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Plakatmotiv: Unterwegs nach Cold Mountain (2003)

Art Odyssee durch ein traumatisiertes
Land, die Dir nicht unter die Haut geht

Titel Unterwegs nach Cold Mountain
(Cold Mountain)
Drehbuch Anthony Minghella
nach dem gleichnamigen Roman von Charles Frazier
Regie Anthony Minghella, USA, It., Rum., UK 2003
Darsteller

Jude Law, Nicole Kidman, Renée Zellweger, Eileen Atkins, Brendan Gleeson, Philip Seymour Hoffman, Natalie Portman, Giovanni Ribisi, Donald Sutherland, Ray Winstone, Kathy Baker, James Gammon, Charlie Hunnam, Jack White, Ethan Suplee, Jena Malone, Melora Walters, Lucas Black, Taryn Manning, Tom Aldredge u.a.

Genre Abenteuer, Drama
Filmlänge 154 Minuten
Deutschlandstart
19. Februar 2004
Inhalt

Am Vorabend des amerikanischen Bürgerkriegs lernen sich die wohlhabende, gebildete Pfarrerstochter Ada Monroe und der einfache Handwerker Inman in Cold Mountain, einem verschlafenen Nest in den Bergen North Carolinas kennen. Kaum dass die beiden sich nähergekommen sind, beginnt der Krieg und reißt das junge Paar auseinander. Während Inman aufseiten der Konföderierten in den Krieg zieht, bleibt Ada in Cold Mountain zurück.

Es vergehen drei Jahre, während derer Inman viele seiner Freunde im Krieg verliert und schließlich selbst nur knapp mit dem Leben davonkommt. Ein Foto von Ada hütet Inman wie einen Schatz – fest entschlossen, zu seiner Liebe nach Cold Mountain zurückzukehren. Als Inman schwer verletzt in einem Lazarett landet, erreichen ihn Adas Briefe und er beschließt zu fliehen. Als vogelfreier Deserteur tritt Inman eine ungeahnt gefährliche Reise an, die ihn durch ein vom Krieg völlig traumatisiertes Land führt.

Indes versucht Ada mit aller Kraft, die brachliegende Farm ihres mittlerweile verstorbenen Vaters wieder zu bewirtschaften. Dabei gerät die gebildete, in praktischen Dingen wenig gebildete Ada an ihre Grenzen. Als die eigenwillige Ruby auftaucht, um Ada zu helfen, entwickelt sich zwischen den Frauen eine tiefe Freundschaft …

Was zu sagen wäre

Ein Film, der von den Verheerungen, die ein Krieg mit sich bringt, erzählen will – nicht von denen auf dem Schlachtfeld, obwohl auch die Erwähnung finden, nein, vor allem die danach.

Der Film springt zwischen zwei Zeitebenen. Los geht’s auf einem blutigen Schlachtfeld bei Petersburg, 1864, als die Yankees (Norden) versuchen, sich mit einem langen Schacht unter die Stellung der Konföderierten (Süden) zu graben, um diese mit einer ordentlichen Portion Sprengstoff in die Luft zu jagen. Der Plan schlägt fehl, die Yankees werden in dem als „Kraterschlacht“ in die Geschichte eingegangenen Gefecht erbarmungslos niedergemetzelt. Zwischendurch springt der Film drei Jahre zurück: Inman und Ada lernen sich kennen, er zieht bald in den Krieg, ihr Vater stirbt, ihr droht der Hungertod, weil sie keine Ahnung vom Handwerk auf einer Farm hat. Die Nachbarn helfen ihr. Der dubiose Teague schleicht um ihr Haus, will sie und die Farm abgreifen. Und dann taucht Ruby auf, eine junge frau, die weiß, wie und wo man anpacken muss, um so eine Farm ans Laufen zu bekommen. Währenddessen ist Inman nach weiteren Schlachten und schweren Verletzungen desertiert und stolpert jetzt, der Bruderkrieg zwischen Nord- und Südstaaten geht dem Ende entgegen, durch ein Land, das in Trümmern liegt.

Jeder gegen Jeden, weil jeder hungert. Städte und Farmen sind verwaist. Hinter verbarrikadierten Türen kauern Witwen, deren Männer im Krieg gefallen sind, und versuchen, ihr krankes Neugeborenes durchzubringen und vor der Tür stehen Hungernde, die jede Menschlichkeit fahren lassen, um der Witwe auch noch den letzten Fitzel Überleben wegzunehmen. Ein Geistlicher, der eine Sklavin geschwängert hat und von seiner Gemeinde verstoßen wurde. Ein Hilfreicher, der Inman Obdach „bei meinen Frauen“ bietet und der sein Überleben sichert, indem er Fahnenflüchtige wie Inman, nachdem er Obdach angeboten hat, dann an die Soldaten verpfeift. Fährfrauen, die sich eine Überfahrt über den Fluss teuer bezahlen lassen und ihren Körper noch teurer verkaufen. Aber die wird gleich von einem Heckenschützen erschossen.

Denn die gute Moral des Hollywoodkinos funktioniert in diesem Reigen von Schändlichkeiten. Wieder und wieder sorgen widerliche Unsympathen für Gräuel und müssen bald dafür büßen. Das macht den Film mühsam, diese Struktur mit unappetitlichen Abenteuern, die aufeinander folgen, mal irgendwo im Nirgendwo mit Inman, mal auf der Farm in Cold Mountain mit Ada, während beide stets felsenfest den jeweils anderen als Anker in dieser Lebenshölle benutzen.

Seit Mel Gibsons Braveheart (1995) gehört die matschige Brutalität auf Schlachtfeldern zur Grundausstattung eines Kriegsfilms. Anthony Minghella (Der talentierte Mr. Ripley – 1999; Der englische Patient – 1996), dessen Kamera sich in Schmutz, Gedärmen und Litern von Blut suhlt, hat sich dazu noch die spezielle Erzählkunst Steven Spielbergs abgeschaut, der in der Einstiegssequenz seines Soldat James Ryan (1998) das Erleben der Soldaten bei der Erstürmung des Omaha Beach real spürbar gemacht hat. Minghella steigt mit der Kraterschlacht ebenso intensiv in den Film ein, setzt damit die gnadenlose Stimmung, die uns zweieinhalb Stunden begleiten wird. Damit das nicht zäh wirkt, überrascht uns "Cold Mountain" mit lauter großen Schauspielnamen in auch noch kleinsten Rollen. Vorne dran Jude Law, dessen Karriere in Hollywood gerade fliegt (Road to Perdition – 2002; A.I.: Künstliche Intelligenz – 2001; Duell – Enemy at the Gates – 2001; Der talentierte Mr. Ripley – 1999; eXistenZ – 1999; Mitternacht im Garten von Gut und Böse – 1997; Gattaca – 1997), der aber immer noch auffallend oft über seine gutes Aussehen taxiert wird. Er spielt Inman, einen Mann weniger Worte, dessen Herz für Ada bebt, obwohl man nicht mitkriegt, warum eigentlich. Sie plappert ununterbrochen, er hat’s gerne still. Plakatmotiv: Unterwegs nach Cold Mountain (2003)Sie lächelt nicht so gerne. Aber sie wird gespielt von Nicole Kidman ("Der menschliche Makel" – 2003; "The Hours – Von Ewigkeit zu Ewigkeit" – 2002; The Others – 2001; Moulin Rouge! – 2001; Eyes Wide Shut – 1999; Projekt: Peacemaker – 1997; Batman Forever – 1995; Malice – Eine Intrige – 1993; In einem fernen Land – 1992; Tage des Donners – 1990; "Todesstille" – 1989), die mit ihrem Porzellantein in dieser schmutzigen Welt schon Sehnsucht genug hervorholt. Beide haben kaum Szenen miteinander, deswegen muss ihre Liebe zueinander über die Jahre stets eine Behauptung bleiben – untermauert dadurch, dass sie beide am Leben hält. Natalie Portman (Zoolander – 2001; Mars Attacks! – 1996; Alle sagen: I love you – 1996; Heat – 1995; Léon: Der Profi – 1994), die gerade als edle Padme Amidala durch eine weit, weit entfernte Galaxie schreitet, spielt hier eine verzweifelte Witwe. Brendan Gleeson ist als undurchsichtiger Kriegsflüchtling dabei, ein knuddeliger Donald Sutherland gibt Adas Vater, Philip Seymour Hoffman ist ein promiskuitiver Prediger und so weiter.

Auf der Farm sorgt Ruby bald für Ordnung und hat Ada alles gezeigt, was man wissen muss. Wer sie ist? Bleibt unklar. Man kennt sie hier in der Gegend und sie ist keine Falsche. Später bekommen es auch die Frauen mit Kriegsflüchtlingen zu tun, die sie verstecken, womit sie sich und ihre Farm in Gefahr bringen.

So springen wir im Kinosessel von einer potenziell gefährlichen Situation zu nächsten, ohne, dass sich was entwickelt; wie bei einer TV-Serie, die solange neue Folgen nachreicht, bis die Zuschauer das Interesse verlieren. Oder, will man es pompöser: Es ist wie in Homers Odyssee, bei der der Held ein Abenteuer nach dem anderen erlebt und Jahre braucht, um heim zu kommen. Nach Tagen, wenn sich die Geschichten und Geschichtchen zu einem komplexen Bild verklumpt haben, wirkt das intensiver, als während der sehr langen zweieinhalb Stunden im Kinosessel.

Aufregend ist, was Minghella in seinem Film nicht erzählt. Ein zentraler Punkt dieses Krieges zwischen Nord- und Südstaaten war die Sklaverei und die Abschaffung dieser. Sklaven spielen in diesem Film allerdings keine Rolle. Einmal tauchen ein paar verängstigte Farbige auf, die drei Bilder später tot sind. Ruby, die Retterin der Farm ist in der Romanvorlage eine Farbige. Im Film wird sie von Renée Zellweger gespielt (Chicago – 2002; Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück – 2001; Nurse Betty – 2000; Jerry Maguire: Spiel des Lebens – 1996; Reality Bites – Voll das Leben – 1994), Tochter eines weißen Schweizers und einer weißen Norwegerin.

Den eigentlich interessanten Teil der Romanvorlage scheint Minghella einfach weggelassen zu haben. War ihm wohl zu umständlich, neben den Albträumen der weißen Heimkehrer aus dem Bruderkrieg auch noch die Albträume der Geknechteten zu thematisieren, um deren Befreiung es in diesem Krieg doch eigentlich ging.

Wertung: 3 von 6 €uro
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