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Plakatmotiv: Die Affäre der Sonny von B. (1990)

Wortlastiges Drama mit
starken Schauspielern

Titel Die Affäre der Sonny von B.
(Reversal of Fortune)
Drehbuch Nicholas Kazan
nach dem gleichnamigen biografischen Roman von Alan M. Dershowitz
Regie Barbet Schroeder, USA, Japan, UK 1990
Darsteller
Glenn Close, Jeremy Irons, Ron Silver, Annabella Sciorra, Uta Hagen, Fisher Stevens, Jack Gilpin, Christine Baranski, Stephen Mailer, Christine Dunford, Felicity Huffman, Mano Singh, Johann Carlo, Keith Reddin, Alan Pottinger, Mitchell Whitfield, Tom Wright, Gordon Joseph Weiss, Michael Lord, Lisa Gay Hamilton, Bill Camp, John David Cullum, Jad Mager, Sarah Fearon, Kristi Hundt, Kara Emerson, Michael Wilkes, Thomas Dorff, Bruno Eierund, Bernt Kuhlmann u.a.
Genre Biografie, Drama
Filmlänge 111 Minuten
Deutschlandstart
7. Februar 1991
Inhalt

Die millionenschwere Sunny von Bülow liegt im Koma. Es scheint, als wurde ein Mordanschlag auf sie verübt. Alles deutet auf ihren Mann Claus hin, der seine Frau betrogen hat, mit Drogenproblemen kämpft und auch noch geldgierig ist.

Die Öffentlichkeit brandmarkt ihn als Täter und auch der erfolgreiche Anwalt Prof. Alan Dershowitz glaubt zunächst nicht an die Unschuld des Ehemanns. Trotzdem übernimmt Dershowitz mit einem Team von Jura-Studenten die Verteidigung Bülows.

Alle Indizien deuten auf dessen Schuld hin. Die Eindeutigkeit der Beweise ist so erdrückend, dass der Anwalt Zweifel an ihrer Stichhaltigkeit bekommt. Ihr perfektes Ineinandergreifen kann kaum zufällig sein. Mit höchster Energie forscht Dershowitz akribisch nach, um die Schwachstellen des aufgebauten Indiziengebäudes zu finden …

Was zu sagen wäre

Einer der spektakulärsten Prozesse der 80er-Jahre drehte sich um Claus von Bülow, der angeklagt war, seine reiche Frau Sunny mit einer Überdosis Insulin in ein permanentes Koma versetzt zu haben. Für diesen Film haben sich Regisseur Barbet Schroeder und Drehbuchautor Nicholas Kazan auf den biografischen Roman von Anwalt Alan Dershowitz gestützt. Erzählt aber wird die Geschichte aus dem Off von Sonny Bülow, die im Koma liegt. Das erinnert an Billy Wilders Hollywood Boulevard (1950), in dem William Holden seine Geschichte erzählt, während er schon tot im Pool treibt.

Filmtechnisch gesehen ist "Die Affäre der Sunny von B." ein Schauspielerfilm. Äußere Action gibt es kaum, immerzu sitzen Anwälte zusammen und debattieren Rechercheergebnisse, wälzen juristische Möglichkeiten. Oder der Angeklagte, Claus von Bülow erzählt über das Leben mit der jetzt komatösen Sunny. Dabei setzt Schroeder auf Rückblenden, die ein gelangweiltes Leben offenbaren. Reiche Leute, die nicht arbeiten müssen, weil sie mehr als genug Geld haben, bei denen nie so richtig klar ist, ob bei der Heirat eigentlich auch Liebe im Spiel war, oder ob es nur um Geld ging – Sunny ist sehr vermögend, Claus „hatte nur eine Million“, heißt es einmal. Als Claus den drang verspürt, eine Arbeit anzunehmen, sagt, er brauche das als Mann, wirft Sunny ihm vor, „erst heiratest Du mich wegen meines Geldes und jetzt willst Du arbeiten gehen. Das ist doch absurd!“ Statt dessen sitzen beide nebeneinander auf dem Bett, sie leicht kränklich, und lesen schweigend vor sich hin.

Jeremy Iron ("Die Unzertrennlichen" – 1988; Mission – 1986; "Eine Liebe von Swann" – 1984) spielt den Claus von Bülow und hat dafür verständlicherweise den Hauptrollen-Oscar bekommen. Er spielt den eingeheirateten Reichen als einen körperlich steifen, brodelnden Mann mit vielen Affären, der die Welt um sich herum aus beinahe tot wirkenden Augen betrachtet; selten lächelt er mal und dann offenbart sich sein Charme, der Sunny einst für ihn eingenommen haben mag.

Es gibt keinen Gegenspieler in diesem Film, keinen kühl lächelnden Staatsanwalt, der vor Gericht große Monologe spricht, wie es das in vielen Gerichtsfilmen gibt. Der Gerichtssaal taucht hier überhaupt nur ganz selten auf. Als Bülows Gegenspieler fungiert sein eigener Anwalt, Uniprofessor Alan Dershowitz, auf dessen Erinnerungen dieser Film basiert. Plakatmotiv (US): Reversal of Fortune (1990) Es mag also sein, dass seine Figur in der historischen Realität eine andere war. Ron Silver, der im Kino eben erst als durchtriebener Killer gegen Jamie Lee Curtis in Blue Steel (1990) angetreten ist, spielt den Dershowitz als moralisch integren Mann, der Mandate nur annimmt, wenn er überzeugt ist: „Ich bin kein Winkeladvokat.“ Mit seiner Minipli-Mähne, der großen Brille in Tropfenform, den billigen Klamotten und seinem temperamentvollen Auftreten ist er der perfekte Gegensatz zu dem in gelangweilter Eleganz erstarrten von Bülow. Als Hilfe sammelt Dershowitz ehemalige Studenten um sich, mit denen er die Gerichtsakten, Beweise und Notizen Blatt für Blatt durchgeht und sie auf Widersprüche und Fehler abklopft.

Was wirklich geschehen ist, erfahren wir nicht. In der Realität wurde von Bülow im zweiten Prozess freigesprochen und ist heute immer noch mit Sunny – die immer noch im Koma liegt – verheiratet. Das unterscheidet den Film von anderen Kriminalfilmen, in denen am Ende ein Täter überführt und der Mord aufgeklärt ist. Diesen Luxus liefert Barbet Schroeder nicht. Viele Zusammenhänge und Personennamen werfen sich die Anwälte in langen Gesprächen hin und her, die die meisten Zuschauer gar nicht so schnell erfassen und zuordnen können; aber darum geht es Schroeder auch nicht. Weil ihn der Kriminalfall als solcher nicht interessiert.

Schroeder interessiert sich für das Innenleben dieser ultrareichen Menschen, die nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen, weil sie so viel Geld haben, dass jede Arbeit, die sie als Zeitvertreib annehmen würden, am Ende doch nur die in einem Unternehmen wäre, das ihnen schon gehört. Das Leben der Bülows leuchtet er konsequent in kaltes Licht, fahles Blau herrscht in den hohen Herrschaftsräumen der von Bülows, während bei den Anwälten fröhliches, buntes Sofakissenchaos herrscht. Stark gespielt, elegant gefilmt, aber der Zuschauer bleibt draußen, findet keine Situation, in die er sich einklinken und mitgehen kann. Bülow ist kalt und rätselhaft, Dershowitz angriffslustig, aber nur für Juristen zu entschlüsseln. Für alle anderen im Kino bleibt die Oberfläche mit einer Geschichte, die von einer Frau im Koma erzählt wird.

<Nachtrag2020>Sunny von Bülow starb 2008. Sie ist nie aus ihrem Koma wieder erwacht. Claus von Bülow starb 2019 in London.</Nachtrag2020>

Wertung: 5 von 10 D-Mark
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