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Plakatmotiv: Stirb Langsam (1988)

Hollywoods Action-Kino
betritt eine neue Dimension

Titel Stirb Langsam
(Die Hard)
Drehbuch Jeb Stuart
nach einem Roman von Roderick Thorp
Regie John McTiernan, USA 1988
Darsteller

Bruce Willis, Alan Rickman, Bonnie Bedelia, Reginald VelJohnson, Paul Gleason, De'voreaux White, William Atherton, Hart Bochner, James Shigeta,, Alexander Godunov, Bruno Doyon, Andreas Wisniewski, Clarence Gilyard Jr., Joey Plewa, Lorenzo Caccialanza u.a.

Genre Action
Filmlänge 131 Minuten
Deutschlandstart
10. November 1988
Inhalt

Die Weihnachtstage würden stressig werden: John McClane, New York Cop, wollte sich mit seiner Frau aussöhnen. Die war nach Los Angeles gezogen, hatte dort bei der Nakatomi-Corporation Karriere gemacht.

Ehekrach, Weihnachten in Los Angeles, Karrierefrau … Es stellt sich heraus, dass es schlimmer kommt. Gerade will John McClane seine Frau von der Weihnachtsfeier im noch nicht ganz fertig gestellten Nakatomi-Tower abholen, als eine Truppe schwerbewaffneter, elegant gekleideter Gangster die Kontrolle übernimmt, den Tower abriegelt und jetzt – im 33. Stock des Hauses – über 50 Geiseln hält. McClane kann entkommen.

Während die Gangster ihre Forderungen stellen, das FBI mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks alles falsch macht und manche Geisel zu vorlaut ist, um zu überleben, startet der New Yorker Cop in den oberen Stockwerken eine Partisanenschlacht.

Eigentlich hat er keine Chance. Aber die nutzt er …

Was zu sagen wäre

Jetzt habe ich eine Maschinenpistole! Ho Ho Ho!“, meldet der einsame Held an die überlegenen Terroristen ein paar Stock tiefer. In seinem Fall ist das tatsächlich eine substanzielle Verbesserung seiner Situation. Denn seit er es mit den Geiselgangstern im Nakatomi Tower an der Fox Plaza zu tun hat, ist er nur so halb angezogen – ohne Schuhe und im Feinripp-Unterhemd. Dieser Kampfdress spiegelt seine Situation. Der Cop aus New York, der auf Weihnachtsurlaub in Los Angeles ist und dort seine Frau zurückgewinnen will, die statt ordentlich die Cop-Ehefrau in New York zu geben, gerade Management-Karriere bei der internationalen Nakatomi Corporation an der Westküste macht, steht den schwer bewaffneten, präzise organisierten Gangstern im Nadelstreifen nackt gegenüber. Für Typen wie ihn hat jemand den Satz von der Chance erfunden, die es nicht gibt und dennoch genutzt wird.

Der amerikanische Nikolaus gegen die Schurken aus Europa und Fernost

Die Gangster bringen was Neues mit ins Panoptikum der Kinoschurken. Ihr Chef, Hans Gruber, ist ein intelligenter, belesener Deutscher, der vor Gewalt nicht zurückschreckt, sie aber selten benötigt. Seine Ziele erreicht er mit kühler Brillanz und einer ordentlichen Portion Arroganz. Hier gibt es keinen Brüllaffen, der mit wild verdrehten Augen um sich ballernd den Stresspegel hoch hält. Hans Gruber parliert mit einer Geisel über Thesen des Forbes-Magazin und schießt ihr, als er die Tresorkombination nicht bekommt, ungerührt in den Kopf. Grubers Bande verbreitet Terror zu Ablenkung. Schnell rücken die Männer des FBI an, arbeiten sich am Protokoll für solche Geiselpläne ab und spielen Gruber damit in die Hände, der in Wahrheit nur den Tresor leeren möchte, in dem 640 Millionen Dollar in Anlagepapieren liegen. Hinter Idealismus stecken Materialismus und Nihilismus. Am Ende rieseln die Wertpapiere vom Hochhaus. Damit schneit es endlich auch mal in Kalifornien und Vaughn Monroe singt „Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow!“ dazu.

Es ist ja Weihnachten, „die Zeit der Wunder“, wie Gruber anmerkt, und also fliegt vom Himmel hoch Santa McClane im Feinripp in die Stadt der Engel und schenkt den Menschen die Freiheit, die ihnen von Europäern und Asiaten genommen werden. Das ist der neue West-(Fern)Ost-Konflikt: „Pearl Harbor hat nicht funktioniert. Jetzt bombardieren wir Sie mit Videorekordern. Wir sind flexibel“, sagt der japanische Boss von McClanes Ehefrau Holly, der die amerikanische Niederlassung der Nakatomi Corporation mit einem rauschenden Weihnachtsfest einweiht. In den USA brechen die Arbeitsplätze weg, ausgelagert nach Mexiko und Drittweltländer, das FBI, einst Speerspitze innovativer Kriminalitätsbekämpfung, nudelt hierarchisch organisierten Dienst nach Vorschrift ab, dessen Ausrechenbarkeit die Gangster zynisch für ihre Tresorknackerpläne nutzen; die technischen Innovationen, die in den USA konsumiert werden, werden in Asien ersonnen, Japan gilt als Land der Konzernfresser, der Vertreter eines Kapitalismus, wie ihn sich nicht einmal die USA trauen; als Land, das Boden in den USA kauft, Hochhäuser draufstellt und dort günstige Amerikaner für die japanischen Aktionärsinteressen arbeiten lässt. Da greifen die Japaner auch mal zum Mittel der ihnen fremden Weihnacht, wenn es gilt, die amerikanischen Mitarbeiter zur wirtschaftlichen Sollstärke zu motivieren. Und noch mehr Weihnachten, als in diesem mörderischen Actionfilm, geht kaum. Dauernd stehen Weihnachtsmänner, hängen Lichterketten, leuchten Christbäume am Bildrand, der Soundtrack spült einen Weihnachtsklassiker nach dem anderen in die Gehörgänge. Aber das ist alles Tand. Die Weihnachtsmänner sind Niedriglöhner, die Christbäume aus Plastik und Lichterketten immer schon ein schlechter Kerzenersatz. Es geht auf der Weihnachtsfeier um effiziente Gewinnmaximierung, nicht um das Fest der Liebe, nicht um die Familie. Viel unamerikanischer als in diesem modernen Glasturm in L.A. geht es gar nicht.

Diese Art von Held ist neu

Also muss der ehrliche Arbeiter ran, der Amerikaner im Feinripp – Working Class Hero gegen White Collar Criminals. Dabei wollte John McClane nur seine Familie zurückhaben. Dafür hat der Cop von der Ostküste sogar seine Flugangst überwunden. Höhe mag er nicht, was in einem noch nicht ganz fertig gestellten Hochaus gegen Geiselgangster, blöd ist. „Jippieja-Yeah, Schweinebacke!“ lästert er in den dunklen Klimaschächten des Hochhauses. Helden mit coolen Sprüchen tummeln sich en masse auf den Leinwänden der 80er Jahre. Aber so einer wie ihn Bruce Willis hier darstellt, ist frisch. Ein verbohrter Dickkopf (engl. "Die hard") der guten alten Werte gegen koksende Anzugträger, die sein schönes God's Own Country rauben wollen. Ganz alleine bleibt aber auch dieser Einzelkämpfer nicht, auf die Segnungen des Buddy-Movies mag auch Regisseur John McTiernan nicht verzichten. So kommt Sgt. Al Powell ins Spiel, Twinkies futternder Streifenpolizist, der Funkkontakt mit dem einsamen McClane hält, ihn wieder aufbaut, wenn ein Vorstoß zur Geiselbefreiung schief gegangen ist. Powell wird zum Bindeglied für den Cop im Luftschacht zur Welt draußen vor der Tür, die ohne diesen Cop nicht wüsste, was die Gangster im Inneren vor haben.

Dass die Gangster drinnen wissen, was draußen passiert, daran sind die Medien nicht unschuldig. In Windeseile stehen Dutzende Übertragungswagen vor dem Nakatomi-Tower. Ein Reporter will besonders klug sein, macht das Haus der Familie McClane in L.A. ausfindig und interviewt die verstörten Kinder John McClanes live und zur besten Sendezeit. Das bringt Gruber und seine Leute auf die Spur von Johns Ehefrau Holly, die sich unter den Geiseln befindet und gefährdet das Leben aller im Turm. „Die Öffentlichkeit hat ein Recht, das zu erfahren“, lautet dann stets die Erklärung der quotengetriebenen Reporter, die Angst um ihre Karriere haben, angetrieben von Redaktionsleitern, die Angst um ihre Werbekunden haben. Das tatsächlich sehr amerikanische System des quotenfixierten Journalismus ist der dritte Feind des schwitzenden Arbeiters im Unterhemd. Es nimmt ihn aus, verführt ihn und lässt ihn nach getaner Arbeit in der Gosse liegen. Cop McClane wird den Spieß umdrehen, wird, nachdem er Hans Gruber die Tür gewiesen hat – oder genauer: das Fenster – diesem vermeintlich aufrechten Streiter für die Wahrheit eine dicke Nase schlagen.

Ursprünglich sollte Schwarzenegger kämpfen

"Die hard" ist ein origineller, innovativer Actionfilm – neuer Schauplatz (ein Hochhaus), neues Konzept (der abgeriegelte Schauplatz), neue Gesichter. Dazu schöne Reminiszenzen an das Althergebrachte. Im Film gibt es eine Szene, in der der Einzelkämpfer im Unterhemd durch einen veritablen Dschungel schleicht, der als Büropflanzenlandschaft in einem Foyer steht und von der Sprinkleranlage begossen wird. Das erinnert an die Vietnamfilme, die zurzeit im Kino en vogue sind mit Einzelkämpfern Marke Rambo, die nachträglich den Sieg aus Vietnam heim holen.

John McTiernan hatte in dem Hochhaus ursprünglich mit Arnold Schwarzenegger eine Fortsetzung des erfolgreichen Phantom Kommando (1985) drehen wollen. Schwarzenegger lehnte ab und so wurde aus dem Projekt "Die Hard". Beim Inhalt werden gleich Erinnerungen wach an die Terrorbekämpfungsfilme aus den 70er Jahren wie etwa Die Uhr läuft ab mit Sean Connery oder Sprengommando Atlantik (1979) mit Roger Moore. Das trügt. Mit den James Bond-müden Helden dieser Filme hat Bruce Willis nichts am Hut. Der überdies ist eine Überraschung! Ist das der Bruce Willis, der eben noch für Blake Edwards als von Kim Basinger geblendeter Langeweiler in Blind Date (1987) vor der Kamera stand?

Die Hard wurde Trendsetter

Der deutsche Titel ist gewöhnungsbedürftig und hat die empörten Feingeister des Feuilletons zu ätzenden Verissen gereizt („In diesem Film wird das Gegenteil von langsam gestorben. Sie fallen im Dutzend offenbar billiger!“) Womöglich hatten die Verleihstrategen des deutschen Ablegers der 20th Century Fox einfach kein Wörterbuch, dem sie hätten entnehmen können, dass ein "Die hard" normalerweise einen Dickkopf bezeichnet. In Anlehnung an Titelerfolge der Vergangenheit wäre vielleicht "Der Bulle und das Hochhaus" gegangen; oder: "Crashy Christmas"? John McTiernans Action-Kracher markiert eine Trendwende in Hollywood. Nach "Die Hard" wurden die Filme schneller und lauter und nahmen sich und ihre Story zunehmend weniger ernst.

Leider erzählten in der Folge aber auch immer mehr Action-Filme immer weniger eine Geschichte und setzten statt dessen nur noch auf den Crash-Boom-Bang-Effekt der Pyrotechniker und Stuntleute im Team.

Wertung: 10 von 10 D-Mark
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