Die Fotografin Anna lernt bei einem Fotoshooting den Schriftsteller Dan kennen, der einen Roman über das Leben seiner Freundin und ehemaligen Stripperin Alice geschrieben hat und dafür fotografiert werden soll. Als er versucht, Anna zu küssen, hat diese Bedenken und weicht zurück.
Dan, der unzufrieden mit seiner jetzigen Beziehung ist und sich zurückgewiesen fühlt, arrangiert ein Treffen in einem Erotik-Chat zwischen Anna und dem Dermatologen Larry im Zoo. Die beiden verstehen sich tatsächlich gut und heiraten nach einiger Zeit. Doch das Glück ist nicht von Dauer, Anna beginnt eine Affäre mit Dan, und Alice und Larry kommen sich ebenfalls näher …
Liebesgeschichten im Kino funktionieren nicht mehr. Im Parkett sitzt da zu viel Alltagspragmatismus versammelt, als dass auf der Leinwand noch so eine Art Doris-Day-Rock-Hudson-Liebelei funktionieren würde. Alle wissen, dass Liebe nur der Anfang ist, der Rest dann Arbeit. Deswegen hören die selten gewordenen RomComs auch auf, wenn er – meistens ist er es – sich nackig gemacht hat, seine Liebe offenbar art hat – und das vor einer mögliche unüberschaubar großen Menschenmenge. Hach, ist das schon. Dann kommt der Abspann.
Der Film "Closer", dessen Drehbuch Patrick Marber nach seinem eigenen Bühnenstück geschrieben hat, funktioniert anders. Im Kinosessel erleben wir Liebesgeschichten an ihren empflndlichsten Punkten, ihrem Beginn und ihrem Ende. Fünf Mal. Dan verliebt sich in Alice. Dan verliebt sich in Anna. Anna verliebt sich in Larry. Anna und Dan beginnen ein Verhältnis. Dan verlässt Alice. Larry stürzt ab. Alice strippt. Anna kehrt zu Larry zurück. Dann kehrt zu Alice zurück. Alice verlässt Dan. Den Dialogen entnehmen wir hier und da, dass ein Jhr, dass ein paar Monate vergangen sind, in denen eine der Beziehungen gelebt wurde, die gerade wieder zu Ende geht.
Wir erleben also andauernd Menschen, zwei Frauen zwei Männer, in Ausnahmesituationen. Alice ist noch relativ jung, Mitte 20, die andere, Anna, im, wie man wohl sagt, besten Alter. Die beiden Männer … Dan ist ein Autor ohne Biss und Traumtänzer, Larry ein erfolgreicher Hautarzt und Macho. Warum die beiden Frauen an diesen beiden Männern hängen, bleibt unklar und das ist auch nachvollziehbar: Drehbuchautor und Regisseur sind Männer. Ihr Blick kommt aus der männlichen Richtung.
Die Männer geben kein gutes Bild ihres Geschlechtes ab. Larry redet dauernd vom Ficken, Dan leidet darunter, dass seine jeweilige Prinzessin auch mal einen anderen Mann in sie hinein gelassen hat und zerbricht schließlich daran. Früher sagte man: Die Frauen wollen immer den Piraten, nicht den Gentleman. Wenn sie den Piraten dann an der Angel haben, versuchen sie, ihn zu erziehen, und wenn sie ihn erzogen haben, langweilt er sie, weil er kein Pirat mehr ist. Diesem Klischee in etwa folgt der Film. Der Softie verliert sich in der harten Wirklichkeit zwischen Eros und Romantik – er kann sich nicht entscheiden: hat er Alice, will er Anna, hat er Anna, vermisst er Alice, wo Erfolg im Job auch mal Härte erfordert, versagt Dan. Larry nimmt sich, was er haben will. Und wenn er sie nicht bekommt, beschimpft er die Frauen unflätigst.
Den romantischen Dan spielt Jude Law, good looking guy of the season (Sky Captain and the World of Tomorrow – 2004; Unterwegs nach Cold Mountain – 2003; Road to Perdition – 2002; A.I.: Künstliche Intelligenz – 2001; Duell – Enemy at the Gates – 2001; Der talentierte Mr. Ripley – 1999; eXistenZ – 1999; Mitternacht im Garten von Gut und Böse – 1997; Gattaca – 1997). Er gibt den Romantiker, der mit Blicken verführt, hinreißend. Und macht den Loser mit erbarmungswürdiger Blödheit glaubhaft. Den charmanten Womanizer gibt Clive Owen ("King Arthur" – 2004; Die Bourne Identität – 2002; Gosford Park – 2001; "Greenfingers – Harte Jungs & zarte Triebe" – 2000). Mit seinen harten Gesichtszügen und einem, wenn erforderlich, süßen Dackelblick, der gleich in zornigen Feuerblick Switches kann, nimmt man ihm das Abkippen in rüden Tonfall sofort ab; dieser Larry kriegt, was er will, und wenn er am Boden liegt, wird er unappetitlich.
Natalie Portman spielt ihre Stripperin Alice mal als kleines, Schutzbefohlenes Mädchen, mal als coolen Vamp. Da zeigt sie eine große Bandbreite – größer als das ihre bisherigen Rollen zugelassen haben (Unterwegs nach Cold Mountain – 2003; Zoolander – 2001; Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung – 1999; Mars Attacks! – 1996; Alle sagen: I love you – 1996; Heat – 1995; Léon: Der Profi – 1994).
Und dann ist da Julia Roberts (Mona Lisas Lächeln – 2003; Geständnisse – Confessions of a Dangerous Mind – 2002; Ocean's Eleven – 2001; America's Sweethearts – 2001; Erin Brockovich – 2000; Die Braut, die sich nicht traut – 1999; Notting Hill – 1999; Seite an Seite – 1998; Fletchers Visionen – 1997; Die Hochzeit meines besten Freundes – 1997; Alle sagen: I love you – 1996; Michael Collins – 1996; Mary Reilly – 1996; Power of Love – 1995; Prêt-à-Porter – 1994; I love Trouble – 1994; Die Akte – 1993; The Player – 1992; Hook – 1991; Entscheidung aus Liebe – 1991; Der Feind in meinem Bett – 1991; Flatliners – 1990; Pretty Woman – 1990; Magnolien aus Stahl – 1989; Pizza, Pizza – Ein Stück vom Himmel – 1988).
Seit Roberts für ihre Erin Brockovich (2000) den Oscar als beste Schauspielerin erhalten hat, hat sie sich freigespielt. Ihre Rollen sind nicht mehr die der schönen, lieblichen Prinzessin mit hohem Hach-Faktor. Heute spielt sie in der George-Clooney-Liga – cool, sophisticated – und sucht sich ihre Rollen aus – die kolportierten Zeiten der kleinen, psychisch angeschlagenen Pretty Woman sind vorbei. Als Fotografin Anna bewegt sie sich meist in Alltagsklamotten, ist mehr oder weniger ungeschminkt. Sie ruht in sich selbst, strahlt souveräne Ruhe, sehr attraktiv. Dass sie mal in den Traumtänzer, mal in den Macho verliebt ist, unterstreicht ihre Souveränität. In Sachen Männer wägt Anna kühl ihre Vorteile ab und gibt sich dem Erwählten dann ganz hin. Stripperin Alice ist zu jung, um den mittelalten Macho Larry zu mögen, als Stripperin nähert sie sich ihm professionell.
Mike Nichols, der Regisseur, ist seit 1966 im Geschäft und kennt die Fallstricke, die Männer und Frauen sich gegenseitig legen (Mit aller Macht – 1998; The Birdcage – 1996; Wolf – Das Tier im Manne – 1994; In Sachen Henry – 1991; "Grüße aus Hollywood" – 1990; Die Waffen der Frauen – 1988; Sodbrennen – 1986; "Silkwood" – 1983; Die Kunst zu lieben – 1971; Catch 22 – Der böse Trick – 1970; Die Reifeprüfung – 1967; Wer hat Angst vor Virginia Woolf? – 1966). Er bringt die erotischen Verstrickungen der vier Protagonisten in ruhigen Bildern mit wenig Score auf die Leinwand und führt sie ruhig von Höhepunkt zu Höhepunkt.
Man braucht das Script mit seinen holprigen Klischeefallen hier und da nicht großartig zu finden, um doch den Film gerne sehen zu wollen. Denn das ist er: sehenswert.