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Plakatmotiv: Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1972)

Wim Wenders verweigert sich einer
künstlichen Spannungsdramaturgie

Titel Die Angst des Tormanns beim Elfmeter
Drehbuch Wim Wenders & Peter Handke
nach der gleichnamigen Erzählung von Peter Handke
Regie Wim Wenders, BRD, Österreich 1972
Darsteller

Arthur Brauss, Kai Fischer, Erika Pluhar, Libgart Schwarz, Marie Bardischewski, Michael Toost, Bert Fortell, Edda Köchl, Mario Kranz, Ernst Meister, Rosl Dorena, Rudi Schippel, Monika Poeschl, Sybille Danzer, Rüdiger Vogler u.a.

Genre Drama
Filmlänge 101 Minuten
Deutschlandstart
19. Februar 1972 (TV-Erstaufführung)
Website wimwendersstiftung.de
Inhalt

Der Tormann Josef Bloch wird bei einem Auswärtsspiel seiner Mannschaft in Wien wegen eines Fouls vom Platz geschickt. Das wirft ihn aus der Bahn.

Er irrt durch die fremde Stadt, verbringt die Nacht mit einer Kinokassiererin und erdrosselt sie am nächsten Morgen, beinahe beiläufig. Weil sie ihm auf die Nerven ging?

Statt sich zu stellen oder zu fliehen, fährt Bloch nach der Tat zu einer alten Freundin aufs Land und wartet dort auf seine Verhaftung durch die Polizei …

Was zu sagen wäre

Das Leben findet statt. Es bleibt ereignisarm. Wim Wenders, eben von der Hochschule für Fernsehen und Film in München gekommen, verfilmt für sein erstes Projekt als freier Regisseur den Text von Peter Handke, den er werkgetreu umgesetzt hat. So unstrukturiert der Text von Handke, so rätselhaft ist der Film, der in der authentischen Kulisse des Burgenlandes einem Tormann folgt, der die rote Karte bekommen hat, also vom Spielfeld gestellt wurde, weil er den Schiedsrichter geschubst hat, die höchste Autorität auf dem Spielfeld, und der später eine Frau tötet, ohne darüber nachzudenken. Im Sport reicht ein Schubsen, um rausgeschmissen zu werden. Im Leben außerhalb des Spielfeldes reicht ein Mord dafür nicht.

Der Tormann neigt zu Jähzorn. Einmal zettelt er in einer Gastwirtschaft eine Schlägerei an. Richtig nah kommt er uns nicht. Wirkt er wie ein Monster, nachdem er die Kinokassiererin getötet hat? Nein! Sorgen wir uns um ihn, weil die Polizei ihm offenbar immer näher kommt, ein Umstand, den uns Zeitungsüberschriften verraten? Nein! Dieser Tormann stromert ziellos durch die Gegend, trinkt Bier, guckt, ob er Frauen rumkriegt, was nur einmal klappt und tödlich endet, und hängt ansonsten bei einer Freundin von früher ab. Ins Fußballtor muss er momentan nicht wegen, wie es erwähnt wird, einer Verletzung.

Gegen Wenders' Film wirkt Godards A baut de souffle, der vor elf Jahren entstand und manche Ähnlichkeit zu "Die Angst des Tormanns …" aufweist, wie ein Actionfilm. Trifft der stromernde Sportler auf einen alten Mann, der hinter dem Schulgebäude Holz hackt, entspinnt sich ein wirklichkeitsferner Dialog über die schlechte Bildung der Jugend. Plakatmotiv: Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1972) Ein Polizist, mit dem er sich in regnerischer Nacht einen Schirm teilt, erzählt ihm über die Schwierigkeiten, die sich bei der Verfolgung eines Täters ergeben. Schwierigkeiten, die ein Tormann ähnlich kennt, wenn ein Schütze zum Elfmeter anläuft. Die Reaktion des verfolgenden Polizisten, die Reaktion des Tormanns sind Ausdruck einer Intuition. Vielleicht fangen sie den Täter/Ball, vielleicht aber auch nicht. Leben und Spiel gehen so oder so weiter. So bleibt am Ende auch offen, ob der Mörder der Kinokassiererin gefasst wird oder nicht.

Es muss ein Drehbuch gegeben haben. Im Abspann steht, Peter Handke habe die Dialoge für das Drehbuch beigesteuert, die in der Tat so wirklichkeitsfremd sind, wie seine Romanvorlage langweilig. Der Film immerhin kann mit seinen Bildern punkten. Die Außenaufnahmen sind, Wenders ist ein Freund der französischen Nouvelle Vague, superb; schauspielerische Leistungen nicht nachweisbar. "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" tut in jeder Minute seinen Willen kund, anders sein zu wollen, als das amerikanische Kino aus Hollywood. Der Film verweigert sich dramatischer Zuspitzung, vermeidet Tempo und auch eine klar umrissene Geschichte, also die DNA des amerikanischen Kinos. In Wenders' Film läuft etwa der US-Cop-Thriller Nur noch 72 Stunden – mit Richard Widmark, Henry Fonda und einer dramatischen Geschichte – nur im Hinterzimmer einer Gastwirtschaft auf einer aufgespannten Leinwand.

Wenders, der seinen Erstling im frisch gegründeten Filmverlag der Autoren heraus bringt, geht betont einen anderen Weg im Kino. Morde passieren auch hier. Aber sie passieren halt, ohne dass dann weiter viel passiert. Keine Dramatisierung, keine künstlich erzeugte Spannung soll den Lebenslauf seines Films stören, die Männer spielen Flipper, bedienen die Jukebox und trinken Bier..

Wertung: 2 von 8 D-Mark
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