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Plakatmotiv: Das Salz der Erde (2014)

Das beeindruckende Porträt eines Mannes,
der mit bewegenden Fotos die Welt erklärt

Titel Das Salz der Erde
(The Salt of the Earth)
Drehbuch Wim Wenders + Juliano Ribeiro Salgado + David Rosier
Regie Wim Wenders & Juliano Ribeiro Salgado, Frankreich, Brasilien, Italien 2014
Darsteller

Sebastião Salgado, der Yali Stamm, Sebastião Ribero Salgado, Hugo Barbier, Régis Muller, Jacques Barthélémy, João Pessoa Mattos, Leny Wanick Mattos, Lélia Wanick Salgado, Maria Teresa Salgado Rocha Bastos, Juliano Ribeiro Salgado, Mischa, Rodrigo Ribeiro Salgado, Wim Wenders, der Zo'e Stamm u.a.

Genre Dokumentation
Filmlänge 110 Minuten
Deutschlandstart
30.Oktober 2014
Website dassalzdererde-derfilm.de
Inhalt

Der aus Brasilien stammende Fotograf Sebastião Salgado dokumentierte in den vergangenen 40 Jahren die Spuren unserer Menschheitsgeschichte auf allen Kontinenten. Als sozialdokumentarischer Fotograf wurde er Zeuge von internationalen Konflikten, Vertreibung, Krieg, Hunger und Leid. Dies hielt er mit seinen Schwarzweißfotos in Bildreportagen und Fotobänden wie "Workers – Arbeiter. Zur Archäologie des Industriezeitalters", "Migranten" oder "Afrika" fest.

Salgado erkrankte seelisch an dem Gesehenen und widmete sich in einer Schaffenspause der Wiederaufforstung eines erodierenden Gebietes in seiner Heimat, wodurch er zu seinem Fotoprojekt "Genesis" inspiriert wurde, das die paradiesischen, von Menschen unberührten Orte der Erde zeigt. Damit kehrt er an den Ursprung allen Lebens zurück und offenbart eine Hommage an die Schönheit unseres Planeten.

Der Film zeigt das Leben und die Arbeit von Sebastião Salgados aus der Perspektive von zwei Regisseuren: Zum einen aus der Sicht seines Sohnes Juliano Ribeiro Salgado, der den Vater oftmals bei seinen Reisen mit der Filmkamera begleitete, zum anderen aus der Sicht des Filmemachers Wim Wenders, der selbst Fotograf ist …

Was zu sagen wäre

Ein Filmemacher porträtiert einen Fotografen. Ein Filmregisseur, für den bedingungslos das Bild im Mittelpunkt seiner Filme steht, aus welchem sich die Geschichte dieses Filmes ergibt, besucht einen Fotografen, der mit einem Foto ein ganzes Leben erzählen kann. Sebastião Salgado ist die positive Antithese zu Campinos Fotografenfigur in Wim Wenders' Palermo Shooting, der für seine Fotos nur die Oberfläche seht, nichts darunter. Salgados verstörend schöne, entsetzliche, wunderbare, grauenvolle Bilder zeigen alles, was hinter ihnen steckt.

Fotos hieß auf Griechisch Licht“, sagt Wenders zu Beginn seines Films, „und Grafein Schreiben, Zeichnen. Ein Fotograf ist also einer, der mit Licht malt, der die Welt mit Licht und Schatten immer wieder neu schreibt.“ Wenn er über das Subjekt seiner Betrachtung, Sebastião Salgado, spricht, klingt Wenders mit seiner ruhigen, leisen Off-Stimme wie ein Kind, das über seinen von ihm bewunderten Papa spricht. Das wirkt distanzlos. Aber Distanz will Wenders ja auch gar nicht haben. Er ist ja kein Reporter. Er ist Filmemacher. Er lässt Salgado erzählen. Der spricht französisch, also haben es die Sprachunkundigen mit vielen Untertiteln zu tun, die von den beeindruckenden Fotos ablenken, aus denen ein Großteil des Films besteht. Über die meiste Zeit sehen wir Fotografien, schwarz-weiß, deren Geschichten ihr Erschaffer aus dem Off erzählt. Dazu einen zum Zeitpunkt der Aufnahmen Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre jungen Fotografen mit blondem Wuschelkopf und Schnauzer, der eine irritierende optische Ähnlichkeit zu Rüdiger Vogler in Alice in den Städten (1974) aufweist, als der durch die USA reist und lauter Polaroids schießt: „Die Geschichte handelt von Sachen, die man sehen kann. Von Bildern und Zeichen. Wenn man durch Amerika fährt, dann passiert da was mit einem. Durch die Bilder, die man sieht. Und der Grund, warum ich so viele Fotos gemacht habe, ist ein Teil der Geschichte.“ So funktioniert das auch in diesem Film.

Wenders, der gerne mit neuen Methoden der Aufnahmetechnik experimentiert, baut einen halbdurchlässigen Spiegel auf, auf dessen Vorderseite er die Fotos projiziert, die Salgado anschaut und kommentiert.  (Fr.): Le Sel de la Terre (2014) Hinter dem halbdurchlässigen Spiegel steht Wenders' Kamera. Er filmt durch Salgados Fotografien hindurch Salgados Gesicht. Dadurch schaut Salgado gleichzeitig auf seine Fotografien und blickt den Zuschauer direkt an. Wir kommen dem Fotografen irritierend nahe.

Salgado fotografiert Menschen – Flüchtlinge, Stolze, Hungernde, Drohende, Tote, Ängstliche – die uns im Kinosessel von Konflikten und Dramen erzählen, manche davon vor unsere Haustür, von denen wir nichts ahnen wollen, ahnen können, weil sie in der täglichen Flut der Nachrichten untergehen, begleitet von dem Gedanken Schon wieder ein Krieg? Schon wieder Vertreibung, Mord und Totschlag? Hört das denn nie auf? Und dann leitet das heute journal schon zum nächsten Thema über.

Wenders hat Salgado in einer Galerie für sich entdeckt. Ein Foto berührte ihn. Er kaufte es. Später ein zweites. Beide hängen, sagt er, heute über seinem Schreibtisch. Er sieht in Salgado so etwas wie einen Chronisten des Mensch-seins. Und der Mensch, so Wenders, „ist Das Salz der Erde“, frei nach Matthäus 5, 13-16: „Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man's salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. / Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. / Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. / So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ Salgados Bilder zeigen eindrücklich, wie dieses Salz den Planeten versalzt, zur Hölle macht, zu einem production value. Aber dann bricht das Magische durch, das unterschwellig in vielen der gezeigten Aufnahmen schimmert, und übernimmt die Erzählung: Die Erde weiß sich zu wehren.

Dazu verlässt Salgado seine eingeübte und finanziell gut ausgestattete Position als sozialdokumentarischer Fotograf und wechselt vom Mensch und seiner Verheerung zum Rest der Natur, aufgestachelt durch das Farmland seiner Eltern, einst üppiger Urwald, gestern karge Steppe, heute von seiner Frau und ihm wieder aufgeforsteter Wald im Entstehen. Salgado wird klar, wie die Erde tickt und beginnt sein opulentestes Fotoshooting "Genesis" – Bilder einer Welt, die den nächsten Schritt macht, jenseits der selbst ernannten Krone der Schöpfung. Der Planet regeneriert sich. Der Mensch mag aussterben. Der Planet überlebt. Darwins Theorien liefern atemberaubend schöne Bilder.

Anders als in Wenders' erstem Porträtfilm Yamamoto, wo wir dem Subjekt der Betrachtung nicht wirklich näher kommen, kommen wir dem Abenteurer und Menschenfreund Sebastião Salgado in diesem Film, der hauptsächlich aus Standbildern besteht, sehr nahe, lernen einen interessierten, neugierigen, liebenden, zugewandten Menschen kennen, der noch dazu vermag, im richtigen Moment auf den Auslöser zu drücken.

Wertung: 5 von 7 €uro
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