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Plakatmotiv: Viel Lärm um nichts (1993)

Ein sinnlicher Kinogenuss mit Shakespeares
Versen unter der flirrenden Sonne Italiens

Titel Viel Lärm um nichts
(Much Ado About Nothing)
Drehbuch Kenneth Branagh
nach dem gleichnamigen Stück von William Shakespeare
Regie Kenneth Branagh, UK, USA 1993
Darsteller
Kenneth Branagh, Emma Thompson, Richard Briers, Michael Keaton, Robert Sean Leonard, Keanu Reeves, Denzel Washington, Kate Beckinsale, Imelda Staunton, Brian Blessed, Jimmy Yuill, Andy Hockley, Chris Barnes, Conrad Nelson, Phyllida Law, Alex Lowe, Richard Clifford, Gerard Horan, Patrick Doyle u.a.
Genre Komödie, Drama
Filmlänge 111 Minuten
Deutschlandstart
2. September 1993
Inhalt

Edelmann Benedikt, ein Getreuer Don Pedros, und Beatrice, die Nichte des Fürsten Leonato, verbergen ihre Zuneigung hinter dem Austausch von Bosheiten. Liebe auf den ersten Blick hingegen verbindet Hero, die Tochter Leonatos, dem Gastgeber der Truppe Don Pedros mit dem Grafen Claudio.

Während man am Hof des Fürsten Beatrice und Benedikt miteinander zu verkuppeln sucht, treibt Juan, der Halbbruder Don Pedros ein böses Spiel, um dem Feldherrn zu schaden und die Liebe von Hero und Claudio zu hintertreiben …

Was zu sagen wäre

Ein Stück aus Shakespeares Feder, das nicht in Mord und Todschlag gipfelt, wohl aber durch Intrigen Schatten trägt. Ein Landsitz in Messina in der sommerlichen Region Sizilien. Siegreiche Männer kehren ein nach der Schlacht, empfangen von fröhlichen Menschen und strahlenden Damen und bald schon gilt es, die Hochzeitsglocken zu polieren, denn Claudio, ein Gefolgsmann des edlen Don Padro, und Hero, einzige Tochter des Gastgebers Leonato, haben einander die Ehe versprochen.

Nach wenigen Momenten hat Kenneth Branagh uns für seine Shakespeare-Adaption eingenommen. Die Sonne strahlt nicht nur vom Himmel – gedreht wurde der sizilianische Schauplatz im Schatten toskanischer Zypressen bei Greve in Chianti – sondern auch aus den Herzen aller Menschen auf diesem Hofgut. Nur nicht aus dem Herzen Don Juans. Er ist der in der Schlacht zuvor besiegte Halbbruder des edlen Don Pedro und nicht nur deshalb ein mürrischer Zeitgenosse. Er ist das Böse, der das Drama in Shakespeares Komödie bringt. Keanu Reeves spielt ihn mit der kalten Erhabenheit eines rachsüchtigen Edelmannes (Bram Stokers Dracula – 1992; Gefährliche Brandung – 1991; "Bill & Teds verrückte Reise durch die Zeit" – 1989; Gefährliche Liebschaften – 1988; "Bodycheck" – 1986).

Die Schlachten hoch zu Ross mit dem Schwert, die Englands Weltdichter sonst gerne besingt, sind geschlagen in diesem Stück. Hier geht es um die Schlachten der Herzen, um Rachsucht, Neid, um romantisches Fieber und die freudigen Qualen des Wartens auf den ersten Kuss. Die größte Schwierigkeit für Kenneth Branagh beim Erstellen des Drehbuches muss es gewesen sein, das im Original fünf Stunden dauernde Theaterstück auf die kinotauglichen 111 Minuten runter zu brechen. Er hat also viel gestrichen, manche Szenen in neue Reihenfolge gesetzt. Aber die von Shakespeare niedergeschriebenen Dialoge in diesen Szenen hat er alle behalten. Das gibt dem sonnigen Getöse auf der Leinwand einen zusätzlichen Kick: Die Sprache ist herrlich. Kinogänger, die nicht gleichzeitig auch theateraffin sind, kommen mit der gelebten Sprache Shakespeares kaum in Kontakt, in der Schule haben sie unter den lediglich gelesenen Versen wohl eher gelitten. Im Kino konnte man sie schon das ein oder andere Mal hören. Branagh ist nicht der erste, der die Sprache übernimmt, sowohl Orson Welles als auch Roman Polanski zum Beispiel haben Shakespeares "Macbeth" auf diese Weise verfilmt; aber das ist eines der blutigen, düsteren Stücke. "Much ado about nothing" ist neben dem "Sommernachtstraum" eines der wenigen Stücke, die die Sprache des Dichters in fröhlichen Versen strahlen lässt – und "Ein Sommernachtstraum" von William Dieterle und Max Reinhardt zum Beispiel stammt noch aus dem Jahr 1935, damals spielte James Cagney die Hauptrolle.

Mit Wucht und Freude stürzt sich Regisseur Branagh in romantische Getümmel, lässt Fanfaren erklingen, Menschen lachen und singen, dass einem im Kinosessel das Herz aufgeht. Bis dann doch Don Juan, dessen erste Intrige lächerlich gescheitert ist, noch eine Finte inszeniert, die zu Tränen und schmachvollen Anschuldigungen führen. Aber selbst in diesen Szenen denkt Branagh gar nicht daran, seinem Hang zu großem Drama Zucker zu geben. Sein Film bleibt auch im dunklen Schatten leicht und witzig. Großen Anteil daran hat Michael Keaton (Batmans Rückkehr – 1992; Fremde Schatten – 1990; Batman – 1989; Beetlejuice – 1988; She's Having a Baby – 1988) in der Rolle des tumben Constablers, der Juans Intrige ans Licht zerrt und damit schließlich alles zum Guten wendet. Keaton gibt dem eitel Prahlenden exaltierte Gestik und Mimik, eine Spielfreude, die den ganzen Cast überfallen hat. Es wirkt, als habe am Set großer Spaß geherrscht.

Branagh selbst (Peter's Friends – 1992; Schatten der Vergangenheit – 1991) spielt zusammen mit seiner Freundin Emma Thompson (Peter's Friends – 1992; Wiedersehen in Howards End – 1992; Schatten der Vergangenheit – 1991) das sich lieber streitende als küssende Paar Benedikt und Beatrice; Branagh gibt unter eigener Regie den heiratsunwilligen Clown mit Slapstickeinlage, der solange über die Gefahren des Weibs, insbesondere die der Beatrice, fabuliert, bis ihm zu Ohren kommt, dass Beatrice ihn bei aller Schimpflust gegen ihn doch liebt. Thompson ist eine hinreißende Beatrice, scharfzüngig, ironisch, mit Lust männerfeindlich; bis sie hört, dass Benedikt angeblich doch in sie verliebt sei. Beide sitzen hier einer weiteren Intrige im Stück, einer freundlichen aber auf, die ihre Freunde inszenieren, weil sie eine Woche bis zur geplanten Hochzeit Zeit für Nichtstun haben – also wird nach Kräften angebandelt, eben: "Much ado about nothing".

Denzel Washington strahlt als edler Don Pedro wahrlich fürstliche Grandezza aus ("Malcolm X" – 1992; Ricochet – Der Aufprall – 1991; "Mo' Better Blues" – 1990; "Glory" – 1989), verkörpert den italienischen Edelmann bis in den kleinen Finger. Robert Sean Leonard (Zeit der Unschuld – 1993; Der Club der toten Dichter – 1989) bleibt als verliebt Verzweifelter, der auf Don Juans Intrige hereingefallen ist, ein wenig blass; sein Graf Claudio ist nicht mehr als ein braver, folgsamer Günstling seines Herrn. Seine Verzweiflung indes ist leicht zu verstehen, denn er war drauf und dran, die bezaubernde Hero zu heiraten, als er glauben muss, diese gehe ihm fremd. Kate Beckinsale spielt die Hero, sie hat bisher drei TV-Filme und Auftritte in zwei Serien in ihrer Vita stehen, strahlt hier Anmut und kämpferisches Herz aus, dass ein Wiedersehen mit ihr auf der großen Leinwand wohl nur eine Frage der Zeit ist.

Kenneth Branagh liefert mit "Viel Lärm um nichts" den (in Deutschland) verspäteten Sommerfilm des Jahres, ein lebendiger, rasanter, übermütiger Kinogenuss mit verschwenderisch gut gelaunten Schauspielern.

Da capo!

Wertung: 10 von 10 D-Mark
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