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Plakatmotiv: Macbeth (2015)

Bildgewaltige Verfilmung
der es an Relevanz fehlt

Titel Macbeth
(Macbeth)
Drehbuch Todd Louiso & Jacob Koskoff & Michael Lesslie
nach dem gleichnamigen Stück von William Shakespeare
Regie Justin Kurzel, UK, Fr., USA 2015
Darsteller

Michael Fassbender, Marion Cotillard, Paddy Considine, Sean Harris, Jack Reynor, Elizabeth Debicki, David Thewlis, David Hayman, Maurice Roëves, Ross Anderson, James Harkness u.a.

Genre Drama
Filmlänge 113 Minuten
Deutschlandstart
29. Oktober 2015
Inhalt

Als Anführer der schottischen Streitkräfte kann Macbeth im Mittelalter einen brutalen Triumph nach dem anderen auf dem Schlachtfeld einheimsen. Dabei steigt er stetig in der Gunst seines Königs Duncan. Als er nach einem besonders bedeutenden Sieg von drei geheimnisvollen Frauen jedoch vorhergesagt bekommt, dass er eines Tages König von Schottland wird, und ihn seine machthungrige Frau Lady Macbeth energisch anstachelt, diese Prophezeiung mit allen Mitteln wahr werden zu lassen, ringt sich Macbeth schließlich dazu durch, Duncan zu töten, um selbst auf dem Thron Platz zu nehmen.

Begleitet vom wachsenden Misstrauen seines engen Freundes Banquo, scheint Macbeth zunehmend dem Größenwahn zu verfallen. Doch macht er sich dabei auch zahlreiche Feinde, sodass sich schon bald Duncans Sohn Malcolm mit Macbeths größtem Kontrahenten Macduff zusammentut, um den tyrannischen neuen König zu stürzen …

Was zu sagen wäre

Macht korrumpiert. Absolute Macht korrumpiert absolut. Als William Shakespeare sein düsteres Königsdrama "Macbeth" schrieb, gab es dieses Sprichwort noch nicht. Aber sein Stück ist ein guter Beleg dafür. Ein Mann wittert, nachdem Hexen ihm höchste Würden geweissagt haben, seine Chance, den Thron zu besteigen und zögert. Seine Frau, vom Willen zur absoluten Macht besessen, pusht ihn und so wandelt sich der große Zweifler in loyalen Diensten seines Königs zum Königsmörder, Verräter, König und Tyrannen. Er glaubt sich auf der sicheren Seite, aber das Schicksal spielt mit gezinkten Karten. Seine Freunde wenden sich von ihm ab, seine Frau, die Königin sein wollte, aber nicht die Frau eines paranoiden Mörders, bringt sich um, am Ende stirbt er, von einem Schwert durchbohrt, alleine auf dem Schlachtfeld. Die Tragödie des Fatalismus.

Justin Kurzel, der seine ersten Film-Schritte mit Musikvideos für die Rockband seines Bruders machte und vor vier Jahren sein Regiedebüt mit dem Drama "Die Morde von Snowtown" gab, gibt diesem Shakespeare-Drama die Düsternis und Kälte, die das Stück verdient hat. Ihn fasziniert, wie schnell man an seiner Mordlust Gefallen finden kann. Sein Schottland ist nasskalt, grau, nebelverhangen, die Dudelsäcke auf dem Score jammern in Moll, die Männer und Frauen: verlorene Seelen allesamt, mit denen wir nicht tauschen wollen – da ist Kurzel nahe bei Orson Welles' Low-Budget-Version von 1948. Das Leben im Schottland des 11. Jahrhunderts ist ein mühsames, selbst bei Hofe. Kurzel schenkt seinem Macbeth eine Art Hyperrealismus. Die Menschen in viel zu dünner, durchnässter Kleidung, verschlammt die undichten Schuhe, da bekomme ich selbst im klimatisierten Kinosessel Angst vor dem kommenden Winter.

Daneben stellt er den durch Shakespeares Weird Sisters, profan Hexen genannt, personifizierten Mystizismus. Immer wieder springt der Film sozusagen in Macbeths Kopf, folgt dessen Visionen, Halluzinationen; gleich zu Beginn in der großen Schlacht wechseln sich blutige Schlachtenszenen mit Bewegungen in Superzeitlupe ab, in denen der loyale Kämpfer Macbeth gegen die Feinde vorgeht, vor sich aber die vier Frauen sieht, die ihm prophezeien, dass er König wird – womit dann das Drama seinen Lauf nimmt.

Dass es in diesem Drama die Frauen sind, die das Unheil bringen, darüber gibt es in der Sekundärliteratur genügend Aufsätze. Wie Lady Macbeth, die die Geister anruft, um ihr Geschlecht zu überwinden und die nährende Mutterliebe in rücksichtslose Gewalt zu verwandeln, symbolisieren die Hexen eine diabolische Weiblichkeit, die als Katalysator für den Königsmord sowie die weiteren Verbrechen des Macbeth fungiert, damit jedoch zugleich eine tödliche Bedrohung oder Gefahr für die patriarchale Ordnung oder Herrschaft darstellt.

Das ist ein grandioses Schaustück, das uns da bald zwei Stunden vorgeführt wird. Ein Schaustück, das bald schal wird und nach Ablenkung ruft. Die Figur des Usurpators Macbeth gibt im Film wenig her, obwohl – vermeintlich: obwohl – ihn Michael Fassbender spielt (Slow West – 2015; X-Men: Zukunft ist Vergangenheit – 2014; The Counselor – 2013; 12 Years a Slave – 2013; Prometheus – Dunkle Zeichen – 2012; Haywire – Trau' keinem – 2011; "Shame" – 2011; X-Men: Erste Entscheidung – 2011; "Jonah Hex" – 2010; Inglourious Basterds – 2009; 300 – 2006).

Fassbender aber tut sich schwer mit den kraftvollen, zeitgenössischen Zungen aber schwer abzuzwingenden Versen Shakespeares. Erst im großen Finale, schon perforiert von Schwerthieben, legt er Kraft in seine Stimme, schreit seinen Frust heraus. Und davor? Da schlachtet sich ein Verse vor sich hin murmelnder Recke durch den Film, dem es an Glaubwürdigkeit und damit an Charakter fehlt. Fassbender und Kurzel wollen dieses Monster der Macht offenbar als zweifelnde Kreatur, hinterrücks angestachelt von Frauen, inszenieren. Das passt aber nur bedingt zur Intention der Vorlage. Muss ja nicht, kann man ja interpretieren. Aber dann geht diese brachial schön gefilmte Version des Dramas ganz den Bach runter. Wir schreiben das Jahr 2015. Wollen mir Bob und Harvey Weinstein, die Produzenten, tatsächlich eine Geschichte aus dem Mittelalter verkaufen, zeitgenössisch dergestalt interpretiert, dass da ein armer Zweifler an einem gruseligen Monstrum diabolischer Weiblichkeit verzweifelt, der selbst aber ganz unschuldig ist an seinem Schicksal, quasi von Frauen in den Tod geweissagt? Ja, die Emanzipation ist im 21. Jahrhundert immer noch für den ein oder anderen Mann schwer zu ertragen. Ist das der Grund für diese Version? Dass dieser im 21. Jahrhundert nur noch schwer verkäufliche Stoff, der ja immerhin auch schon 14 Mal verfilmt worden ist, unter männliche Kinozuschauer gebracht werden muss?

Wertung: 4 von 8 Euro
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