Frankreich 1793: Nachdem in Paris die Republik ausgerufen wurde, vollzieht sich in der bretonischen Provinz das Nachspiel der Revolution. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen den königstreuen Chouans, welche die Revolution rückgängig machen wollen, und den Regierungstruppen. Dies hinterlässt auch Spuren bei der Familie des Grafen Savinien de Kerfadec. Während sein Sohn Aurèle mit den Chouans sympathisiert, ist Adoptivsohn Tarquin überzeugter Revolutionär. Eines haben die beiden jedoch gemeinsam: Sie hegen Gefühle für Céline, die de Kerfadec ebenfalls als Kind bei sich aufgenommen hat …
Die Revolution frisst ihren Kinder! Diesen Satz kenne ich seit frühester Kindheit. Woher er kommt, weiß ich nicht, ahne die Herkunft aber angesichts dieses Films. Die Revolution in Frankreich 1789 stürzt den König, macht aus Untertanen Bürger, die in der Folge ihren ehemaligen König hinrichten und es daher mit den europäischen Königshäusern zu tun bekommen, denen es gar nicht passt, wenn einer ihrer Cousins unter der Guillotine landet, was wiederum die eigenen Untertanen auf dumme Gedanken bringen könnte. Also brauchen die Revoluzzer, die eben noch das französische Volk aus der Knechtschaft des Adels und des Klerus befreien wollten, jetzt erst einmal rasch eine starke Armee, bestehend aus vielen Bürgern, die die aristokratischen Feinde aus Europa niederringen sollen. Und wenn das geschafft ist, dann beginnt die Sache mit der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.
Das ist die Sicht der Revolutionäre in Paris. Paris ist das Zentrum Frankreichs. Hier sitzen alle, die herrschen und über das Volk zu bestimmen haben. Anders, als etwa die Bundesländer in Deutschland heute, haben die Départements in Frankreich keine eigene Exekutive. Von Paris aus gesehen, ist alles andere Provinz. In der Provinz lebt das Volk in Jahrhunderte alter Abhängigkeit des Adels. Das wollten die Revolutionäre aufbrechen. Aus heutiger Sicht verständlich. Der vorliegende Film will die Schattenseiten dieser Revolution ausleuchten und bricht das historische Drama auf eine leidenschaftliche Dreiecksgeschichte herunter, auf einen Kampf Stiefbruder gegen Stiefbruder um die gemeinsame Stiefschwester.
Philippe de Broca (Ein verrücktes Huhn – 1977; Der Unverbesserliche – 1975; Le Magnifique – 1973; Abenteuer in Rio – 1964; Cartouche, der Bandit – 1962) steht auf der Seite der Royalisten, der titelgebenden Chouans, die bei ihm nicht einfach die alten Strukturen zurückhaben wollen. Es sind zunächst die einfachen Bauern, die im Zuge des Sturms auf die Bastille ihre Felder nicht mehr bestellen, die Ernte nicht mehr einfahren können, weil sie von den Revolutionären im fernen Paris als Soldaten gebraucht werden und deshalb in den (neuen) Widerstand gehen. Das machen sich die ehemals Adeligen zunutze und stellen sich an die Spitze der Bauern; und siehe: Die Revolution frisst ihre Kinder!
De Broca stellt einen Adligen ins Zentrum seines Films, der sich nicht um die Politik im fernen Paris kümmert, aber sehr um die Bauern in seiner Region. Dieser Savinien de Kerfadec ist ein wahrer Menschenfreund, der in den ersten zehn Filmminuten seine Frau bei der Geburt seines Sohnes verliert, zwei Waisenkinder aufnimmt und einer an eine Tür genagelten Eule, die der Knecht dort als Abwehr gegen das Böse angeschlagen hat, die Freiheit schenkt. Philippe Noiret ("Masken" – 1987; "Die Bestechlichen" – 1984; "Der Saustall" – 1981; Ein verrücktes Huhn – 1977; Das große Fressen – 1973; Topas – 1969; Alexander, der Lebenskünstler – 1968) spielt den Savinien als trauernden Witwer, lebensfrohen Bonvivant und Fürsorger seiner Leute. Dass die Chouans mit derselben Grausamkeit zuschlagen, wie die Revolutionäre, verhandelt de Broca auf kleiner Flamme. Die Revolutionäre sind, ausgestattet mit einer Armee, die dunklere Bedrohung, das Morden der Chouans lässt sich da irgendwie rechtfertigen.
Die Revolutionäre der ersten Stunde, die, die den König unter die Guillotine gelegt haben, sind in diesem Film die Bösen, die Bürger ermorden, die anders denken. Ihr Chef in der Bretagne ist der "Bürger Kommissar" Tarquin, einer der beiden Ziehsöhne des Grafen Kerfadec, der sich ganz den Idealen der Revolution verschrieben hat: „Die Republik muss ihren Kindern das Licht anbieten. Die Erkenntnis!!“ Lambert Wilson (La Boum 2 – Die Fete geht weiter – 1982) im schwarzen Gewand spielt ihn als Finsterling, der Kinder hinrichten lässt und fest davon überzeugt ist, dass zur Not halb Frankreich unter die Guillotine gehört, wenn dadurch die Ideale der Revolution gesichert wären. Sein schärfster Gegner ist Aurèle, leiblicher Sohn des Grafen Kerfadec und so eine Art Halbbruder des bösen Bürger Kommissar Tarquin. Aurèle war einige Jahre in Amerika und dachte eigentlich, er kommt zurück, holt seine geliebte Céline und dann gehen beider ihrer Wege.
Weil Céline, das andere Ziehkind des Grafen Kerfadec, aber ein bisschen emanzipierter ist, als Männer des 18. Jahrhunderts das erwarten, schickt sie Aurèle, der sich in all den jähren nicht einmal bei ihr gemeldet hat, zum Teufel. Daraufhin schließt der sich dem Widerstand an, den Chouans. Céline wird gespielt von Sophie Marceau (Abstieg zur Hölle – 1986; Der Bulle von Paris – 1985; Fröhliche Ostern – 1984; La Boum 2 – Die Fete geht weiter – 1982; La Boum – Die Fete – 1980). Das ist hier von Belang, weil sich Frankreich in La Marceau mit ihren La Boum-Filmen schockverliebt hat und dann vor zwei Jahren in Abstieg zur Hölle verkraften musste, wie das einst entzückende junge Mädchen, mittlerweile zur reifen Frau erblüht, mit ihrem La Boum-Vater Claude Brasseur, der nun ihren Ehemann spielte, heiße Liebesspiele treibt. Für französische Filmemacher ist Sophie Marceau eine erotische Herausforderung, für den männlichen Zuschauer ein Argument, warum sich zwei Brüder bis in den Tod verkrachen, wenn nur beide in eben diese Frau verliebt sind.
Die Dramaturgie kommt da nicht ganz hinterher. Das zentrale Dreiecksdrama der drei Beinahe-Geschwister kommt erst im letzten Drittel des Zweieinhalb-Stunden-Films in Fahrt, bis dahin folgen wir Partisanentrupps, die sich gegen die nun Herrschenden auflehnen, die in keine Kriege in fremden Ländern ziehen wollen, sondern ihre Felder bestellen, und sehen Nachbarn, die sich gegenseitig an die Gurgel gehen. Für Zuschauer außerhalb Frankreichs, die die Geschichte dieser Revolution als auswendig gelernte Daten aus dem Geschichtsunterricht kennen und die französische Revolution als einen glanzvollen Höhepunkt französischer Politik abgespeichert haben, ist die Perspektive dieses Films überraschend und daher im Kinosessel ad hoc schwer nachvollziehbar. Da kann der Franzose de Broca nichts dafür, der alles tut, um seinen Film spannend zu gestalten – Schlachtfeld-Action, Enthauptungen, Liebesschwüre. Es ist ein bunter Abenteuerfilm mit dramatischem Ansatz.
Aber für Nicht-Franzosen schnurrt das epische Drama auf eine Erkenntnis aus dem Englisch-Leistungskurs zusammen: ”Alle Tiere sind gleich“, heißt es bei George Orwell, als die Schweine die Revolution auf der "Farm der Tiere" vollendet haben. „Aber manche Tiere sind gleicher als gleich.“ Was ich mitnehme aus de Brocas Film? Traue keinem Revolutionär, der Dir seine bessere Welt verspricht. Denn der hat immer den Faschismus im Hinterkopf.
Eigentlich kein schlechter Gedanke für den Nachhause-Weg.