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Plakatmotiv: Die Akte (1993)

Die Verfilmung eines Bestsellers mit
eleganten Bildern und Erklär-Dialogen

Titel Die Akte
(The Pelican Brief)
Drehbuch Alan J. Pakula
nach dem gleichnamigen Roman von John Grisham
Regie Alan J. Pakula, USA 1993
Darsteller
Julia Roberts, Denzel Washington, Sam Shepard, John Heard, Tony Goldwyn, James Sikking, William Atherton, Robert Culp, Stanley Tucci, Hume Cronyn, John Lithgow, Anthony Heald, Nicholas Woodeson, Stanley Anderson, John Finn u.a.
Genre Crime, Drama
Filmlänge 141 Minuten
Deutschlandstart
10. März 1994
Inhalt

In Washington D.C. werden in der gleichen Nacht zwei Mitglieder des Obersten Gerichtshofes ermordet. Der uralte Richter Rosenberg und sein jüngerer Kollege Jensen, scheinbar ohne Motiv oder Verbindung.

An der Tulane-Universität in New Orleans steht der Juraprofessor Thomas Callahan ebenfalls vor einem Rätsel. Er hatte unter Rosenberg gelernt. Nur die Jurastudentin Darby Shaw, die gleichzeitig seine Freundin ist, zieht aus den spärlichen Nachrichten und nach langer Recherche einige Schlüsse. Diese fasst sie als die "Pelikan-Akte" zusammen. Callahan ist begeistert von den Nachforschungen und leitet sie an einen Freund beim FBI weiter.

Fletcher Coal, der Stabschef des Weißen Hauses macht seinem Präsidenten das Problem klar: Da in nächster Zeit Neuwahlen anstehen, heißt es jetzt für den Präsidenten, alle, die etwas über diese "Pelikan-Akte" wissen, zum Schweigen zu bringen. Darby hat mit ihren Vermutungen ins Schwarze getroffen – nur knapp entkommt sie einem Mordanschlag, bei dem Thomas ums Leben kommt. Auf der Flucht vor ihren Verfolgern erhält Darby Unterstützung von dem Reporter Gray Grantham, mit dem sie der Verschwörung auf den Grund geht …

Was zu sagen wäre

Gerade erst ist die John-Grisham-Verfilmung Die Firma im Kino, da kommt schon die nächste Verfilmung eines Romans des juristisch geprägten Bestsellerautors. Und auch hier wieder punktet die Produktion mit Topstars auf der Besetzungsliste: nach Tom Cruise als Anwalt, der unter Gene Hackman in eine Geldwaschanlage der Mafia gerät sind es hier Julia Roberts und Denzel Washington, die einer sehr komplexen politischen Verschwörung zwischen Louisiana und Washington D.C. nachspüren.

Der Plot ist nicht Hollywood-like. Man kann ihn nicht in zwei griffigen Sätzen aufs Filmplakat packen, ihr Ausgangspunkt ist der Mord an zwei Richtern des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten und der Film wird in seinen zwei Stunden fünfzehn Minuten auch erklären müssen, was diese Richter von Richtern, wie wir sie kennen, die in einem Gerichtssaal sitzen und Urteile sprechen, unterscheidet.

John Grisham hat in seinem Roman einen sehr langfristig angelegten Mordplan entwickelt, der so aussieht, als habe ihn ein sehr cleverer Student extra dafür entworfen, nämlich um die Wichtigkeit dieser Obersten Gerichtshof-Richter zu erläutern: Ein schwer reicher Ölmagnat will ein Landschaftsschutzgebiet erschließen, weil er dort Ölvorkommen vermutet, die ihm Milliarden Dollar einbringen können. Plakatmotiv (US): The Pelican Brief – Die Akte (1993) Er darf das Gebiet aber nicht kaufen. Das verbieten ihm die Gerichte bis in die höchsten Instanzen. Nun könnte der Fall in etwa zwei Jahren vor dem Obersten Gerichtshof landen. Die Mitglieder dieses Obersten Gerichtshofes ernennt der Präsident der Vereinigten Staaten, momentan ein Freund des reichen Ölmagnaten. Weil der Präsident aber vielleicht in zwei Jahren nicht mehr im Amt ist und zumindest einer der Richter ein sehr hohes Alter erreicht und sich zudem schon früher als Sympathisant der Umweltbewegung zu erkennen gegeben hat, möchte man erreichen, dass noch der amtierende (wohlgesonnene) Präsident gleich zwei der Umwelt nicht gar so zugeneigte Richter beruft – damit die dann im Sinne des reichen Ölmagnaten entscheiden.

So ein Plot lässt sich in einem Roman vielfarbig, lebendig, zynisch, spannend und immer mit dem Atem-anhalt-Faktor erzählen. Das nennt die Buchbranche dann Pageturner. Der Regisseur, der derlei für die große Leinwand verfilmt, steht vor dem Problem, dort ein sehr kleinteiliges Komplott aufzudröseln, und Schießereien in Parkhäusern und explodierende Autos nicht allzu sehr nach Kolportage-Klamotte aussehen zu lassen. Alan J. Pakula kriegt das ganz gut hin. Er hat Erfahrung im Genre des Paranoia-Thrillers (Aus Mangel an Beweisen – 1990; "Sophies Entscheidung" – 1982; Die Unbestechlichen – 1976; "Zeuge einer Verschwörung" – 1974; "Klute" – 1971). "Die Akte" erinnert sehr an Paulas Meisterstück All the President's Men, in dem viel am Telefon recherhiert wird. Das passiert auch hier.

Auch in "Die Akte" haben wir Talking Heads, die Zusammenhänge erklären und dadurch die Handlung vorantreiben. Pakula verteilt aber geschickt seine Nebenfiguren so auf dem Schachbrett seines Thrillers, dass der ordentlich Schauwerte bekommt – Verfolgungen, Schießereien, Straßenfeste in New Orleans, Demonstranten mit Pappschildern vor dem Capitol. So werden die politisch-juristischen Spitzfindigkeiten eingebettet in die Welt, die wir aus den Fernsehnachrichten kennen – und plötzlich erscheint einem die Handlung, so weit hergeholt sie anfangs schien, plausibel genug, um in einem Kinosessel mit den Protagonisten zu fiebern.

Der größte Stolperstein bleibt jener, der schon im Roman das Gehirn zum Stolpern brachte, der aber gleich am Anfang steht und also bald im Strudel der Verwirrnisse in Vergessenheit gerät: Was motiviert eine junge Studentin, sich tagelang ins Archiv zu verkriechen, um dann eine so plausible – dass sie lebensgefährlich wird – Theorie über die Motive am Mord zweier Oberster Richter zu präsentieren? Diese Studentin, im Film Julia Roberts (The Player – 1992; Hook – 1991; Entscheidung aus Liebe – 1991; Der Feind in meinem Bett – 1991; Flatliners – 1990; Pretty Woman – 1990; Magnolien aus Stahl – 1989; Pizza, Pizza – Ein Stück vom Himmel – 1988), hat ein leidenschaftliches Liebesverhältnis mit ihrem Jura-Professor – eine romantic fantasy, wie sie Autoren in den 80er Jahren noch vielfach verbreiten. Dieser Jura-Professor war einst Assistent des einen ermordeten Richters und Fan eines Journalisten der Washington Post (im Film des Washington Herald), so fügen sich Leidenschaft für die Recherche und der richtige Ansprechpartner in Notlagen zusammen. Aber dass niemand sonst diese Recherche führt, wo doch immerhin zwei der höchsten Repräsentanten des Staates höchst unappetitlich ermordet wurden? Das ist aber eher ein Punkt gegen John Grisham. Pakula hat das für sein Script nur übernommen.

Der Reporter im Film telefoniert, fragt, notiert, besänftigt, erklärt den Quellenschutz und erinnert tatsächlich sehr an seine beiden großen Vorbilder aus Pakulas Unbestechlichen, auch wenn Denzel Washington dann weder so volontärhaft verbissen auftritt wie Robert Redfords Bob Woodward noch so rau wie Dustin Hoffmans Carl Bernstein. Denzel Washington bleibt auch als beinharter Rechercheur immer der freundliche Denzel Washington, wie wir ihn kennen (Philadelphia – 1993; Viel Lärm um nichts – 1993; "Malcolm X" – 1992; Ricochet – Der Aufprall – 1991; "Mo' Better Blues" – 1990; "Glory" – 1989; "Schrei nach Freiheit" – 1987; "Sergeant Waters" – 1984).

Als Thriller mit überraschenden Wendungen punktet der Film eher weniger, weil die Romanvorlage ein Bestseller war – die also jeder kennt. Es ist aber ein Leichtes, sich auf den Film einzulassen, sich von der Handlung treiben zu lassen, den eleganten Bildern und den Schauspielern zu folgen. Und jenen Magic Moment zu erleben, wenn die Schauspielerin Julia Roberts die Seen spielen muss, in der sie als Studentin erleben muss, wie ihr Liebhaber Opfer in seinem explodierenden Auto wird. Alan J. Pakula bleibt während dieser Pyrotechnik-Nummer nicht aus Sparsamkeitsgründen auf dem entsetzten Gesicht der jungen Studentin. Julia Roberts zeigt hier, was sie drauf hat.

Wertung: 6 von 10 D-Mark
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