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Plakatmotiv: Macbeth (1971)

Polanskis Shakespeare-Adaption ist
auch eine Art Trauma-Bewältigung

Titel Macbeth
(The Tragedy of Macbeth)
Drehbuch Roman Polanski & Kenneth Tynan
nach dem gleichnamigen Stück von William Shakespeare
Regie Roman Polanski, UK, USA 1971
Darsteller

Jon Finch, Francesca Annis, Martin Shaw, Terence Bayler, John Stride, Nicholas Selby, Stephan Chase, Paul Shelley, Maisie MacFarquhar, Elsie Taylor, Noelle Rimmington, Noel Davis, Sydney Bromley, Richard Pearson, Patricia Mason u.a.

Genre Biografie, Drama
Filmlänge 140 Minuten
Deutschlandstart
19. Mai 1972
Inhalt

Nach einer gewonnenen Schlacht gegen norwegische Truppen befinden sich die siegreichen schottischen Feldherren Macbeth und Banquo auf dem Heimritt. Unterwegs treffen sie auf drei Hexen, welche Macbeth prophezeien, bald Than von Cawdor und König von Schottland zu werden. Banquo wird dagegen prophezeit, dass seine Söhne den Thron Schottlands erben würden. Beide sind von diesen Weissagungen nur wenig überzeugt, bis jedoch Reiter des Königs im Lager eintreffen und Macbeth zum Dank für den Sieg in der Schlacht tatsächlich den Titel des Than von Cawdor übergeben.

Plakatmotiv (Fr.): Macbeth (1971)Als Macbeth seiner Frau von der Weissagung erzählt, stiftet diese ihn an, den amtierenden König Duncan bei einem Besuch auf Macbeths Schloss zu ermorden. Macbeth erdolcht den König in seinem Bett, seine Frau beschmiert die Hände und Dolche seiner zuvor mit Gift betäubten Wachen mit Blut, um den Verdacht auf diese zu lenken. Als der Anschlag am nächsten Morgen entdeckt wird, heucheln Macbeth und seine Frau Betroffenheit und Unschuld. Die beiden Söhne Duncans fliehen nach England und nach Irland, aus Angst, man könnte sie ebenfalls ermorden. Damit geht die Herrschaft über Schottland an Macbeth, den Vetter Duncans, der zum König gekrönt wird und in die königliche Festung einzieht.

Aus Angst, Banquos Nachkommen könnten wirklich, wie vorhergesagt, die Herrschaft seiner Familie stürzen, lässt Macbeth Banquo auf einem Ausritt ermorden, doch Banquos Sohn gelingt die Flucht.

Macbeth und seine Frau werden beide zunehmend von albtraumhaften Visionen geplagt, in denen sie mit den von ihnen begangenen Morden konfrontiert werden. Macbeth sucht abermals die Hexen auf, die ihm einen Zaubertrank verabreichen, durch den er Traumvisionen bekommt. Darin wird ihm mitgeteilt, dass nur „ein Mann, den kein Weib gebar“ ihn töten könne, und dass er unbesiegbar sei, bis der Wald von Birnam nach Dunsinane geht.

Macbeth entwickelt sich immer mehr zum Tyrannen. Als schließlich Englands Armee mit Duncans Sohn Malcolm zum Krieg gegen Schottland rüstet, schlagen sich auch einige schottische Adelige auf deren Seite, unter ihnen Macduff, dessen Frau und Kinder Macbeth daraufhin grausam töten lässt. Macduff schwört ihm blutige Rache …

Was zu sagen wäre

Wenn Du zu Ende denken magst, so möcht' es Dich auch auf die Krone hoffen lassen. Noch nach dem Than von Cawdor. Oft, um in tiefes Elend uns zu locken, gaukelt der Mund der Finsternis uns Wahrheit vor, täuscht uns mit harmlosen Geschenken und stürzt uns, wenn wir folgen, in den Abgrund.“ Diesem Sturz sehen wir in der Folge dann zu.

Plakatmotiv (UK): Macbeth (1971)Polanski meets Shakespeare. Er verfilmt die Geschichte eines Tyrannen, der kein Tyrann sein wollte, der von seiner Frau in diese Rolle gedrängt wurde. Polanskis Lady Macbeth kitzelt den zögerlichen Gatten bei dessen Männlichkeit. Ob er denn kein Mann sei, zu tun, was Not täte. Dieser schottische Heerführer ist kein Machtmensch, keiner, dem es gar nach der Krone gelüste. Er ist ein Zauderer, ein Grübler, der Hamlet, Shakespears großem Tragöden zur Ehre gereicht. Macbeth weiß, als er auf dem Thron sitzt, auch gar nicht, was er mit seiner Macht denn nun anstellen soll. Statt dessen ist er damit beschäftigt, seine Macht abzusichern, lässt Feind und Freund ermorden, biss sich alle Heerführer von ihm ab- und England zugewandt haben. Zu diesem Zeitpunkt ist seine Frau, die das Unheil initiiert hat, dem Wahnsinn verfallen und in den Tod gesprungen Übrig bleiben er und die Weissagungen dreier Hexen, die weniger Weissagung sind, sich vielmehr als Aufstachelung zum Königsmord entpuppen.

Dies ist der erste Film, den Roman Polanski nach dem Tod seiner Frau Sharon Tate inszeniert. Die war im August 1969 von Anhängern des Sektenführers Charles-Manson ermordet worden. Nichts fürchtet Macbeth so sehr wie den „Mann, den keine Frau gebar“. Sharon Tate war zum Zeitpunkt ihres Todes im achten Monat schwanger. Polanskis "Macbeth" ist ein sehr blutiger Film, mehr als seine Filme zuvor. Rosemaries Baby ist ein weitgehend unblutiger Gruselschocker. Tanz der Vampire erzählt zwar von Blutsaugern, ist aber ein lustiger, wiewohl blutarmer Film. Ekel ist ein Psychothriller über Frauenangst, aber mehr als die Monatsblutung wird, was das angeht, nicht thematisiert. Keiner dieser Filme ist blutig.

Polanskis König Macbeth bleibt bis zuletzt ein Zauderer, der sich für unbesiegbar hält, weil er bildhafte Prophezeiungen für bare Münze nimmt, unsterblich also ist und deshalb keine Ziele hat im Leben. Das wird ihm zum Verhängnis, nachdem seine rothaarige Frau tot ist. In Charles Mansons Sekte gab es auffallend viele schlanke, rothaarige Frauen, so wie Francesca Annis, die Lady Macbeth in diesem Film eine ist. Ich sollte das nicht zu weit treiben, aber dass Polanski seinen Macbeth als Sektenführer inszeniert, dem die Mitglieder von der Klinge springen, ist augenfällig.

Der Film abseits persönlicher Befindlichkeiten des Regisseurs ist ein düsteres Königsdrama. Es regnet in Strömen, der Boden ist Matsch, der Glamour eines Königshauses findet in diesem Film keinen Widerhall. Wenn mal zu einem Festessen geladen wird, platzt das, weil der König Visionen von blutbesudelten Menschen hat, die er ermorden ließ. Lebensfreude ist in diesem Schottland nicht vorgesehen. Dazu passt die Performance von Jon Finch, der sich den Zauderer und Grübler so sehr aneignet, dass er geradezu gelangweilt wirkt, blutleer. Es gibt, nachdem Duncan tot und er neuer König ist, einen kurzen Moment der Energie. Da wirkt Finchs Macbeth wie ein möglicher Gestalter. Aber der Moment ist mit der nächsten Toten-Vision auch schon wieder vorbei und der schweigende Grübler nimmt sich allen Raum.

Videocover (US): Macbeth (1971)Seine Frau ist kaum besser: Eben noch die machtgeile Furie, ist sie unversehens in den Wahnsinn abgedriftet. Keine Entwicklung, kein Werden. Nur Sein. Hier kommt das Kino mit seinem grenzenlosen Raum mit Theaterstücken, die für eine begrenzte Bühne konzipiert sind, an seine Grenzen. Mir als Mann im Kinosessel fehlt das Reizvolle an dieser Frau, die ihren Mann zum Königsmord aufstachelt und damit zu einer der großen Frauenfiguren in der Theatergeschichte wurde. Francesca Annis vermag mir die Erklärung nicht zu spielen.

Polanski erweitert Shakespeares Königsdrama, das er bis dahin sehr werkgetreu bildgewaltig nacherzählt, um eine Art Epilog. Nachdem Malcom, Duncans Sohn, nach Macbeths Tod den Thron übernommen hat, stolpert, wieder im strömenden Regen, Malcolms Bruder Donalbain, in den Ort, an dem sich die Hexen aufhalten. Damit scheint sich das Unheil aus missgedeuteten Prophezeiungen fortzusetzen.

Denn die Frage bleibt ja unbeantwortet: Wäre Macbeth auch König geworden, wenn er Duncan nicht proaktiv ermordet hätte? Die Wege des Schicksals sind ja unergründlich. Und was werden die Hexen nun dem Bruder des neuen Königs von Schottland weissagen? Wird das Blutvergießen weitergehen?

Roman Polanski hat dem Bühnenklassiker für die Leinwand zwar Frischzellen spendiert, indem er aus Bühnenfiguren saftiges, regengeschwängertes Land und wuchtige Leute hoch zu Ross entstehen lässt. Für die beiden zentralen Figuren allerdings, Macbeth und die Lady, findet er nur blutleere Schablonen: eine böse Frau, die zur Strafe dem Wahnsinn verfällt und ein Mann, der darüber grübelt, für welche Macht er eigentlich mordet „Warum sollte ich den römischen Narren spielen und stürzen mich in mein eigenes Schwert? Solange noch Lebendige vor mir sind, stehen denen Wunden besser!

Wertung: 6 von 8 D-Mark
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