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Plakatmotiv: 300 (2006)

Laut, grell und derbe. Das
Kino definiert das Comic neu

Titel 300
(300)
Drehbuch Zack Snyder & Kurt Johnstad & Michael B. Gordon
nach der gleichnamigen Graphic Novel von Frank Miller
Regie Zack Snyder, USA, Kanada, Bulgarien 2006
Darsteller

Gerard Butler, Lena Headey, David Wenham, Dominic West, Vincent Regan, Michael Fassbender, Tom Wisdom, Andrew Pleavin, Andrew Tiernan, Rodrigo Santoro, Giovani Cimmino, Stephen McHattie, Greg Kramer, Alex Ivanovici, Kelly Craig, Eli Snyder, Tyler Neitzel, Tim Connolly u.a.

Genre Action, Fantasy
Filmlänge 117 Minuten
Deutschlandstart
5. April 2007
Website warnerbros.com/movies/300
Inhalt

Wir schreiben das Jahr 480 vor Christus. König Leonidas marschiert mit einer kleinen Armee von loyalen Spartanern auf Thermopylen zu. Dort befindet sich eine hundertausende Soldaten umfassende Übermacht an Persern, die Griechenland erobern wollen.

Leonidas gelingt es schließlich, seine Armee mit der der Arkadier zu vereinen und den Angriff der Perser vorerst abzuwehren. Deren König Xerxes bittet Leonidas zu einer Audienz und versucht, ihn zur Kapitulation zu bewegen. Lenonidas lehnt allerdings ab und schlägt auch die nächste Angriffswelle erfolgreich zurück.

Als sich die Situation der Spartaner jedoch immer mehr verschlechtert, schickt Leonidas seinen Barden Dilios zurück, um den Griechen von der Schlacht zu berichten. Der König selbst bleibt mit seinen verbliebenen dreihundert Kämpfern zurück, um sich dem wohl endgültig letzten Gefecht zu stellen …

Was zu sagen wäre

Plötzlich bebt die Erde. Es ist aber kein natürliches Beben. Bei Steven Spielberg vibrierte 1993 Wasser in einem Glas und wies damit auf die Ankunft eines gewaltigen Etwas hin. Bei Zack Snyder jetzt bebt die Erde Griechenlands angesichts des gewaltigen Aufmarsches der Perser bei den Thermopylen. Subtil ist der Stil Snyders nicht. Der Mann mag es laut und blutig (Dawn of the Dead – 2004).

"300" geht auf einen Comic von Frank Miller zurück und dass der es auch derbe mag, hat der Film Sin City (2005) jenen gezeigt, die Filme gucken aber keine Comics lesen. Auch dem Film lag ein Miller-Comic zugrunde; Miller wurde als Co-Regisseur gelistet. Grob geht es in "300" um die historisch verbürgte Schlacht bei den Thermopylen. Aber schon Miller hat nur die Ausgangssituation interessiert – eine riesige Armee gegen eine kleine Schar tapfer kämpfender Männer, die ihr Land verteidigen. Historische Genauigkeit haben ihn nicht interessiert. Zack Snyder interessiert das auch nicht. Plakatmotiv: 300 (2006)Gigantische Kampfnashörner oder verstümmelte und neu zusammengenähte Krieger hatten die Perser damals nicht in ihren Reihen. „Die Wahrheit kann eine gute Geschichte ruinieren“, hat er zur Präsentation seines Films auf den Berliner Filmfestspielen gerade erklärt.

Snyder liefert einen Realfilm, der an manchen Stellen wirkt, wie ein gezeichneter Comic. Nahezu alle Szenen wurden im Studio vor Green- oder (meistens) vor Bluescreen inszeniert, heißt, die Akteure spielten in leeren, blauen Hallen, in die Computerdesigner, -grafiker und Programmierer in der Postproduktion die Welt bauten, die wir im Film sehen, eine in Sepia getauchte Fantasiewelt mit steilen Klippen, hohen Felsen und engen Tälern, die durch spezielle Belichtungs- und Entwicklerverfahren körniger und kontrastreicher wurden. In der Fantasielandschaft lauter halbnackte Spartiaken mit beeindruckendem Sixpack. Die Darsteller der Hauptfiguren um Gerard Butler (Timeline – 2003; Lara Croft – Tomb Raider: Die Wiege des Lebens – 2003; Die Herrschaft des Feuers – 2003) trainierten sich ihre Muskeln innerhalb weniger Monate an. Es gab ein speziell dafür entwickeltes "300-Wiederholungen-Workout für Spartaner" von Bergsteiger Mark Twight. Visuell ist der Film folgerichtig ein gewaltiger Wurf. Solche Bilder, gleichzeitig künstlich und real, haben wir auf der Kinoleinwand noch nicht gesehen.

Was Zack Snyder aber aus ihnen macht, hält dem innovativen Anspruch nicht stand. Aus dem Lexikon ausgeleierter Wörter in Filmkritiken fällt in solchen Momenten zuverlässig das Wort "Schlachtplatte", um den Film zu beschreiben. Mel Gibsons Braveheart war eine "Schlachtplatte". Ridley Scotts Gladiator, aus dessen Bildideen sich Snyder weidlich bedient, war eine "Schlachtplatte". Wolfgang Petersens Troja, aus dem sich die Produktion zahlreiche Speere und andere Waffen ausgeliehen hat, war eine "Schlachtplatte". Im Unterschied zu diesem Film hatten jene Filme menschliche Charaktere mit unterschiedlicher Motivation. In "300" besteht die Motivation der Figuren darin zu sterben. Für die Freiheit. „Es beginnt ein neues Zeitalter. Das Zeitalter der Freiheit!“ brüllt Sparta-König Leonidas seinen Männern entgegen, um diese auf die bevorstehende Unmöglichkeit zu siegen, vorzubereiten. Für die Freiheit sind die Männer gewillt, alles zu opfern, selbst in Kauf zu nehmen, dass der Feind sich anschließend an deren Kinder und Frauen gütlich tut: „Ihr kennt eindeutig die Frauen von Sparta nicht“, grinst Leonidas dem Perserkönig Xerxes entgegen. Als in Demokratie und Gemeinsinn gebadeter Westeuropäer fällt es im Kinosessel schwer, den Akteuren ihre gebrüllte Opferbereitschaft abzunehmen, zumal, nachdem einer der Männer seinen Sohn in der Schlacht verliert und daraufhin für mehrere Stunden in Trauer versinkt; da scheint es mit der ausgestellten Kernigkeit nicht so weit her zu sein. Gleichzeitig hat man die aktuellen Weltkrisen im Kopf, die Amerikaner im Irak, in Afghanistan. Als wollte sich Snyder beim Pentagon für die Produktion eines Mitmachen- und Aufbaufilms für die US-Soldaten und deren Familien bewerben wollen. Das selbstverständliche Angriffsgeschrei der Männer, die Rhetorik, der jegliche Zwischentöne fehlen, lassen ironische Brüche, wie sie das 90er-Jahre-Kino kultivierte nicht erkennen. Snyder ist es ernst. Punkt. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns – wie schon George W. Bush sagte. Plakatmotiv: 300 (2006) Das enge Zusammenstehen der Männer erklärt sich durch die Bedrohungen von außen: Schon die benachbarten Athener werden „Philosophen und Knabenliebhaber“ abgetan. Der Perserkönig ein androgyner Riese mit Lippenstift, Piercings und dem Bass von Barry White, seine Soldaten gesichtslose Monster mit grotesk entstellten Gliedmaßen, und als Verräter in Sparta entpuppen sich ein Politiker und ein Freak. Kurz: Um die Gemeinschaft der Six-Pack-Männer und ihrer lustvollen Frauen zu bewahren, muss das Üble und Fremde rundherum bekämpft werden. Den Vorwurf, mit seinem Film faschistoide Tendenzen zu befeuern, der ihm auf der Berlinale 2007 gemacht wurde, wies Zack Snyder energisch zurück, sagte, vor allem durch „die erkennbar übertriebene Inszenierung“ werde deutlich, „dass die Protagonisten moralisch bankrott sind“. Insofern würden sie nicht als Vorbilder taugen. Andersherum wird allerdings auch ein Schuh draus: Durch die Verfremdung der Bilder verstärkt sich die unterschwellige Message Bedrohlich ist, was anders ist!

Als Comicverfilmung steht "300" in einer Reihe mit den drei X-Men-Filmen, mit den Spider-Man-Filmen und dem jüngsten Superman-Ableger. Und da sticht er heraus. Versuchen die vorher genannten alles, um mit möglichst biederem Auftreten den immer noch anrüchigen ruf der Comics abzuschütteln, stürzt sich Snyder mit Wonne direkt hinein in das Comicuniversum. Schrill. Laut. Für Zwischentöne (s.o.) ist da kein Platz. Mit der Comicvorlage selbst aber hat der Film gar nicht viel zu gemein. Das fällt schon bei Leonidas Gattin auf, gespielt von der attraktiven Lena Headey, deren Comicvorlage eine eher grobschlächtige Person ist, die auch nur einen kurzen Auftritt hat. Viele Figuren im Film gibt es im Comic gar nicht, auch die grotesken Kreaturen in Xerxes' Armee sind eine Erfindung der Filmemacher. Leonidas, der zentrale Charakter des Films, ist im Comic deutlich düsterer. Die liebevolle Beziehung zu Frau und Kind, die der Film zeigt, deuten eine menschliche Facette an, die im Comic fehlt. Comicautor Frank Miller ist denn auch eher mit der visuellen Umsetzung als mit der Filmerzählung als solchen einverstanden.

 

Wertung: 3 von 6 €uro
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