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Plakatmotiv: Macbeth (1948)

Ein düsterer Experimentalfilm über
einen depressiven Killer im Wahn

Titel Macbeth – Der Königsmörder
(Macbeth)
Drehbuch Orson Welles
nach dem gleichnamigen Stück von William Shakespeare
Regie Orson Welles, USA 1948
Darsteller

Orson Welles, Jeanette Nolan, Dan O'Herlihy, Roddy McDowall, Edgar Barrier, Alan Napier, Erskine Sanford, John Dierkes, Keene Curtis, Peggy Webber, Lionel Braham, Archie Heugly, Jerry Farber, Christopher Welles, Morgan Farley, Lurene Tuttle, Brainerd Duffield, William Alland u.a.

Genre Drama, Historie
Filmlänge 92 Minuten
Deutschlandstart
28. Juni 1950
Inhalt

Nach einer gewonnenen Schlacht trifft der schottische Feldherr Macbeth auf drei Hexen, die ihm eine sagenhafte Zukunft prophezeien: Er wird den Thron von Schottland besteigen. Angetrieben von seiner ehrgeizigen Frau ermordet Macbeth daraufhin König Duncan und nimmt seinen Platz ein. Zeugen und Mitwisser lässt er ebenfalls umbringen.

Doch während der neue König von Schuldgefühlen und Erinnerungen gequält wird, rüstet Duncans Sohn Banquo eine Armee gegen den Königsmörder …

Was zu sagen wäre

Gesegnet war mein Dasein. Von nun an ist nichts Schätzenswertes mehr auf Erden. Alles ist Tand. Gestorben Ruhm und Gnade. Der Lebenswein ist ausgeschenkt, nur Hefe blieb noch zu prahlen dem Gewölbe.“ Shakespeares Titelheld versinkt in Zweifeln und Depressionen. Seine Gattin, die zum Morde ihn hintrieb verfällt dem Wahn. Es ist des Dichters kürzestes und dunkelstes Stück, die Moritat des Schotten Macbeth, der den König Duncan meuchelt und sich selbst setzt auf den Thron und alle vermeintlichen und echten Widersacher nieder metzeln lässt.

Orson Welles inszeniert eine werkgetreue Version, nicht zuletzt aus dem Zwang heraus, mit wenig Geld auskommen zu müssen. Lieber hätte er Shakespeares "Othello" umgesetzt, aber die Filmbosse in Hollywood waren des Genies müde - zu viele Flops in Serie hatte er nach seinem gefeierten Citizen Kane (1941) inszeniert ("Die Lady von Shanghai" – 1947; "Der Fremde" – 1946; "It's All True" – 1943; "Von Agenten gejagt" – 1943; "Der Glanz des Hauses Amberson" – 1942). Schließlich fand er in Herbert Yates von Republic Pictures einen halbwegs überzeugten Geldgeber für sein Shakespeare-Konzept. Yates war für die Produktion schlichter B-Movies bekannt und mehr als 700.000 Dollar wollte er nicht ausgeben. Es war also kein Geld da für auch nur eine kleine Welles'sche Extravaganz. Und Welles machte aus der Not eine Tugend.

Er dreht auf dem Studiogelände von Republic und verbirgt den Thatercharakter seiner Kulisse nicht. In vielen Szenen erkennt man den aufgemalten Himmel auf der Stoffbahn im Bildhintergrund. Wenn Welles mit Donnerhall Shakespearsches Verse schmettert – „Ist es ein Dolch, den ich vor mir sehe, der Griff zu meiner Hand?“ – dann hallt seine Stimme von den Studiowänden wider. Die wenigen Kulissen sind nur spärlich ausgeleuchtet. Die Kulissen selbst ähneln unterirdischen Höhlensystemen, statt einer stattlichen Burg, auf der der Than von Glamis und spätere König von Schottland seinen Sitz hat. Plakatmotiv: Macbeth (1948) Hier und da sieht man eine von Hand erbaute Fläche – mal ein Plateau, mal aus der Ferne die ganze Burg, aber meistens schleichen die Figuren zaudernd und fluchend durch nachtschwarze Gänge aus Pappmaché-Felsgestein oder durch nasskalte Höfe, durch die der Nebel wabert..

Nichts an dieser Inszenierung ist heimelig. Nichts ist irdisch menschlich. Macbeth und seine mordlüsterne Gattin sind unter Welles' Regie vom ersten Bild an verflucht. Getrieben von den Weissagungen dreier Hexen, die sich offenbar einen Spaß daraus machen, den Titelhelden und seine Familie in die Verdammnis zu stürzen – eben noch der gefeierte und vom König reich belohnte Feldherr, im nächsten Moment ein Killer, der mit irrem Blick durch sein düsteres Gewölbe stolpert und gegen die Geister der von ihm gemordeten Männer anschreit. Es ist allein der Hexen Weissagung, auf die Macbeth seine Ambitionen stützt und die sich einen Spaß daraus machen, ihn durch rätselhafte Prophezeiungen in trügerische Sicherheit zu wiegen – „Macbeth wird nie besiegt, bis einst hinan der große Birnams-Wald zum Dunsinan feindlich emporsteigt.“ Shakespeare mokiert sich in den übernatürlichen Hexen womöglich über die Idee englischer Könige, die ihren Herrschaftsanspruch allein darauf gründen, sie seien von Gott berufen. Das eine ist so irrational wie das andere. Aber auch nicht zu widerlegen und damit geeignet, Furcht in die Herzen der Feinde zu säen – „Dir schadet keiner, den ein Weib geboren: Kein solcher kränkt Macbeth!

Welles' Macbeth ist ein düsteres, unmenschliches Drama, in dem Orson Welles selbst auch die Titelfigur spielt, ein verzweifeltes Männlein unter der Knute der Frauen – Ehefrau, drei Hexen – der der garstigen Welt da draußen mit Dackelblick begegnet oder ihr mit weit aufgerissenen Augen seine Furcht hinausrollend entgegen tritt. Seine Frau, die Lady Macbeth ist ein kaltes Herz. Selbst, als sie dem Wahn verfällt, hat sie nichts zu bedauern und stolpert sich die Hände aufkratzend und von ihrer Unschuld überzeugt dem Abgrund entgegen. Welles hätte für die Rolle gerne Vivien Leigh gehabt, oder wenigstens Tallulah Bankhead, Anne Baxter, Mercedes McCambridge oder Agnes Moorehead. Aber die einen waren zu teuer, die anderen anderweitig gebucht, so kam Jeanette Nolan zu ihrem Leinwanddebüt, die eine gefeierte Theaterschauspielerin war. Das appelative Spiel, das auf der Bühne gefordert ist, kann sie vor der Kamera nicht ganz ablegen.

Natürlich ist der Reiz höher, wenn man die Shakespeare-Vorlage noch nicht kennt; dann hat man aber womöglich auch Schwierigkeiten mit der für einem Film ungewöhnlichen Sprache – „Jetzt empfindet er geheimen Mord an seinen Hemden kleben. Die er befehligt, folgen nur seinem Befehl. Sie handeln nicht aus Liebe. Jetzt fühlt er eine Würde zu weit und lose um sich hängen, wie eines Riesen Rock um eines Zwergen Schulter, der ihn stahl.“ Es ist aber aufregend, zu sehen wie Orson Welles aus seinen knappen Mitteln und der kraftvollen Textvorlage ein Werk schafft, das bisweilen mehr einem Experiment denn einem Kinofilm ähnelt, aber in seiner Überhöhung gewaltige Wucht entfaltet.

Wertung: 4 von 6 D-Mark
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