Es ist Sommer. Auf einer grün umrankten Veranda, die zu einem prachtvollen Garten führt, sitzen ein Mann und eine Frau an einem Tisch, umgeben von Bäumen, durch deren Blätter gelegentlich eine angenehme Brise weht, während irgendwo in der Ferne Paris liegt.
Die beiden unterhalten sich angeregt, es ist ein einziges Fragen und Antworten. Dabei diskutieren sie über allerlei Themen: über die Erfahrungen mit der Liebe, die Kindheit, Erinnerungen, über das Wesen des Sommers. Und darüber, was Männer und Frauen letztendlich in ihrer Wahrnehmung unterscheidet.
Und noch während sie im Zwiegespräch vertieft sind, tippt ein Schriftsteller im angrenzenden Haus fleißig neue Dialogzeilen in seine Schreibmaschine. Ob er sich gerade das Gespräch ausdenkt, das die beiden im Garten führen? Oder ist es umgekehrt?
Peter Handke hat ein Stück geschrieben. Für seine Frau Sophie Semin, die in diesem Film die Rolle der Frau spielt. Sie antwortet den Fragen eines Mannes – Freund, Geschäftspartner, Psychiater? – erzählt von ihrem ersten Liebeserlebnis – da war sie zehn, saß auf der Schaukel und fühlte sich plötzlich wie von einem Blitz durchbohrt, der aus dem Boden kam. Sie redet über den Geschlechtsakt als Racheakt zur Erhaltung der Welt und darüber, wie sie ihr Geschlecht verabscheut. Er redet über Spatzen, die über den Boden hüpfen, und über Löcher und Mulden im Boden, die für ihn die Bilder eines Sommers sind.
Das sind alles keine Dialoge. Es sind gesprochene Essays über das „wahre Gesicht einer Frau, das verdammt ist, allein zu bleiben“. Die Dialoge – vielleicht besser: Monologe – kreisen auch um Fragen der Identität, der Sexualität, des Weltverständnisses. Ich rieche das Theaterstück in jedem Wort. Auf der Bühne mag das funktionieren, wenn ich auf den Guckkasten mit seinen zwei Figuren und ihren realitätsfernen Monologen reduziert bin. Aber im Kino, auf der Leinwand, bleibt der Film eine Behauptung seiner selbst. Wim Wenders dreht zum dritten Mal in der 3D-Technik. Das ergibt ein paar schöne Bilder dieser Villa aus dem 19. Jahrhundert. Aber irgendwann wiederholen sich die Einstellungen. „Hey, eine Handlung! Hatten wir denn nicht vereinbart: keine Aktion, nur Dialog?“, ruft die Frau, als der Mann unvermittelt aufspringt und den Hund jagt und er antwortet: „Eine kleine Handlung wird doch wohl erlaubt sein. Sie ist sogar notwendig.“ Hätten sich die Filmemacher mal daran gehalten.
Es ist unklar, warum aus dem Stück ein Film geworden ist. Eine Art Freundschaftsdienst Wenders für seinen langjährigen Freund und häufigen Kollaborateur Peter Handke? Zumindest erinnert der Film an die frühen 70er Jahre, als Wenders und Handke Filme zusammen machten wie Die Angst des Tormanns beim Elfmeter, Die linkshändige Frau oder Falsche Bewegung – Filme, die auf der Handlungsebene schon sehr reduziert waren, gegen die "Schönen Tage …" aber beinah Actionfilme waren. Wenders hat für die Verfilmung eine dritte Person erfunden, ein Schriftsteller, der über seiner Olympia-Schreibmaschine an einer Szene arbeitet. Er schreibt die Dialoge, die Mann und Frau draußen vor dem Fenster sprechen. Er schreibt ihnen Worte auf, verwirft Ideen wieder, erschafft Charaktere. Wenders hat sich sozusagen selbst ins Drehbuch geschrieben und wir sehen ihm nun bei der Arbeit zu. Inspiriert wird der Autor an der Schreibmaschine vom liebsten Ausstattungsstück seiner Filme, einer Wurlitzer-Jukebox. Und plötzlich sitzt der leibhaftige Nick Cave am Flügel und singt.
Ein langweiliger Film mit Schauspielern ohne Ausstrahlung, die in einem leblosen, nur behaupteten Dialog das Wesen von Frau, Mann und Sommergefühl ergründen.
Der Film ist eine Low-Budget-Produktion und wurde in zehn Tagen abgedreht. Drehort war – neben Pariser Avenuen – eine Villa aus dem 19. Jahrhundert in der Île-de-France in Sichtweite von Paris. Der Film ist die sechste Zusammenarbeit (einschließlich Handkes Film "Die Abwesenheit" von 1992) Wenders’ mit Peter Handke. Der Titel des Films und von Handkes Stück greifen leicht modifiziert die geflügelten Eingangsworte von Schillers Drama "Don Carlos. Infant von Spanien auf: „Die schönen Tage in Aranjuez sind nun zu Ende.“ Schiller bezog sich damit auf die königliche Sommerresidenz im spanischen Aranjuez, im übertragenen Sinne werden schöne Tage in Aranjuez seither manchmal für eine sorgenfreie Zeit benutzt.
Die Kinofilme von Wim Wenders

Wenders sieht sich als „der Reisende und dann erst Regisseur oder Fotograf“. Von 1991 bis 1996 war Wenders Vorsitzender der Europäischen Filmakademie und ist seither deren Präsident. Außerdem war er von 2002 bis 2017 Professor für Film an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Zu seinem 75. Geburtstag im Jahr 2020 erschien die Dokumentation Wim Wenders, Desperado von Eric Friedler und Andreas "Campino" Frege, in der die Filmemacher die Ambivalenz zwischen europäischem und amerikanischem Kino (Wenders' Traumland) am Beispiel von Wim Wenders und Francis Ford Coppola analysieren.
- Summer in the City (1970)
- Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1972)
- Der scharlachrote Buchstabe (1973)
- Alice in den Städten (1974)
- Falsche Bewegung (1975)
- Im Lauf der Zeit (1976)
- Der amerikanische Freund (1977)
- Nick's Film – Lightning Over Water (1980)
- Hammett (1982)
- Der Stand der Dinge (1982)
- Paris, Texas (1984)
- Tokyo-Ga (1985)
- Himmel über Berlin (1987)
- Yamamoto – Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten (1989)
- Bis ans Ende der Welt (1991)
- In weiter Ferne, so nah! (1993)
- Lisbon Story (1994)
- Die Gebrüder Skladanowsky (1995)
- Am Ende der Gewalt (1997)
- Buena Vista Social Club (1999)
- The Million Dollar Hotel (2000)
- Viel passiert – Der BAP-Film (2002)
- Land of Plenty (2004)
- Don't come knocking (2005)
- Palermo Shooting (2008)
- Pina – tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren (2011)
- Das Salz der Erde (2015)
- Every Thing will be fine (2015)
- Die schönen Tage von Aranjuez (2016)
- Grenzenlos (2017)
- Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes (2018)