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Plakatmotiv: Braveheart (1995)

Eine Wuchtbrumme auf der Leinwand
historisch frei, aber mitreißend erzählt

Titel Braveheart
(Braveheart)
Drehbuch Randall Wallace
Regie Mel Gibson, USA 1995
Darsteller

Mel Gibson, Sophie Marceau, Patrick McGoohan, Catherine McCormack, Angus MacFadyen, Brendan Gleeson, David O'Hara, Ian Bannen, Brian Cox, James Robinson, Peter Mullan, Stephen Billington, Sean Lawlor, Sandy Nelson, James Cosmo, Sean McGinley, Alan Tall, Andrew Weir, Gerda Stevenson, Ralph Riach, Mhairi Calvey, Peter Hanly, Barry McGovern, John Kavanagh, Alun Armstrong, Tommy Flanagan, Julie Austin, Alex Norton, Joanne Bett, Rupert Vansittart, Michael Byrne, Robert Paterson, Malcom Tierney, William Masson, Dean Lapota, Tam White, Donal Gibson, Jeanne Marine, Martin Dunne, Fred Chiverton, Jimmy Chisolm, John Murtaugh, David McKay, Martin Murphy, Gerard McSorley, Bernard Horsfall, Richard Leaf, Daniel Coli, Joe Savino, David gant, Mal Whyte, Paul Tucker u.a.

Genre Drama, Historie
Filmlänge 177 Minuten
Deutschlandstart
5. Oktober 1995
Inhalt

Schottland im 13. Jahrhundert: Der englische König Edward I. führt ein brutales Regiment über das Land. Hierher kehrt William Wallace nach jahrelangen Reisen zurück, um ein ruhiges Leben als Farmer zu leben Als die Engländer seine Frau töten, um ein Exempel gegen Aufständische zu statuieren, schwört er Rache und sagt der britischen Krone den Kampf an. Die Freiheit und Unabhängigkeit seines Landes zu erkämpfen ist sein Ziel. Seine Leidenschaft und sein Mut inspiriert die Menschen, sich ihm anzuschließen und sich gegen die Engländer zu erheben.

Edward I. erkennt in Wallace einen gefährlichen Gegner und schickt seine Schwiegertochter, die französische Prinzessin Isabelle, als Vermittlerin zu Wallace. Aus dieser Begegnung wird eine Freundschaft, die sich in leidenschaftliche Liebe verwandelt. Doch nicht nur gegen die Engländer hat Wallace zu kämpfen.

Auch die schottischen Adligen verfolgen eigene Interessen. Aber ohne deren Unsterstützung kämpft Wallace einen verlorenen Kampf …

Was zu sagen wäre

Das große Epos ist zurück auf der Leinwand. Ich hatte angenommen, Filme dieser Machart, dieser analogen Opulenz werden seit Spartacus nicht mehr hergestellt – zu aufwändig, zu teuer, zu wenig Terminator oder Star Wars. 72 Millionen Dollar hatte Mel Gibson für seinen Film über einen Freiheitskämpfer zur Verfügung. Das ist eine Summe, die von wahrlich schottischer Sparsamkeit kündet; James Camerons Fortsetzung des Terminator vor vier Jahren kostete 100 Millionen Dollar (Das Budget für Die Rückkehr der Jedi-Ritter wird auf 35 bis 40 Millionen Dollar geschätzt).

"Braveheart" erzählt die Geschichte einer großen Liebe. „Für immer. Für ewig“ schwören sich William und Murron bei ihrer heimlichen Hochzeit im Wald und wenn auch englische Soldaten der Ewigkeit im Leben ein baldiges Ende setzen, so hallt diese unerschütterliche Liebe im Herzen des Revolutionärs fort, lässt ihn die englischen Armeen vor sich hertreiben und diese beinahe aus dem Land vertreiben; wenn nicht der schottische Adel aus Angst um seine Privilegien und Besitztümer ihrem Landsmann vorher in den Rücken fallen würden und Wallace auf dem Marterkreuz der britischen Inquisition dem Tod anheimgeben, in dem Wallace mit seiner Murron wieder vereint wird.

William Wallace ist eine historische Figur. Ihn hat es ebenso tatsächlich gegeben, wie Robert the Bruce und andere der schottischen Edelleute. Es hat auch eine französische Königstochter namens Isabelle gegeben, die 1308 den englischen König Edward II. geheiratet hat. Zu dem Zeitpunkt war William Wallace, der im Film ein Kind mit der Königin zeugt, schon drei Jahre tot – Wallace starb 1305. Wir sollten den Film aber auch nicht historisch sehen und forschen, was wer wann wo gemacht oder nicht gemacht hat. Plakatmotiv: Braveheart (1995) Drehbuchautor Randall Wallace (die Namensgleichheit ist ein Zufall) stützt sich auf das Gedicht "Wallace", das ein Minnesänger in den 1470er Jahren verfasst hat. Von einer schon 1363 verfassten fünfbändigen Chronik, in der Wallace erstmals als Freiheitskämpfer Erwähnung findet, ließ Drehbuchautor Wallace die Finger. Auf der Basis eines Minnesangs geht Gibson also an seine zweite Regiearbeit (nach "Der Mann ohne Gesicht" – 1993) heran – sehen wir "Braveheart" eher als Abenteuerfilm, wie einst Ben Hur oder Quo Vadis.

Rund eine dreiviertel Stunde geht ins Land, bis der schottisch-englische Ärger überhaupt beginnt. Bis dahin ist Gibson tief in das Leben um 1270 in den Highlands eingetaucht, entwirft enge Familienbande, fröhliche Feiern, bei denen sich die Männer ordentlich raufen und die Frauen feixend den Wein nachschenken und knüpft zarte Liebesbande zwischen William und Murron, die schon in der Kindheit gelegt werden und sich in einer Blüte, die die kleine Murron dem trauernden William am Grab von dessen Vater überreicht und die der über viele Jahre auch auf Reisen bis nach Rom und zurück immer bei sich trägt, manifestiert. Als die erwachsene Murron das realisiert und damit jede weitschweifige Liebeserklärung seitens Wallace überflüssig macht, schafft der an Gänsehautmomenten reiche Film hier seinen ersten. Gutes Kino braucht keine Dialoge.

Catherine McCormack hinterlässt in der kurzen Rolle als Murron einen nachhaltigen Eindruck. Ihre Anmut und – damit verbunden – ihr Schicksal sind so bewegend, dass ich Williams unbändigen Zorn auf die englischen Besatzer über die gesamten drei Filmstunden nachvollziehen kann. Diese Rolle ist – geschrieben, gespielt und geführt – ein kleines Meisterwerk im Meisterwerk, bei dem die Regie auch daran denkt, im richtigen Moment schneeweiße Tauben (oder sind es Gänse?) stimmungsvoll durchs Bild fliegen zu lassen.

Diese hohe Qualität gelingt dem Film nicht durchgängig. Auf dem Regiestuhl trifft Gibson zwar eine Menge guter Entscheidungen. Die, sich selbst als Hauptdarsteller zu besetzen, gehört nicht dazu. Die Art, wie er diese Figur des ausgehenden 13. Jahrhunderts bewegt, sprechen lässt, wie er den verliebten Charmebolzen spielt, das ist Mel Gibson in markanter Mel-Gibson-Pose, in jedem Jahrhundert gleich (Maverick – Den Colt am Gürtel, ein As im Ärmel – 1994; Lethal Weapon 3: Die Profis sind zurück – 1992; "Air America" – 1990; Ein Vogel auf dem Drahtseil – 1990; Lethal Weapon 2 – Brennpunkt L.A. – 1989; Tequila Sunrise – 1988; Lethal Weapon – Zwei stahlharte Profis – 1987; Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel – 1985; Die Bounty – 1984; "Ein Jahr in der Hölle" – 1982; Mad Max 2 – Der Vollstrecker – 1981; "Gallipoli" – 1981; Mad Max – 1979). Nachdem die Engländer seine geliebte, heimlich angetraute Ehefrau aus einer Laune auf Herrschaftssucht heraus hinrichten, wandelt der bis dato friedliebende Bauer, der nur sein Land bestellen will (was der historische Wallace im Übrigen auch nicht war, gehörte er doch zur engsten Gefolgschaft der Stuarts), sich zum Freiheitskämpfer und Schmerzensmann. Darin geht Gibson dann sehr auf. In einer Art Jesuspose tritt er seinen Feinden mit ausgebreiteten Armen gegenüber, um sie im nächsten Moment zu enthaupten, zu erdolchen und zu zertrümmern. Im Finale gibt er, gebunden auf ein Kreuz, tapfer den Schmerzensschrei unterdrückend sein Leben für sein Volk, auf dass dies seinen gepeinigten Weg ebenso tapfer fortschreiten kann bis in die goldene Freiheit. Wie Gibson seinen Wallace am Ende nach den mittelalterlichen Regeln der Kunst foltern lässt, bleibt noch lange nach dem Kinobesuch haften. Er zeigt nur das Gesicht des Leidenden – woran Wallace da zu leiden hat, das zeigen vorher zwei Clowns auf der Bühne, quasi als Vorprogramm des Spektakels für die johlenden Massen: Strecken, ausweiden, entmannen. Sowas ist, wenn man sich an Gibsons Lust an solchen Leidensszenen in seinen Filmen erinnert (Mad Max III, Lethal Weapon), etwas dick aufgetragen. Zum Stil dieses dramatischen Over-the-Edge-Abenteuers aber passt es.

"Braveheart" ist eine Wuchtbrumme, ein Epos über Kerle, die in Treue fest bis in den Tod sind, die als freundliche Sympathiebekundung ihrem Kumpel die Faust ins Gesicht donnern und sich anschließend lachend in den Armen liegen, die sich ungefähr einmal im Monat waschen und strömenden Regen als „gutes schottisches Wetter“ bezeichnen. Die Freiheit, die Zukunft wird hier von kompromisslosen Zupackern erobert. Hinter solchen schart sich das Volk in großer Zahl. So bekommt Wallace vor der Schlacht von Stirling seinen Moment für die Große Ansprache. Auf nervösem Rappen reitet da Mel Gibson die Formation der zitternden Bauern, die mit Mistgabeln in die Schlacht gegen die Engländer ziehen sollen, ab und ruft: „Sie mögen uns das Leben nehmen, aber niemals nehmen sie uns unsere Freiheit!“ Großer Moment – wie bei Shakespeares Königsdrama "Henry V.".

Nachdem die weibliche Hauptfigur der Geschichte nach 45 Filmminuten schon tot ist, scheint irgendjemand im Kreis der Filmemacher – Studioboss, Produzenten, Mel Gibson selbst – aufgefallen zu sein: Braucht der harte Titelheld nicht ein zartes Element, eine Frau an seiner Seite? Eine Frau, die aber derart gewichtig sein müsste, dass die auf ewig beschworene Liebe zwischen Wallace und seiner Murron keinen Schaden nimmt? Auftritt Königin Isabelle, gespielt von Sophie Marceau (D'Artagnans Tochter – 1994; Meine Nächte sind schöner als deine Tage – 1989; Die Studentin – 1988; Chouans! – Revolution und Leidenschaft – 1988; Abstieg zur Hölle – 1986; Der Bulle von Paris – 1985; Fröhliche Ostern – 1984; La Boum 2 – Die Fete geht weiter – 1982; La Boum – Die Fete – 1980). Sie macht das Beste aus ihrer Rolle als Gattin des weichlichen englischen Königssohns und kann am wenigsten dafür, dass sie wie ein Fremdkörper wirkt. Sie spielt die sich vor Leidenschaft Verzehrende. Zwangsverheiratet, um die Bande zwischen Frankreich und England enger zu knüpfen, mit einem schwulen Mann, erkennt sie in dem stattlichen Freiheitskämpfer mit den stolzen Idealen und den strahlend blauen Augen, Plakatmotiv: Braveheart (1995) der auch auf Latein und Französisch parliert, endlich die Erlösung von ihrer erotikfreien Pein, die noch von ihrer Zofe verstärkt wird, die ihr vorschwärmt, wie wenig englische Adelige doch wüssten, wozu man im Bett eine Zunge nutzen könne.

Randall Wallace, der Drehbuchautor, findet für diese etwas mutwillig herbei geschriebene Liaison, die keinesfalls die Liebe zu Murron verschütten darf, den schönen Kniff, dass Isabelle schließlich Williams Kind unter dem Herzen trägt; der Thronfolger des grantigen, verschlagenen, bösartigen Königs Edward Longshanks – großartig in dieser Rolle: Patrick McGoohan (Flucht von Alcatraz – 1979; Nobody ist der Größte – 1975; Eisstation Zebra – 1968) – also wird dessen Blutlinie beenden, und ein Schotte ist er zudem. Auch das ist nichts für den Geschichtsunterricht: Die historische Isabelle war rund 10 Jahre alt, als Wallace starb. In diesem Cinemascope-Spektakel wäre eine kleinere Lösung als die Erbfolge im englischen Königshaus zu ändern allerdings eben dies: zu klein.

Nichts an diesem dreistündigen Film ist klein. Kameramann John Toll lässt die Kamera sehnsuchtsvoll über die Highlands gleiten; die allgegenwärtige schottische Nässe kriecht uns noch im Kinosessel unter den Pullover; die Kamera platziert uns mitten in die Schlacht. Es gibt beeindruckende Massenszenen, blutige Schlachten, wie sie in dieser Brutalität auf der Leinwand noch nicht zu sehen waren. Gibson zeigt die Essenz des Krieges, die uns abhanden gekommen ist angesichts von klinisch sauberen Kriegsbildern in den Abendnachrichten, in denen Schlachten mit Langstreckenraketen ausgefochten werden. In "Braveheart" werden die Schlachten Mann gegen Mann geschlagen. Menschen werden durchbohrt, Beine abgehackt, Körper zerteilt, Blut spritzt auf die Optik der Kamera, Kämpfende stolpern über im Schlamm Sterbende. Und im Hintergrund rammen auf Wallaces Ruhm eifersüchtige Edelleute dem unbeugsamen Kämpfer ein Messer in den Rücken. Auch der Verrat in diesem Film ist Cinemascope.

Die Edelleute sind im Film Egoisten, eifersüchtig auf ihren Vorteil bedacht, diejenigen, die Freiheit verhindern und sich wochenlang über die Frage streiten, wer der wohl mehr rechtmäßige König Schottlands sein könnte – unter Edwards Herrschaft. Der hält die Edelleute clever an der kurzen Leine, schenkt ihnen Lehen und Besitz im Norden Englands, der sie immer noch abhängiger von der Krone macht, immer noch mehr die Lust am Aufstand verlieren lässt; sie könnten ja alles wieder verlieren. Ein Mann hingegen muss manchmal tun, was ein Mann eben tun muss – nicht mehr reden. Handeln! Dabei darf er zweifeln. Ein packender Held ist im Kino der, der zögert, der die große Aufgabe zunächst ablehnt – „Ich möchte nur mein Land bestellen, Gemüse ziehen und mit etwas Glück auch eine Familie.“ Der erst aufsteht, als er persönlich betroffen ist. Das macht ihn glaubhafter für das Volk, das folgt. Wallace ist zudem einer, der von Menschen erzogen worden ist, die ihn erst gelehrt haben, seinen Kopf zu nutzen, bevor sie zu der Sache mit dem Schwert kamen. Die Fallen, in die Wallace die Engländer immer wieder tappen lässt, sind Teil der Schönheit dieses Films. Er ist pures Kino – Bigger than Life!

Wertung: 11 von 11 D-Mark
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