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Plakatmotiv: Die Bounty (1984)

Ein bunter Abenteuerfilm
dem das Drama fehlt

Titel Die Bounty
(The Bounty)
Drehbuch Robert Bolt
nach dem Buch "The Bounty" von Richard Hough
Regie Roger Donaldson, UK, USA, Neuseeland 1984
Darsteller

Mel Gibson, Anthony Hopkins, Laurence Olivier, Edward Fox, Daniel Day-Lewis, Bernard Hill, Phil Davis, Liam Neeson, Wi Kuki Kaa, Tevaite Vernette, Philip Martin Brown, Simon Chandler, Malcolm Terris, Simon Adams, John Sessions u.a.

Genre Abenteuer, Drama
Filmlänge 108 Minuten
Deutschlandstart
10. Mai 1985
Inhalt

Kapitän William Bligh ist 1788 mit der "Bounty" unterwegs, um Früchte des Brotbaums aus dem Südpazifik nach England zu holen. Nach zehn Monaten auf See erreicht er Tahiti. Sein Freund und Erster Offizier Christian Bligh verliebt sich in Prinzessin Mauatua, Tochter des Häuptlings.

Auf der Rückreise kommt es am 28. April 1789 zur Meuterei. Fletcher lässt Bligh mit 18 Männern aussetzen, die 6.000 Kilometer in einer Schaluppe zurücklegen. Fletcher verbrennt die Bounty und lässt sich mit seinen Männern und Mauatua auf der Insel Pitcairn nieder.

Am 26. Oktober 1788 werden die nach fürchterlichen Stürmen erschöpften Seeleute von Eingeborenen empfangen …

Was zu sagen wäre

Wenn Frauen ins Spiel kommen, wird das gewohnte Leben der Männer schnell zur Hölle. Vor allem, wenn es sich ausschließlich um schöne, junge, zartbraune Mädchen mit langem, schwarzem Haar handelt, die oben ohne herumlaufen. Die Geschichte der Meuterei auf der Bounty wurde schon mehrfach filmisch aufbereitet. Diese Version hier gilt als jene, die den historisch belegten Ereignissen vom April 1789 am nächsten kommen (soll). Vielleicht ist der Film deshalb so wenig spannend.

Roger Donaldson setzt auf klassisches Segelschiffkino. Die Segel blähen, die Sonnenauf- und untergänge sind schöner als alle, die wir im Urlaub erleben. Das Leben an Bord ist hart, die Kameradschaft der Männer unter Deck brüchig, der Kapitän zu Beginn hart aber gerecht – „Das war eine Fehlentscheidung meinerseits“, sagt er sogar an einer Stelle vor der gesamten Mannschaft. Aber wir wissen ja schon, dass es diese Meuterei geben wird, weil Bligh über die Stränge geschlagen hat. Nicht unbedingt, weil wir alt genug sind, um Meuterei auf der Bounty (1962) mit Marlon Brando und Trevor Howard zu kennen. Aber auf jeden Fall, weil das Drama an Bord in eine Rahmenhandlung eingebettet ist: William Bligh muss sich vor dem Militärgericht für den Verlust seines Schiffes verantworten, das eben nicht gesunken ist, sondern „mir weggenommen wurde“.

Zum legendären Sadisten wird Lt. William Bligh erst, als die Frauen im Spiel sind und dadurch die Disziplin seiner Männer schwindet, der Aufenthalt in Tahiti dauert schon 13 Wochen länger als geplant. Drei Matrosen, die desertieren, lässt er auspeitschen, er zwingt seine Männer zurück aufs Boot und reißt Paare auseinander, die sich auf Tahiti gefunden haben. Als er dann noch ums Kap Hoorn zurück nach Hause segeln will, vor allem, um seinen persönlichen Ehrgeiz zu befriedigen und seine Karriere als Mann aus einfachen Verhältnissen in der königlichen Marine zu befeuern  und obwohl die Umsegelung des Kap Hoorn schon beim ersten Mal beinah in der Katastrophe geendet hätte, meutert die Mannschaft. Das ist unter Roger Donaldsons Regie alles nachvollziehbar, wirkt aber wie der Quartalsbericht eines Unternehmens über die Importe von Brotfruchtbäumen. Es ist eine interessante Information, dass die Brotfruchtbäume als billigerer Brotersatz für die Sklaven in Jamaica gedacht waren (was die Briten einmal mehr in ziemlich unappetitlichem Licht dastehen lässt), und es ist gut, auf der Leinwand zu erleben, welche Strapazen William Bligh und seine mit ihm ausgestoßenen Männer in der kleinen Schaluppe zu erdulden hatten, um das nautische Geschick dieses Mannes besser würdigen zu können.

Aber ich sitze im Kino, nicht vor einer TV-Dokumentation über das Drama der Bounty. Es mag dem Teenager in mir geschuldet sein, dass Trevor Howard in der William-Bligh-Rolle für mich für immer als der ikonographische Schurke in diesem Stück gilt, als ein archetypischer Vertreter des arroganten, menschenverachtenden britischen Offiziers, dem seine Persönlichkeit über alles geht. Howards Charakterisierung aus dem Jahr 1962 war der damaligen (immer noch Nachkriegs-)Perspektive eines US-Studios auf Europa im allgemeinen und England im besonderen geschuldet. Plakatmotiv (DDR): Die Bounty (1984) Anthony Hopkins, der den Bligh im vorliegenden Film spielt, spielt ihn differenzierter als Howard; nachvollziehbarer aber wird er dadurch nicht, eher wankelmütiger. Seine Entscheidungen wirken weniger durchdacht als flatterhaft. Seine Motivation schnurrt in einem Dialogsatz zusammen, in dem Bligh seine Enttäuschung formuliert, dass die Kommandantur ihm den Rang eines Captains verweigert. Das macht die Darstellung seiner nautischen Fähigkeiten im letzten Drittel des Films gehaltvoller, die Figur aber nicht spannender. Anthony Hopkins' Lt. William Bligh ist einer, der einfach nur Karriere machen will.

Blighs Gegenspieler Fletcher Christian ist den größten Teil des Films ein Freund Blighs. Christian kommt aus guten Verhältnissen und es klingt an, dass Bligh sich von ihm Hilfe bei seinen Karriereplänen erhofft. Und dann verliebt sich Fletcher Christian in die Tochter des tahitianischen Königs und vorbei ist es mit der Männerfreundschaft. Mel Gibson ("Ein Jahr in der Hölle" – 1982; Mad Max 2 – Der Vollstrecker – 1981; "Gallipoli" – 1981; Mad Max – 1979) spielt Fletcher Christian als charmanten, Good looking Guy ohne Ambitionen. Er entstammt einer Familie, die gewohnt ist zu bekommen, was sie will. Und als der sozial geringer stehende Bligh ihm seine Liebesgeschichte mit der tahitiarischen Prinzessin verwehrt, ist das ein Bruch der gesellschaftlichen Ordnung. Die Zwischentöne einer solchen Mesalliance zwischen Kapitän und Erstem Offizier lässt der Film außen vor, lediglich die comicartig skizzierte Schönheit eines Paradieses mit nackten Frauen unter Palmen müssen dem Ersten Offizier als Motivation zur Meuterei reichen. Was zum Beispiel die englischen Seeleute in Tahiti über die vielen Wochen, während denen die Botaniker an Bord Brotfruchtbäume eingesammelt und aufgezogen haben, gemacht haben, sagt der Film nicht. Hatten die tatsächlich rund 20 Wochen Urlaub im Paradies? Wenn ja, hätte dieser Fehler im Marine-System, in dem einfache, ungebildete Tagelöhner plötzlich tatsächlich das Paradies zu erkennen glauben und keine Lust verspüren, zurück in ihre muffigen, feuchten Kojen an Bord eines Seglers zu gehen, schärfer herausgearbeitet werden können.

Vielleicht liegen die Missverständnisse auch nur an der deutschen Version des Films? In den deutschen Kinos lief eine um 25 Minuten gekürzten Fassung, die so auch auf DVD veröffentlicht wurde. Als Eindruck nach dem Kinobesuch blieb ein netter Abenteuerfilm mit ein paar schönen Bildern.

Wertung: 5 von 9 D-Mark
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