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Plakatmotiv: Air Force One (1997)

Harrison Ford als Präsident
in Stirb-Langsam-Manier

Titel Air Force One
(Air Force One)
Drehbuch Andrew W. Marlowe
Regie Wolfgang Petersen, USA, Deutschland 1997
Darsteller

Harrison Ford, Gary Oldman, Wendy Crewson, Paul Guilfoyle, Glenn Close, William H. Macy, Liesel Matthews, Dean Stockwell, Jürgen Prochnow, Xander Berkeley, Tom Everett, Donna Bullock, Michael Ray Miller, Carl Weintraub, Elester Latham u.a.

Genre Actionthriller
Filmlänge 124 Minuten
Deutschlandstart
23. Oktober 1997
Inhalt

Moskau. US-Präsident James Marshall erklärt bei einem Bankett in Moskau den internationalen Terrorismus zur größten aller Bedrohungen. Verhandlungen oder Nachsicht mit Geiselnehmern und Bombenlegern werde es künftig nicht mehr geben. Der Applaus ist groß. Wieder an Bord der Präsidentenmaschine, der "Air Force One", studiert Marshall noch die international einhellig positiven Reaktionen auf seine Rede, als Terroristen unter der Führung von Ivan Korshunov das Kommando über das Flugzeug übernehmen. Ihr Ziel: Freipressen des berüchtigten General Radek, um ein zweites russisches Reich zu gründen.

Präsident Marshall gelingt es, Korshunov zu entfliehen, seine Flucht aus der Maschine vorzutäuschen, sich in den zahllosen Korridoren seiner Maschine zu verstecken und einen Ein-Mann-Krieg gegen die Terroristen zu starten. Aber irgendwann hilft keine Guerilla-Taktik mehr. Marshall muss all sein Können in psychologischer Kriegführung von Angesicht zu Angesicht mit dem Terror aufbieten.

Während das Weiße Haus eine Staffel F-15 Kampfbomber gegen die gekaperte Air Force One losschickt, kämpft Marshall gegen Korshunov einen Krieg, in dem das Leben seiner Familie und die Existenz der westlichen Welt auf dem Spiel steht …

Was zu sagen wäre

Für so einen Präsidenten würden die US-Wähler wahrscheinlich die Begrenzung auf zwei Amtszeiten aufheben. James Marshall ist ein Mann, der nicht nur redet – „Wir müssen unsere Pflicht tun. Koste es, was es wolle!“ – sondern handelt. Gerade erst hat er in einer konzertierten Aktion mit Moskau einen kasachischen Despoten mit Großmachtsambitionen aus dem Verkehr gezogen und bei einem Festbankett in Moskau hat er den versammelten Despoten der Welt offen den Kampf angesagt. Und jetzt schmeißt er auch noch Terroristen aus seinem Flugzeug, die ihn, seine Familie und 50 weitere Geiseln genommen hatten.

What a Man!

Gut, wir wollen uns in diesen unsicheren Zeiten, in denen sich Iraks Saddam Hussein mit den UN-Waffenkontrolleuren ein Katz- und Maus-Spiel um Massenvernichtungswaffen-Ja-oder-Nein liefert, lieber nicht vorstellen, was das für eine Welt wäre, in der der US-Präsident entscheidet, wer ein Despot ist und wer nicht, der also sagt: Wenn die bestehenden internationalen Regeln sich mit grundlegenden amerikanischen Werten nicht decken, dann zum Teufel mit diesen Regeln.

Ein US-Präsident James Marshall würde Hussein möglicherweise vorauseilend einen Marschflugkörper zwischen die Augen schießen. Aber den gibt es zum Glück nur im Kino, verbindlich gespielt mit ungeheuer schlecht gelaunter Note von Harrison Ford (Vertrauter Feind – 1997; Sabrina – 1995; Das Kartell – 1994; Auf der Flucht – 1993; Die Stunde der Patrioten – 1992; In Sachen Henry – 1991; Aus Mangel an Beweisen – 1990; Die Waffen der Frauen – 1988; Frantic – 1988; Mosquito Coast – 1986; Der einzige Zeuge – 1985; Blade Runner – 1982; Jäger des verlorenen Schatzes – 1981; Ein Rabbi im Wilden Westen – 1979; Apocalypse Now – 1979; Krieg der Sterne – 1977; "Der Dialog" – 1974; American Graffiti – 1973). Fords Präsidentenfigur ist chronisch übermüdet, jovial zu seinen Mitarbeitern, die ihm die Spiele seiner Footballmannschaft aufzeichnen, die er wegen eines Staatsbanketts verpasst und ausgesprochen mies drauf gegenüber bewaffneten Terroristen, die seine Tochter und seine Frau bedrohen. Seine 12-jährige Tochter Alice weiß, was sie an ihrem Daddy hat, und faucht dem Chefterroristen ins Gesicht: „Sie sind ein Monster. Und mein Vater ist ein großer Mann. Sie könnten ihm niemals das Wasser reichen.“ Ursprünglich war Kevin Costner für die Marshall-Rolle angefragt. Plakatmotiv (US): Air Force One (1997) Der musste wegen seiner Arbeiten an Postman absagen und schlug Ford für die Rolle vor. Das war eine glückliche Fügung.

Nach Roland Emmerich (Independence Day – 1996) beweist nun also auch Wolfgang Petersen (Outbreak – 1995; In the Line of Fire – 1993; "Tod im Spiegel" – 1991; Enemy Mine – 1985; Die unendliche Geschichte – 1984; Das Boot – 1981; Smog – 1973), dass deutsche Regisseure in Hollywood die Besseren sind, wenn Stars and Stripes stolz im Wind flattern sollen. Exil-Österreicher und Filmlegende Otto Preminger hat Petersen wohl geraten, nachdem dessen Hollywood-Debüt "Tod im Spiegel" 1991 baden gegangen war, in Amerika niemals zu versuchen, einen europäischen Film zu drehen. Das hat Petersen in der Folge verinnerlicht (Outbreak – Lautlose Killer – 1995; In the Line of Fire: Die zweite Chance – 1993; "Tod im Spiegel" – 1991; Enemy Mine – 1985; Die unendliche Geschichte – 1984; Das Boot – 1981).

85 Millionen Dollar hat er ausgegeben für seinen Film – reingeholt hat er rund das vierfache, 315 Millionen Dollar weltweit. Ja: Die Geschichte ist weit hergeholt – wäre das bestbewachte Flugzeug der Welt so leicht zu kapern, wie das hier geschieht, wären die USA keine Supermacht. Allerdings kann ich mit dieser dezidierten Kritik auch Stirb langsam in den Boden rammen und mich um einen spannenden Kino-Nachmittag bringen.

Petersens Film ist spannend und sehr kurzweilig. Launig schneidet er zwischen dem Geschehen an Bord der AFO und dem Krisenstab im Weißen Haus hin und her, wo sich Vizepräsidentin Glenn Close  ("Weg aus der Hölle" – 1997; Mars Attacks! – 1996; – 101 Dalmatiner – 1996; Mary Reilly – 1996; Schlagzeilen – 1994; Das Geisterhaus – 1993; Hook – 1991; Die Affäre der Sunny von B. – 1990; Gefährliche Liebschaften – 1988; Eine verhängnisvolle Affäre – 1987; "Das Messer" – 1985; Der Unbeugsame – 1984; Der große Frust – 1983; Garp und wie er die Welt sah – 1982) den Machtansprüchen der Militärs erwehren muss, deren Verteidigungsminister gleich die Befehlsgewalt an sich reißen und ganz harte Saiten aufziehen möchte: „Soll das ganze Sowjetreich unter der Fahne des Völkermords wiederauferstehen? Radek, der Nuklearwaffen hat?? Ich sag's wirklich nicht gerne. Für mich sind 50 Menschen ein verhältnismäßig keiner Preis, wenn wir das verhindern können.“ „Selbst, wenn einer davon der Präsident ist?“ „Das Amt ist wichtig, nicht der Mann! Das sollten Sie in Yale gelernt haben.

Die Rolle des General Radek hat Petersen mit Jürgen Prochnow besetzt, dem "Alten" aus seinem Klassethriller Das Boot. Ich würde zu gerne wissen, ob Prochnow die undankbare Rolle aus alter Freundschaft übernommen hat, oder ob er es womöglich finanziell nötig hatte – viel hergeben tut sie nicht. Umgekehrt könnte man fragen, ob Petersen Prochnow eine gewisse Geringschätzung demonstrieren wollte, indem er Prochnow nicht die Korshunov-Rolle anbietet: Prochnow hat sich in Hollwood noch immer nicht durchsetzen können; Petersen ist nach Outbreak – Lautlose Killer (1995) und In the Line of Fire (1993) in Hollywood gerade ganz oben.

Ähnlich kühl hatte sich Petersen auch von seinem ehemaligen Kameramann Jost Vacano getrennt, der aus seinem Boot erst den klaustrophobischen Thriller gemacht hat, der weltweit Erfolge gefeiert hat. Über Vacano hieß es nach der Unendlichen Geschichte (1984) aber dann, er sei zu langsam, brauche zu viel Zeit, um sein Licht einzurichten – in Hollywood zählt dagegen kalte Effizienz. Der hat sich Petersen untergeordnet: Das BoxOffice muss stimmen, also blieben auch für den beim US-Publikum erfolglosen Prochnow nur die paar Sätze eines russischen Generals in der Statistenrolle und die Kameraarbeit übergibt er zum zweiten Mal an seinen Landsmann Michael Ballhaus, der bei Rainer Werner Fassbinder und Martin Scorsese gelernt hat (Sleepers – 1996; Outbreak – Lautlose Killer – 1995; Quiz Show – 1994; Zeit der Unschuld – 1993; Bram Stokers Dracula – 1992; GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia – 1990; Die Waffen der Frauen – 1988; Broadcast News – 1987; Die Farbe des Geldes – 1986; "Lili Marleen" – 1981; "Die Ehe der Maria Braun" – 1979).

Die Rolle des Schurken ging statt an Prochnow an Gary Oldman, der in die Kategorie wandlungsfähiger Schauspieler gehört (Das fünfte Element – 1997; Léon – Der Profi – 1994; True Romance – 1993; JFK - Tatort Dallas – 1991). Die Wandlungsfähigkeit zeigt er auch als Ivan Korshunov, ein Mann der an Bord zwischen väterlicher Zärtlichkeit, kaltem Zynismus und wuterfüllter Brüllerei die ganze Bandbreite bedient, sodass wir im Kinosessel für die Gründe seines Hasses sogar Verständnis entwickeln; hier wird auch die europäische Hand des Regisseurs deutlich, der keinen plumpen Schurken will, sondern einen mit Tiefgang.

Einen, der schon weiß, was es heißt, wenn der US-Präsident entscheidet, wer Despot ist und wer nicht.

Wertung: 10 von 11 D-Mark
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