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Plakatmotiv: Nur noch 72 Stunden (1968)

Ein überraschendes Cop-Drama

Titel Nur noch 72 Stunden
(Madigan)
Drehbuch Howard Rodman & Abraham Polonsky
nach dem Roman "The Commissioner" von Richard Dougherty
Regie Donald Siegel, USA 1968
Darsteller
Richard Widmark, Henry Fonda, Inger Stevens, Harry Guardino, James Whitmore, Susan Clark, Michael Dunn, Steve Ihnat, Don Stroud, Sheree North, Warren Stevens, Raymond St. Jacques, Bert Freed, Harry Bellaver, Frank Marth u.a.
Genre Crime
Filmlänge 101 Minuten
Deutschlandstart
13. März 1969
Inhalt

Die New Yorker Polizeibeamten Dan Madigan und Rocco Bonaro dringen frühmorgens in eine Wohnung ein. Sie treffen den Kriminellen Barney Benesch im Bett mit einem jungen Mädchen an und wollen ihn zum Verhör auf ein benachbartes Polizeirevier mitnehmen. Madigan und Bonaro wissen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass der Psychopath bereits wegen Raubmords gesucht wird.

Benesch kann mit Hilfe seiner Gespielin die Polizisten ablenken und flüchten. Als kurz darauf der oberste Vorgesetzte der beiden Detektive, Police Commissioner Anthony X. Russell, von der misslungenen Aktion erfährt, gibt er ihnen 72 Stunden Zeit, um Benesch zu verhaften. Der geflohene Mörder ist indes nicht Russells einziges Problem; seine junge, verheiratete Geliebte will sich von ihm trennen, Chief Inspector Kane ist der Bestechlichkeit verdächtig, und ein bekannter schwarzer Pfarrer bezichtigt die Polizei rassistischer Gewaltausübung gegen seinen Sohn.

Plakatmotiv: Nur noch 72 Stunden (1968)Im Folgenden versuchen die unter den Druck der Polizeihierarchie geratenen Beamten ihren schweren Auftrag zu erfüllen. Rastlos grasen sie den Stadtdschungel nach Informationen ab. Erschöpft sucht Madigan einen Nachtclub auf und findet wenigstens kurze Zeit Trost durch Alkohol und den Zuspruch einer alten Freundin. Madigans weit jüngere Ehefrau Julia, ebenso gelangweilt wie anspruchsvoll, bereitet ihm zunehmend Probleme. Dagegen führt der impulsive, aber disziplinierte Bonaro eine glückliche Ehe mit Frau und Kindern.

Madigan wird von seiner Frau bedrängt, mit ihr zu einer Party von Polizeioffizieren zu gehen. Am Eingang des Hotels läuft er prompt Russell über den Weg, was seine Lage nicht erleichtert. Er vermittelt seine Frau einem unverheirateten Kollegen als Tanzpartnerin und macht sich wieder auf die Suche nach Benesch. Der hat mit Madigans Revolver einen Streifenpolizisten erschossen, der ihn auf der Straße anhalten wollte …

Was zu sagen wäre

Donald Siegel gibt dem harten Großstadt-Cop ein menschliches Gesicht. Die Geschichte, die sein Film erzählt, ist vordergründig die einer Jagd auf einen gefährlichen Killer, der dem Titelheld durch die Finger geschlüpft ist. Dass diese Jagd dramaturgisch nicht so recht vorankommt, liegt daran, dass Siegel einen anderen Fokus hat.

Sein Cop-Drama ist das Portrait eines unmöglichen Jobs. Siegel zeigt Cops, die rund um die Uhr im Einsatz sind, zwischendurch auf Feldbetten im Revier schlafen, ihre Familien nur mal kurz zwischen Nachtschicht und Schulbeginn der Kinder sehen.

Plakatmotiv (US): Madigan – Nur noch 72 Stunden (1968)Der Polizeichef, melancholisch-würdevoll verkörpert von Henry Fonda (Spiel mir das Lied vom Tod – 1967; Höchster Einsatz in Laredo – 1966; Die Panzerschlacht in den Ardennen – 1965; Das war der Wilde Westen – 1962; Der längste Tag – 1962; Sturm über Washington – 1962; Der Stern des Gesetzes – 1957; Die 12 Geschworenen – 1957; Der falsche Mann – 1956; Krieg und Frieden – 1956; "Bis zum letzten Mann" – 1948; Faustrecht der Prärie – 1946; Ritt zum Ox-Bow – 1942; Rache für Jesse James – 1940; Früchte des Zorns – 1940; Trommeln am Mohawk – 1939; Der junge Mr. Lincoln – 1939; Jesse James – Mann ohne Gesetz – 1939), muss sich zwischen Sandkasten-Freundschaft und möglicher Korruption entscheiden, sein Chief hat sich angreifbar gemacht wegen 3000 Dollar – war nicht schwer für einen Gauner, der weiß, wie unterbezahlt die Cops sind.

Während die Rahmenhandlung so vor sich hin plätschert, Madigan und sein Partner durch die Stadt fahren und Spitzel ausquetschen, entfaltet sich das Bild einer Behörde, die unter den Argusaugen der Skandalpresse agiert, deren Mitarbbeiter so schlecht bezahlt werden, dass sie mit einem Bein immer im Gefängnis stehen und immer einsam bleiben. Der Police Commissioner, dessen Frau früh verstorben ist, ist mit der verheirateten Geliebten ebenso einsam wie Cop Madigan, dem Richard Widmark seine zu kantigen Züge leiht (Der Weg nach Westen – 1967; Cheyenne – 1964; Das war der Wilde Westen – 1962; Urteil von Nürnberg – 1961; Zwei ritten zusammen – 1961; Alamo – 1960; Der Garten des Bösen – 1954; Okinawa – 1951), der seine Ehefrau dauernd sitzen lassen muss und sie in die Arme anderer Männer treibt. Nur sein Partner Rocky lebt ein glückliches Familienleben, zumindest zwischen Nachtschicht und Schulbeginn der Kinder.

Unter Don Siegels Regie bekommen die Cops menschliche Züge. Aus den harten Männern werden Getriebene, die es immer falsch machen. Machen sie ihren Job gut, leidet die Familie. Sind sie gute Familienväter, schießen Kriminelle in den Straßen. Und ihre besten Freunde sind Penner und Säufer, die die Straßen rund um die Uhr im alkoholisierten Blick haben.

Siegels Film legt schonungslos offen, woran die moderne Gesellschaft krankt. Dass darunter die Dramaturgie leidet, fällt kaum ins Gewicht. Beim anschließenden Gespräch in der Kneipe braucht der Kinogänger da schon einmal etwas länger, um das aufzuarbeiten.

Wertung: 6 von 8 D-Mark
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