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Plakatmotiv: Krieg und Frieden (1956)

Audrey Hepburn dominiert
ein monumentales Epos 

Titel Krieg und Frieden
(War and Peace)
Drehbuch Bridget Boland & Robert Westerby & King Vidor & Mario Camerini & Ennio De Concini & Ivo Perilli & Gian Gaspare Napolitano & Mario Soldati
nach dem gleichnamigen Roman von Leo Tolstoi
Regie King Vidor, USA, Italien 1956
Darsteller

Audrey Hepburn, Henry Fonda, Mel Ferrer, Vittorio Gassman, Herbert Lom, Oskar Homolka, Anita Ekberg, Helmut Dantine, Tullio Carminati, Barry Jones, Milly Vitale, Lea Seidl, Anna Maria Ferrero, Wilfrid Lawson, May Britt u.a.

Genre Drama, Romantik
Filmlänge 208 Minuten
Deutschlandstart
8. Februar 1957
Inhalt

Russland, eingangs des 19. Jahrhunderts: Andrei Bolkonski und Pierre Besuchow, beide Mitglieder der Moskauer Adelsschicht, sind Freunde. Pierre, der einzige, aber uneheliche Sohn eines russischen Grafen, kann den richtigen Weg seines Lebens nicht finden und frönt Trunk und Glücksspiel. Auch Andrej ist nicht glücklich: Obwohl mit einer der begehrenswertesten Frauen Moskaus verheiratet, empfindet er ihre Anhänglichkeit und die ständigen gesellschaftlichen Verpflichtungen als lästig und fühlt sich in seinen Entwicklungsmöglichkeiten behindert. Darum ist für ihn der anstehende Krieg gegen Napoléon Bonaparte die ersehnte Möglichkeit auszubrechen. Er zieht als Offizier mit der russischen Armee nach Österreich, Napoleon und seinen Truppen entgegen. In der Schlacht bei Austerlitz begegnet er dem berühmten Herrscher das erste Mal.

Pierre, dessen Vater mittlerweile verstorben ist und ihm sein ganzes Vermögen hinterlassen hat, verbringt viel Zeit bei der lebensfrohen Moskauer Familie Rostow. Die jüngste Tochter, die jugendlich lebenslustige Natascha, hegt besondere Gefühle für Pierre, die sich zwar in Gegenseitigkeit, jedoch zunächst nur in Freundschaft ausdrücken. Pierre heiratet die junge, schöne Elena Kuragin. Doch diese Ehe erweist sich schon bald als schwerer Fehler, da sie ihn nur seines Geldes wegen gewählt hat und ihn mit dem leichtlebigen Dolochow betrügt. Nach einem Duell mit Dolochow trennt sich Pierre von Elena, allerdings wird die Ehe nicht geschieden. Auch Andrei ist wieder allein: Seine Frau ist bei der Geburt seines Sohnes verstorben. Während er als Gast auf dem Landsitz der Familie Rostow weilt, verliebt er sich in Natascha und sie sich in ihn. Doch nach dem Willen von Andreis störrischem und griesgrämigem Vater dürfen sie erst nach einem Jahr heiraten, damit sie die Richtigkeit ihrer Verbindung überdenken. Andrej reist mit der Friedenskommission nach Tilsit.

Derweil verdreht Elena Kuragins Bruder Anatol, ein berüchtigter Herzensbrecher, Natascha den Kopf. Da er dafür kein Verständnis von ihrer Familie erhoffen kann, will er heimlich mit ihr fliehen und gibt vor, sie heiraten zu wollen. Pierre kann die Aktion jedoch verhindern und veranlasst Anatol aus Moskau zu verschwinden. Natascha hat zuvor bereits in einem Brief an Andrejs Schwester die Verlobung gelöst, was Andrej schwer getroffen hat.

Bonaparte, der an der Grenze zu Russland steht, weist die Bitte des Zaren um Rückzug zurück und fällt in Russland ein

       Plakatmotiv: Krieg und Frieden (1956)

Was zu sagen wäre

Leo Tolstois ziegelsteindicken Roman "Krieg und Frieden" in einen Kinofilm zu pressen, ist unmöglich; dafür ist er zu umfangreich. King Vidor (Mit stahlharter Faust – 1955; Duell in der Sonne – 1946) hat dreieinhalb Stunden Zeit, um das Epos über die Mitglieder der Familien Rostow, Bolkonski und Kuragin während der Zeit der napoleonischen Kriege zu erzählen. Er macht das Beste draus, konzentriert sich auf die Essentials.

Im Mittelpunkt des Films steht die junge, lebenslustige Natascha, für die das Ärgerlichste des Kriegs darin besteht, dass Männer sich in schmucke Uniformen werfen dürfen, während Frauen untätig daheim herumsitzen müssen. Im Übrigen ist sie der Auffassung, dass sie niemals heiraten wird, denn heiraten, das sei wie eine Kapitulation. Vom Ernst des Lebens, den Grauen des Krieges weiß sie nichts. Am Ende des Films wird sie das Kommando über die Familie im nun zerstörten Haus übernehmen. „Er war der erste Mensch in meinem Leben, der mich abgelehnt hat. Ich glaube, man ist nicht erwachsen, bevor man das nicht erfahren hat.“ Man kann Natascha auf der Leinwand dabei zusehen, wie sie vom Backfisch zur erwachsenen jungen Frau heranreift, ohne, dass die Maske künstliche Falten schminkt. Natascha ist immer Audrey Hepburn, die Geheimwaffe des Films (Sabrina – 1954; Ein Herz und eine Krone – 1953). Ungefähr zur gleichen Zeit wollten auch die MGM-Studios den Stoff verfilmen, aber als Produzent Dino De Laurentiis Andre Hepburn unter vertrag hatte, gab MGM auf. Hepburn erweist sich als die perfekte Besetzung, wenn auch als junger Backfisch etwas zu alt und als Erwachsene noch zu sehr klimperndes Großauge.

Die Besetzung legt insgesamt nicht zu viel Gewicht auf Schauspielerei. Der Film gehört zur Kategorie der Monumental- oder Epos-filme, in denen mit 10.000 Statisten und ordentlich Kanonendonner Schlachten nachgespielt werden. Da passiert es häufiger, dass die durchs Bild philosophierenden Figuren ähnlich monumental daherreden, wie Charlton Heston gerade in den Zehn Geboten. Wenn zwei Freunde durch eine laue Sommernacht aus der Kneipe nach Hause spazieren, sagen sie nicht Geiler Abend, sondern sie theoretisieren über die Frage, ob Krieg nicht den Charakter mehr fördere als das Leben eines Ehemannes. Plakatmotiv: Krieg und Frieden (1956) Andrej Bolkonski, der Mann, in den sich Natascha so schmerzvoll verliebt, hält es schon nicht mehr zu Hause aus, als er noch mit der liebreizenden Lisa verheiratet ist, die das erste gemeinsame Kind erwartet.

Beim Spaziergang im lauen Abendlicht klagt er seinem Freund Pierre, dass er der Gattin Anhänglichkeit und die ständigen gesellschaftlichen Verpflichtungen als lästig empfinde, weil er sich in seinen Entwicklungsmöglichkeiten behindert fühle. Pierre, ein Zyniker, Intellektueller und Trinker, entgegnet, er leide darunter, dass sein Vater, der vermögende Graf, ihn nicht als seinen Sohn anerkannt habe und er deshalb nicht wisse, wofür er sich einsetzen solle. Männergespräche klingen auch im vor-napoleonischen Moskau anders, aber nach diesem Gespräch können wir beiden Herren, die wichtige Rollen in Nataschas Leben einnehmen werden, dabei zusehen, wie sie an ihrem erträumten Leben scheitern werden, und darum geht es im Eposkino: übergroße Menschen erleiden übergroße Dramen auf der übergroßen Vistavision-Leinwand. Und diese Leinwand brennt.

Wunderschöne Bälle mit tanzenden Frauen in eleganten Kleidern und Männern in glänzenden Uniformen, explodierende Landschaften mit Schlachten, so weit das Auge reicht, strahlende Paläste, verschwenderisch gestaltete Kostüme, das brennende Moskau. Der Film lebt von seinen großen Schauwerten und von Audrey Hepburn. Um sie zu bekommen, gab De Laurentiis Hepburns Ehemann Mel Ferrer (Die Ritter der Tafelrunde – 1953) die Rolle des Andrej. Den wollte zwar King Vidor nicht, fügte sich aber in das Unvermeidliche und so verliebt sich die dauernd lachende, umherspringende Natascha nun in einen Mann ohne Esprit, dessen hölzernes Spiel nur deshalb nicht stört, weil es in den großen Bildern untergeht und er sich im Zusammenspiel mit der lebenslustigen Natascha – Gegensätze sehen sich an – tatsächlich ergänzt.

Die andere wichtige Männerrolle, Pierre, spielt Henry Fonda ("Bis zum letzten Mann" – 1948; Faustrecht der Prärie – 1946; Ritt zum Ox-Bow – 1942; Rache für Jesse James – 1940; Früchte des Zorns – 1940; Trommeln am Mohawk – 1939; Der junge Mr. Lincoln – 1939; Jesse James – Mann ohne Gesetz – 1939). Fonda, Jahrgang 1905, ist 34 Jahre älter als Audrey Hepburn, gibt seinem Pierre aber die Aura eines herangereiften Mannes ohne Alter, heißt: Ein Altersunterschied ist erkennbar. „Wenn ein Mann einmal über 30 ist“, sagt Prinz Bolkonski, „dann wird das Leben für ihn bitter. Und hoffnungslos!“ Der Altersunterschied stört aber nicht. Vielleicht aus Gewöhnung. Es gehört in Hollywood zum fragwürdigen Ton, alte Schauspieler mit viel jüngeren Schauspielerinnen vor die Kamera zu stellen. „Sie sind wie unser Haus“, sagt Natascha zu Pierre. „Sie haben vieles erlitten. Sie haben Wunden davon getragen. Aber Sie stehen.

Der Film ist mit großem Aufwand, aber ohne dramaturgische Finesse inszeniert. Die sechs Millionen Dollar, die er gekostet hat, sieht man ihm an. Entstanden ist ein großes, etwas zu glatt inszeniertes Epos ohne dramaturgische Finesse über Sehnsüchte, Träume, Schuld und Sühne großbürgerlicher Familien, die erst lernen, dass auch der einfache Bauer ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft ist.

Eingespielt an den Kinokassen weltweit hat der Film ungefähr 22 Millionen Dollar.

Wertung: 6 von 7 D-Mark
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