Projekt zu torpedieren. die ist irritiert, dass sich James über Wochen nicht zurückmeldet, sie weiß ja nicht, wo und was er wirklich ist. Sie ist unkonzentriert in ihrer Laborarbeit, sowas ist sie nicht gewöhnt. Bisher waren Männer in ihrem Leben One-Night-Stands zur Entspannung. Mit James ist das anders. „Er hat kein Interesse mehr“, postuliert sie. Und während sie das sagt, gleitet der Schimmer der Abendsonne über ihr schönes Gesicht, ihre glatte Haut. Kaum hat sie Kontakt zur wirklichen Welt, entgleitet ihr ihre Elfenbeintumforschung. Was ist die Hölle? Das ist eine der Fragen, die der Film stellt. Ist sie Dunkelheit oder Licht, ist es ein mystischer Ort oder ein realer? „Du stirbst nicht, wenn Du Dich verliebst!“ „Warst Du je verliebt?

"Grenzenlos" ist nach Paris, Texas und The Million Dollar Hotel der dritte Liebesfilm, den Wim Wenders ins Kino bringt. Aber anders als die kaputte Liebe in der Peepshow-Kabine und die Liebe im Hotel, die märchenhafte Züge hatte, ist die Liebe in "Grenzenlos“ sehr real in der sehr realen Welt, in der Wissenschaft auf Realpolitik trifft, Weltverbesserin auf Dicke-Bretter-Bohrer. Eine planetarische Geschichte über das Wo gehören wir hin? Was sind wir?

Wertung: 5 von 8 €uro
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