Joe Gillis liegt tot in einem Swimmingpool. Die Polizei, die Presse und das Fernsehen sind unterwegs zum Ort des Geschehens. Gillis erzählt aus dem Jenseits, wie es dazu kam.
Gillis, Drehbuchautor von einigen B-Movies in Hollywood, ist völlig mittellos. Niemand will seine Drehbücher annehmen. Deshalb spielt Gillis mit dem Gedanken, seine frühere Arbeit als Journalist in der Provinz wieder aufzunehmen. Auf der Flucht vor seinen Gläubigern gerät Gillis zufällig auf das Anwesen der Stummfilm-Diva Norma Desmond. Isoliert und vergessen von der Außenwelt lebt diese mit ihrem Butler Max von Mayerling in der heruntergekommenen, aber immer noch prunkvollen Villa. Norma glaubt zunächst, Gillis sei gekommen, um ihren kürzlich verstorbenen Schimpansen zu bestatten.
Als Norma erfährt, dass Gillis Drehbuchautor ist, fordert sie ihn auf, das von ihr geschriebene Drehbuch zur Geschichte der Salome zu bearbeiten. Sie ist davon überzeugt, dass Cecil B. DeMille es mit ihr in der Titelrolle verfilmen wird und dies ihre großartige Rückkehr auf die Leinwand sein wird. Bestärkt wird diese Überzeugung auch dadurch, dass Max Anrufe der Paramount entgegennimmt und vermeintlich mit DeMille über den Film spricht. Norma ahnt nicht, dass das Studio lediglich ihren Wagen, einen Isotta Fraschini aus den 1920er Jahren, für Filmaufnahmen verwenden möchte. Da Norma oft Fanpost bekommt, glaubt sie, dass die ganze Welt auf einen neuen Norma-Desmond-Film wartet. Gillis findet später heraus, dass Max die Briefe verfasst und Norma dadurch in ihrem Wahn bestärkt, sie sei nach wie vor ein großer Star. Zudem stellt sich heraus, dass Max Normas Entdecker, Regisseur sowie einer ihrer Ehemänner gewesen ist.
Aufgrund seiner Geldsorgen nimmt Gillis Normas Angebot an, zieht zunächst in die Wohnung über der Garage, dann in das Schlafzimmer der früheren Ehemänner der Hausherrin. Gillis gerät immer stärker in Normas Abhängigkeit und ist gezwungen, ihrer Imitation von Charlie Chaplin oder Bridgepartien mit anderen vergessenen Filmstars (darunter Buster Keaton, Anna Q. Nilsson und H. B. Warner) beizuwohnen …
Was für ein Albtraum: Hollywood, die Stadt der Träume, und der Sunset Boulevard, der die Romantik im Namen trägt, zeigen sich als grausame Monstren, die ihre Putzerfischchen verlingen. Gleich in der ersten Einstellung zum Titelvorspann sinkt die Kamera abwärts Richtung Bordstein, auf dem „Sunset Blvd.“ zu lesen ist, dann weiter runter auf den Asphalt, der uns die weiteren Titel zeigt – Leben am Straßenbelag, das zeigt uns schon der Vorspann. Dann kommt der Schnitt und der Erzähler liegt tot im Swimming Pool. „Er war niemand Wichtiges“, sagt der Erzähler aus dem Off über den Toten, der, was der Zuschauer erst nach und nach begreift, der Erzähler selbst ist, „nur ein Filmautor mit ein paar zweitklassigen Drehbüchern. Der arme Trottel. Er wünschte sich immer einen Pool.“ Hier schon zeigt sich Billy Wilders Gier nach guten Texten und seine Schwierigkeit, solche an der Westküste, im „Mekka der Filmkunst“ bezahlt zu bekommen, denn Er war nicht wichtig, nur ein Autor ist tatsächlich die Haltung, mit der Hollywoodstudios mit ihren Autoren umgeht. Die Dialoge in diesem Film sind von geschliffener Schönheit.
Gillis klagt einmal, die Menschen im Kinosessel würden glauben, die Geschichte ihres Filmswürden sich Regisseure ausdenken, während sie mit der Kamera Schauspieler filmten. Schauspieler, die eine Halbwertszeit von 15 Jahren haben, in denen sie als Star angehimmelt werden. „Ich bin immer noch groß!“, keift die alte, ehemals gefeierte Norma Desmond, „Die Filme sind klein geworden.“ Diese Norma Desmond lebt mit ihrem Butler – der ihr erster Mann, ihr Entdecker und Förderer war – lebt in einem verwitterten alten Prachtbau, einem Mausoleum ihres Ruhms aus fernen Vergangenheit, von der sie glaubt, dass die immer noch ihre Gegenwart ist und macht dabei, erstaunlich im Hollywood des Hays-Code, den Mann zum Spielzeug – nicht etwa umgekehrt. Ihren frisch verstorbenen Affen lässt sie in einem weißen, mit Samt ausgeschlagenen Sarg auf ihrem Anwesen bestatten und zitiert als Zeichen ihrer Größe „den Maharadscha“, der einen Seidenstrumpf von ihr erbettelte – mit dem es sich dann später erhängte. Gloria Swanson spielt diese Norma so exaltiert, wie die 30 Jahre jüngere Norma ihre Stummfilmrollen gespielt haben muss, während sie zunehmend unter Pflastern, Verbänden, in Tinkturen gegossen ihre alternde Haut nicht bändigen kann, dafür bald aussieht, wie eine hysterisch modellierte Plastikpuppe.
Irgendwann ist auch der erfolglose Drehbuchautor Joe nicht mehr zu retten. Das Script bietet ihm eine Liebesgeschichte zu einer jungen Schreibkraft aus den Paramount-Studios an, fir er aber seinem besten Freund ausspannen würde und schiebt sie weg mit den Worten: „Denk doch mal praktisch, Süße¡ Ich habe ein gutes Leben hier. Einen langfristigen Vertrag ohne Bedingungen. Mir gefällt das.“ Auch Joe ist kalt geworden in der Eiswelt namens Hollywood unter der Sonne Kaliforniens – nur um, im Pool treibend, festzustellen: „Bemerkenswert, wie höflich die Menschen werden, wenn Du mal tot bist.“
Mit den Schauspielern Buster Keaton, H. B. Warner, Anna Q. Nilsson, dem Regisseur Cecil B. DeMille und der Klatschjournalistin Hedda Hopper konnte Wilder zahlreiche authentische Darsteller und Insider der Branche für seinen Film gewinnen. Einzig der ehemalige Schauspieler William Haines lehnte einen Gastauftritt ab, obwohl er von Swanson persönlich darum gebeten worden war.
Billy Wilder, der sich schon als Jugendlicher sehr für die amerikanische Kultur interessierte und begeisterte, floh 1933 vor den Nazis über Frankreich in die USA und lebte dort in Los Angeles. Er fand heraus, dass viele der alten Villen am Sunset Boulevard noch immer von ehemaligen Stummfilmstars bewohnt wurden, obwohl deren Ruhm längst verblasst war und sie keinerlei Verbindung mehr zum Filmwesen hatten. Wilder fragte sich, wie diese Menschen wohl ihren Lebensabend verbringen und entwickelte aus dieser Idee die Geschichte von Boulevard der Dämmerung.
Die Besetzung der Norma-Desmond-Rolle war nicht ganz einfach. Mary Pickford wurde kurzzeitig in Betracht gezogen. In einem „Anfall von Wahnsinn“, wie Wilder später berichtete, statteten er und Brackett ihr einen Besuch ab, mussten aber feststellen, dass ihr das Drehbuch nicht gefiel und sie zu viel Kontrolle über das Projekt verlangte. Pola Negri wiederum kam wegen ihres starken polnischen Akzents nicht in Betracht. Mae Murray, deren Schicksal die Autoren teilweise zur Figur Norma Desmond inspiriert hatte, war von der Rolle angetan, doch dem Anschein nach war die Schauspielerin mental nicht so stabil, wie es für die Filmarbeiten nötig gewesen wäre. Mae West lehnte ebenfalls ab, mit der Begründung, sie sei mit Mitte 50 zu jung, um einen ehemaligen Stummfilmstar zu spielen. Wests Absage hatte einen entscheidenden Einfluss auf Norma Desmonds Charakterisierung. Die Rolle, die ursprünglich viel lebensfroher und bodenständiger angelegt war, entwickelte sich nun allmählich zu einer tragischen und gebrochenen Figur.
Der Regisseur George Cukor war es schließlich, der Gloria Swanson ins Gespräch brachte. Wilder gab später zu, er habe diese nur deshalb nicht in Betracht gezogen, weil er sie für unerreichbar gehalten habe. Swanson hatte während der Stummfilmära große Erfolge gefeiert. Ihre Karriere war ähnlich verlaufen wie die der Filmfigur Norma Desmond. Anders als diese aber hatte Swanson das Ende ihrer Schauspiellaufbahn akzeptiert und arbeitete mittlerweile für verschiedene New Yorker Rundfunkstationen. Obwohl sie eigentlich kein Schauspielcomeback geplant hatte, bekundete sie Interesse an der Rolle.
Als man sie jedoch um ein Vorsprechen bat, beschwerte sie sich bei George Cukor mit den Worten „Ich habe zwanzig Filme für die Paramount gemacht. Warum wollen die, dass ich vorspreche?“ und fragte Wilder, ob er etwa ihr schauspielerisches Talent anzweifeln würde. Cukor redete Swanson ins Gewissen und überzeugte sie davon, dass Norma Desmond die Rolle ihres Lebens sei, für die man sie immer in Erinnerung behalten würde („Und wenn sie zehn Vorsprechen verlangen, dann gehst du eben zu zehn Vorsprechen oder ich werde dich persönlich erschießen!“). Billy Wilder sagte 1975 in einem Interview „Es steckte viel von Norma in ihr, wissen Sie.“
Der historische „Schwab’s Drug Store“, einer der Schauplätze des Films, befand sich am Sunset Boulevard und war ein Treffpunkt für Schauspieler und Filmschaffende des alten Hollywood der 1930er bis in die 1950er-Jahre. In Filmkreisen wurde es das „Hauptquartier“ genannt.
Regisseur Billy Wilder auf der Leinwand
Billy Wilder (* 22. Juni 1906 als Samuel Wilder in Sucha, Galizien, damals Österreich-Ungarn, heute Sucha Beskidzka, Polen; † 27. März 2002 in Los Angeles, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Drehbuchautor, Filmregisseur und Filmproduzent österreichischer Herkunft.
Wilder wirkte stilbildend für die Genres Filmkomödie und -drama. Sein Werk umfasst mehr als 60 Filme, die in einem Zeitraum von über 50 Jahren entstanden sind. Er wurde als Autor, Produzent und Regisseur 21-mal für einen Oscar nominiert und sechsmal ausgezeichnet. Allein bei der Oscarverleihung 1961 wurde er als Produzent, Drehbuchautor und Regisseur für den Film Das Appartement dreifach ausgezeichnet, was bis heute nur insgesamt sieben Regisseuren widerfahren ist.
- Böse Brut (Mauvaise graine, 1934)
- Der Major und das Mädchen (The Major and the Minor, 1942)
- Fünf Gräber bis Kairo (Five Graves to Cairo, 1943)
- Frau ohne Gewissen (Double Indemnity, 1944)
- Das verlorene Wochenende (The Lost Weekend, 1945)
- Die Todesmühlen (Death Mills, 1945)
- Ich küsse Ihre Hand, Madame (The Emperor Waltz, 1948)
- Eine auswärtige Affäre (A Foreign Affair, 1948)
- Boulevard der Dämmerung (Sunset Boulevard, 1950)
- Reporter des Satans (Ace in the Hole, 1951)
- Stalag 17 (1953)
- Sabrina (1954)
- Das verflixte 7. Jahr (The Seven Year Itch, 1955)
- Lindbergh – Mein Flug über den Ozean (The Spirit of St. Louis, 1957)
- Ariane – Liebe am Nachmittag (Love in the Afternoon, 1957)
- Zeugin der Anklage (Witness for the Prosecution, 1957)
- Manche mögen’s heiß (Some Like It Hot, 1959)
- Das Appartement (The Apartment, 1960)
- Eins, Zwei, Drei (One, Two, Three, 1961)
- Das Mädchen Irma la Douce (Irma la Douce, 1963)
- Küss mich, Dummkopf (Kiss Me, Stupid, 1964)
- Der Glückspilz (The Fortune Cookie, 1966)
- Das Privatleben des Sherlock Holmes (The Private Life of Sherlock Holmes, 1970)
- Avanti, Avanti! (Avanti!, 1972)
- Extrablatt (The Front Page, 1974)
- Fedora (1978)
- Buddy Buddy (1981)