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Plakatmotiv: Schlagzeilen (1994)

Der hektische Kampf der Reporter
ums Geld im Ringen um die Wahrheit

Titel Schlagzeilen
(The Paper)
Drehbuch David Koepp & Stephen Koepp
Regie Ron Howard, USA 1994
Darsteller
Michael Keaton, Robert Duvall, Glenn Close, Marisa Tomei, Randy Quaid, Jason Robards, Jason Alexander, Spalding Gray, Catherine O'Hara, Lynne Thigpen, Jack Kehoe, Roma Maffia, Clint Howard, Geoffrey Owens, Amelia Campbell u.a.
Genre Komödie, Drama
Filmlänge 112 Minuten
Deutschlandstart
2. Juni 1994
Inhalt

Jeden Tag aufs Neue liefern sich die Tageszeitungen in New York einen erbitterten Kampf um die besten Schlagzeilen, die größten Auflagen, die meisten Leser. Darum hat Geschäftsführer Graham Keighley die ehrgeizige Alicia Clark zur Verwaltungschefin der "New York Sun" gemacht.

In der Lokalredaktion führt Henry Hackett das Zepter, ein leidenschaftlicher Zeitungsmann, dessen Frau, bis vor Kurzem ebenfalls Reportern, ein Kind erwartet. Was Hackett es nicht einfacher macht – selten ist er vor Mitternacht zuhause. Du Suche nach der Wahrheit, noch dazu als Lokalredakteur eines Boulevardblattes, nimmt nie ein Ende, der kämpf um die sich am besten zu verkaufende Schlagzeile auch nicht. Immerhin: Heute hat er ein Gespräch beim "Sentinel", einer der seriösen New Yorker Tageszeitungen. Es lockt ein Nine-to-Five-Job, in den seine Frau Martha alle Hoffnungen legt.

Aber da liegt diese große Titelgeschichte in der Luft, als zwei junge Afroamerikaner als mutmaßliche Mörder zweier weißer Geschäftsleute festgenommen werden. Alle wittern gleich, dass da zwei schnelle Bauernopfer als Fahndungserfolg herhalten sollen; selbst manche Polizisten halten die Festnahmen für Blödsinn. Aber wie kann man das schreiben, wenn alle schweigen und nicht zitiert werden wollen? Während Alicia also die sichere Verkaufsnummer anordnet – Foto groß auf der Titelseite mit Schlagzeile „Gotcha“ – jagen Hackett und sein Kollege McDougal einem Beweis dafür hinterher, dass die Mafia in die Morde verstrickt ist.

Plakatmotiv (US): The Paper – Schlagzeilen (1994)Während der Redaktionsschluss ein ums andere Mal nach hinten verschoben wird, bis Alicia ob der explodierenden Kosten der Kragen platzt, bricht Martha daheim vor dem Kühlschrank mit Blutungen zusammen …

Was zu sagen wäre

Und immer wieder zeigt die Kamera eine Uhr. Die Zeit im Zeitungsgeschäft ist der Feind der Zeitungsmacher. Immer ist zu wenig davon da. Es gibt Nachrichtensperren, Zeugen mauern, Unschuldige erwartet die Hölle hinter Gittern, wenn die Reporter nicht die Wahrheit drucken. Aber Wahrheit und Redaktionsschluss sind ungefähr so verfeindet wie Zeit und Zeitungsmacher. Und an ein Privatleben ist überhaupt nicht zu denken.

Der Zeitungsfilm ist ein Untergenre von Drama und/oder Komödie und kann heute ergänzt werden um TV-Redaktionsfilme. Es geht um die großen Themen Wahrheit, Ethik, Moral gegen Kostendruck, Effizienz und schneller-als-die-Konkurrenz. Billy Wilder zeichnete in Reporter des Satans (1951) ein Zerrbild des sensationsgierigen Reporters, der für die Karriere über Leichen geht, Alan J. Pakula portraitierte in All the President's Men (1976) über ehrbare, fleißige, bissige Reporter, die den Watergateskandal aufdeckten, auch 1976 baute in Network eine Senderchefin ihren defizitären Nachrichtenkanal um in eine Freakshow für Esoteriker und machte Terrorismus zur Prime-Time-Show. James L. Brooks spießte in "Nachrichtenfieber" 1986 die Manie auf, dass gutes Aussehen vor der Kamera wichtiger ist als fundierte Rechercheergebnisse, weshalb William Hurt zum Anchorman der Hauptnachrichten avanciert, obwohl der keine Ahnung von Journalismus hat. Der Reporter ist im Kino die verschärfte Version des Privatdetektivs oder des Cops – nur dass die Wahrheitsfindung gegen die tickende Uhr – vulgo: Elektrischer Stuhl – der tägliche Redaktionsschluss ist.

Ron Howard (In einem fernen Land – 1992; Backdraft – Männer, die durchs Feuer gehen – 1991; "Eine Wahnsinnsfamilie" – 1989; Willow – 1988; "Gung Ho" – 1986; Cocoon – 1985; Splash: Jungfrau am Haken – 1984) macht aus dieser Ticking Clock-Dramaturgie eine rasante Party für den Journalismus. Alle Beteiligten stehen ständig unter Strom, sind zerrissen zwischen beruflichem Ethos und Existenzangst. „24 Stunden reichen aus, um das Leben zu verändern“, heißt es zu Beginn im Radio. Und heißt es am Ende im Radio. Dazwischen liegen 24 Stunden, die eine kleine Familienwelt verändert haben und das leben zweier Jugendlicher und die Zusammenhalt in einer Redaktion.

Die einzelnen Typen sind die zu erwartenden – der Redaktionsleiter, der ständig fünf Dinge gleichzeitig entscheiden muss. Michael Keaton (Viel Lärm um nichts – 1993; Batmans Rückkehr – 1992; Fremde Schatten – 1990; Batman – 1989; "Süchtig" – 1988; Beetlejuice – 1988; She's Having a Baby – 1988; "Gung Ho" – 1986; "Mr. Mom" – 1983) spielt ihn als leidenschaftlichen Unter-Strom-Steher, der im Kampf gegen die billige, knallige Schlagzeile keine Freunde kennt. Es gibt des Straßenreporter mit dem Flachmann in der Tasche, dem Randy Quaid massige Statur und Hintersinn gibt. Glenn Close spielt Alicia, die unfreiwillige Hexe, die die Kosten drücken muss und sich nach Liebe sehnt – nach der unter Kollegen als auch nach einer daheim. Close (Das Geisterhaus – 1993; Hook – 1991; Die Affäre der Sunny von B. – 1990; Gefährliche Liebschaften – 1988; Eine verhängnisvolle Affäre – 1987; "Das Messer" – 1985; Der Unbeugsame – 1984; Der große Frust – 1983; Garp und wie er die Welt sah – 1982) glänzt in dieser Rolle. Marisa Tomei als hochschwangere Martha personifiziert sehr anschaulich den Zwiespalt der modernen Frau mit Kind, deren Mann wie selbstverständlich arbeitet, während sie sich zuhause fürs Familienglück abrackert.

Und dann ist da Bernie White, Chefredakteur mit Prostatakrebs und einer Tochter, die nichts von ihm wissen will. Ihn spielt Robert Duvall, der an dieser Rolle augenscheinlich großen Gefallen findet (Falling Down – 1993; Tage des Donners – 1990; Der Unbeugsame – 1984; Apocalypse Now – 1979; Der Adler ist gelandet – 1976; Network – 1976; Der Pate II – 1974; Sinola – 1972; Der Pate – 1972; THX 1138 – 1971; M.A.S.H. – 1970; Bullitt – 1968). Ein bärbeißiger Alter, das Geschäft seit 36 Jahren kennt und den Laden mit Autorität und Charme zusammenhält – und alles über alle weiß („Informationen sind unser Geschäft.“). Am Ende reicht es ihm, wenn seine ihm entfremdete Tochter seine Zeitung aufschlägt und beeindruckt ist; ein klärendes Gespräch braucht er da nicht mehr; ein Zeitungsmann eben.

All diese Typen nah am Klischee machen das Zuschauen so spannend. Sie brauchen nicht erklärt zu werden, haben kaum ein Gestern. Das Nachrichtengeschäft geht jeden Tag bei Null los; seine Protagonisten auch. Außerdem finden Ron Howard, Kameramann John Seale und Ausstatter Todd Hallowell schöne Bilder und Orte für die vielen kleinen und das große Drama. Ein Cop lässt sich in einem schmierigen Polizeistations-Waschraum die Wahrheit aus der Nase ziehen, die 14-jährige Fotolaborantin muss als Fotografin für die Titelstory einspringen und liefert nach hartem Kampf mit den Kollegen der Konkurrenz vor dem Justizgebäude das perfekte Bild, Hackett und White reden über Lebensentwürfe und Große Ganze und stehen dabei auf dem Dach ihres Redaktionsgebäudes, wo ihnen Manhattan mit der Brooklyn Bridge zu Füßen liegt.

Zu Beginn vibriert es in Jacketts Büro wie bei einem Erdbeben, seine Cola vibriert im Glas. Es signalisiert das Anwerfen der Druckmaschinen. Das Bild ist so stark, dass es immer wieder auftaucht, wenn der Andruck dramatisch erwartet wird, aber dann eben nichts vibriert. Und natürlich sind da immer wieder die Uhren: „Geben Sie uns 20 Minuten. Wir geben Ihnen die Welt!“ Wunderbar!

Wertung: 10 von 10 D-Mark
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