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Plakatmotiv: Lisbon Story (1994)Ää

Zauberhafter Streifzug mit klarer Haltung
durch eine außergewöhnliche Stadt

Titel Lisbon Story
Drehbuch Wim Wenders
Regie Wim Wenders, Deutschland, Portugal 1994
Darsteller

Rüdiger Vogler, Patrick Bauchau, Vasco Sequeira, Canto e Castro, Viriato Jose da Silva, João Canijo, Ricardo Colares, Joel Cunha Ferreira, Sofia Bénard da Costa, Vera Cunha Rocha, Elisabete Cunha Rocha, Teresa Salgueiro, Pedro Ayres Magalhães, Rodrigo Leão, Gabriel Gomes u.a.

Genre Drama, Musik
Filmlänge 100 Minuten
Deutschlandstart
18. Mai 1995
Website wimwendersstiftung.de
Inhalt

Phillip Winter ist Toningenieur und reist nach Portugal, um dort seinem Freund, dem Regisseur Friedrich Monroe dabei zu helfen, einen Film zu drehen. Als Phillip jedoch in Lissabon ankommt, ist Friedrich verschwunden.

Alles, was er vorfindet, ist das Filmmaterial. Dennoch entschließt er sich dazu, in Lissabon zu bleiben und mit der Soundaufnahme des Films anzufangen.

Während seines Aufenthaltes in der Stadt trifft er auf allerhand skurrile Charaktere und verliebt sich in die schöne Sängerin Teresa. Monroe indes ist immer noch in der Stadt und fährt ausgerüstet mit seinem Aufnahmegerät herum, um neue Bilder aufzunehmen.

Schließlich treffen sich die zwei Freunde wieder und Phillip möchte Friedrich nun dazu überreden, den Film fertigzustellen. Aber der hat den Glauben an das Kino verloren …

Was zu sagen wäre

Bilder erzählen keine Geschichten mehr. Bilder verkaufen nur noch!“, klagt Regisseur Friedrich Monroe verzweifelt. Deshalb könne er seinen Film nicht fertigstellen, denn ein Jedes, das man fotografiere, sterbe auf der Stelle. Kurz: Wim Wenders hat einen neuen Film gedreht, für Lissabon anlässlich deren Start als Kulturhauptstadt Europas 1994 – und anlässlich des 100-jährigen Geburtstages, den das Kino im kommenden Jahr feiert. Das klingt kompliziert, verkopft. Ist aber ein sehr schöner, romantischer, emphatischer. strahlender Film über Lissabon, den Zauber des Bildes und, ganz wichtig, den Zauber des Tons.

Wenn Rüdiger Vogler als Philip Winter – Vogler heißt in Wenders' Filmen meistens "Philip Winter", außer in Im Lauf der Zeit, wo er Bruno Winter heißt und in Falsche Bewegung, wo sein Name einfach Wilhelm ist – mit seinem großen Mikrofon durch die Gassen und Hinterhöfe der Stadt streicht, macht Wenders daraus ein optisch aufregendes Kunstwerk in Sounddesign. Wie wichtig der Ton für einen Film ist, zeigt er uns in der Einleitung. Phillip, der Soundmann, trifft auf vier Kinder, die irgendwie mit Regisseur Friedrich zusammenhängen und die sich über den Inhalt des Koffers mit Tonelementen wundern. Plakatmotiv: Lisbon Story (1994) Daraufhin lässt Phillip die Kinder raten, was er für Geräusche produziert. Mit zwei Hälften einer Kokosnuss illusioniert er Pferdegetrappel. Je länger die Ratestunde dauert, desto mehr entfaltet sich vor den Augen der Kinder/Kinozuschauer die Geschichte eines Cowboys, der nach einem langen Tag sich am Lagerfeuer ein Spiegelei brät, als er von einem Puma überrascht wird, flieht und in einen Fluss springt. Das ist eine tolle Szene, weil die Kinder (und wir im Kinosessel) nur Geräusche hören, während sich die Bilder einfach so im Kopf dazugesellen.

Es sind ungesehene Bilder. Solche, wie sie sich Friedrich in seinem finalen Lamento wünscht. Und wie bei einem Buch sind diese unbearbeiteten Bilder in unserer Vorstellung die reine Wirklichkeit. Wenders' Kampf gegen die Windmühlen der Filmindustrie ist nicht vorbei. Er ist gereift, kann seine Klage in kluge und vielschichtige Geschichten einbetten, die mit feinem Humor daherkommen – ohne das Bild kommerziell einzutrüben.

Was für ein Unterschied im Erzähltempo seiner frühen Filme, seinem Hochschulabschluss etwa oder Die Angst des Tormanns beim Elfmeter und heute, 24 Jahre später. In der ersten Einstellung sehen wir eine Tageszeitung, die als Schlagzeile eine Todesanzeige für das Deutsche Fernsehen zeigt, das „nach langer inhaltlicher Auszehrung“ dahin gesiecht sei. Dann steigt ein Mann in sein Auto, fährt durch halb Europa – dabei Wenders' Kamera immer subjektiv durch die Frontscheibe des Autos – bis er kurz vor der portugiesischen Grenze eine fette Panne hat, und wir sehen, der Mann ist Rüdiger Vogler/Phillip Winter, und Sounddesigner für Spielfilme. Bis er in Lissabon ist, braucht der Film nur knapp eine viertel Stunde. Hat da aber schon die Vorzüge des grenzenlosen Europas gezeigt, das Deutsche Fernsehen zu Grabe getragen und die Schönheiten dieses grenzenlosen Europas gezeigt.

Der Film fängt den Charme der Gassen in den alten Vierteln Lissabons ein, besticht durch leisen Humor und eine warme, poetische Atmosphäre. Die Rätsel um Friedrich Monroe und sein Filmprojekt sind nur ein interessantes Gerüst für Wenders' Bilder. Friedrich hat sich verrannt: er wollte einen Film drehen, als ob die ganze Filmgeschichte nie statt gefunden hätte (Wenders' Wunschtraum). Ein Mann alleine in den Straßen, mit einer Handkurbel-Kamera, genau so wie Buster Keaton in "The Cameraman". Nun hofft er, dass Winters Mikrofone seine Bilder „aus der Dunkelheit ziehen“ und sein ganzes Unternehmen noch retten können. Das tun sie auf bezaubernde Weise: Die Filmemacher werden selber wieder zu Kindern.

Wertung: 8 von 10 D-Mark
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