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DVD-Cover: Smog (1973)

Eine beklemmende Studie zu
dem, was auf uns zukommt

Titel Smog
Drehbuch Wolfgang Menge
Regie Wolfgang Petersen, BRD 1973
Darsteller

Marie-Luise Marjan, Wolfgang Grönebaum, Heinz Schacht, Michaela Henner, Hans Schulze, Doris Gallart, Edda Pastor, Wolff Lindner, Rudolf Jürgen Bartsch, Wilfried Szubries, Konrad Horschik, Alf Pankarter, Jakob Gröblighoff, Jürgen Hilken, C. W. Koch, Hajo Jahn, Hans Werner Conen, Kurt Gerhardt, Gisela Marx, Werner Sonne, Hermann Lause, Tana Schanzara, Egon Hoegen u.a.

Genre Science fiction, Drama
Filmlänge 86 Minuten
Deutschlandstart
15. April 1973 (TV-Premiere)
Inhalt

Die Straßen und Autobahnen im Ruhrgebiet sind von unzähligen Autos verstopft und die schlechter werdene Wetterlage sowie die Zunahme von Schadstoffen in der Luft, sorgen für erste Krankheitsfälle. Um die Katastrophe noch abzuwenden, lösen die Verantwortlichen Smogalarm aus, sperren die Straßen und legen den Verkehr vorerst auf Eis. Doch der Smog fordert bereits erste Opfer …

Was zu sagen wäre

Ein Film über das, was sein kann, aber – noch – nicht ist. In Essen geht Familienvater Rykalla morgens ein paar Minuten früher aus dem Haus, weil er erst den rußigen Schmodder von den Scheiben seines Autos wischen muss, bevor er losfahren kann. Eigentlich ist er ganz froh, früher gehen zu können, weil zuhause sein Kleinkind plärrt, ohne Pause. Der Arzt diagnostiziert wenig später gegenüber der besorgten Mutter eine simple Erkältung. Gleichzeitig lässt der Chauffeur des Chefs des Industriekonzerns Globag schonmal den Motor laufen, damit sich Direktor Grobeck, der noch beim Frühstück sitzt, sich gleich nicht in ein kaltes Auto setzen muss – er will ja keine „Frostbeulen auf dem Weg zur Arbeit“ bekommen. Und ebenfalls gleichzeitig lassen die Institute wie jeden Tag einen Wetterballon in den diesigen Nebel über dem Ruhrgebiet steigen, der dann schließlich jene Werte misst, die die Behörden veranlassen, Smog-Warnstufe 1 auszurufen. Damit sind aber nur Empfehlungen verbunden, keine verbindlichen Auflagen, weder für Industrie, noch für Verkehr oder Privathaushalte. Das Leben geht also weiter in seinen gewohnten Bahnen.

Regisseur Wolfgang Petersen zeigt all das in Form eine Fernsehdokumentation. Das Leben in seinen gewohnten Bahnen fängt er in Straßenumfragen ein, in denen unbedarfte Bürger in bester Dafür-bin-ich-nicht-zuständig-Manier erklären, dass sie natürlich weiter Auto fahren, weil „Wieso? Die anderen fahren doch auch“ und „das Auto muss ja sein“. Einer sagt „Ich fahre Diesel. Das ist nicht so tragisch.“ Eine Frau spricht vom Fahrersitz ins Mikrofon des Reporters, dass sie jetzt „nö, nur noch nach Hause“ fahre und auf Nachfrage des Reporters erklärt, dass sie „morgen ja wieder“ fahren werde. Während all dem wird es draußen nicht mehr wirklich hell, lösen sich im Säurenebel die Nylonstrümpfe der Hausfrauen auf und steigen die Todesanzeigen in den Zeitungen auf das Achtfache. Petersen inszeniert das mit Bildern, die wie eine Sendestörung wirken. Sie haben kaum Farbe, vieles ist unscharf, ein dauernder Gelbschleier liegt über seinen Bildern.

Der Film hat keinen Protagonisten, er springt von Familie Rykalla zu örtlichen Wetterstation zu Industrieboss Grobeck zum lokalen Amt für Öffentliche Ordnung, um in der Reihe aufzuzeigen, was geschehen kann und dann geschehen muss. Also: Erst generiert das Wirtschaftswunder Industrie und Industriearbeitsplätze und Autos und Ölheizungen, dann – aus all dem resultierend – schlechte Luft und dann eine Alarmkette, um die Bevölkerung zu schützen. Zwischendurch erklären Professoren im Fernsehstudio, was Inversionswetterlagen sind und warum der Smog nicht einfach abzieht.

Der Film ist unterteilt in vier Kapitel, die die vier Tage des Dramas umfassen, das wir miterleben. Dass die Industrie des – realen – Ruhrgebietes an der schlechten Luft ihren Anteil hat, verschweigt der Film nicht. Titelvorspann: Smog (1973) Mehrfach treten Demonstranten auf, die sich mit Argumenten gegen den – fiktiven – Industriekonzern Globag stellen, der in der von Smog betroffenen Region noch viele weitere Werkhallen hochziehen möchte. Der persönlicher Referent des Direktors schlägt vor, mittels einer Good-Will-Aktion „beispielsweise mit unseren Firmenflugzeugen ein paar der besonders gefährdeten Kinder in unser Ferienheim ins Allgäu“ zu fliegen – also nach dem bewährten Schema: Wir verpesten die Umwelt und pflegen gleichzeitig Inseln der frischen Luft; wir ernähren uns falsch und entwickeln Pillen gegen die anschließenden Magenschmerzen; anstatt einfach die falsche Ernährung und die Umweltzerstörung einzustellen. Diesen Irr-Sinn macht Wolfgang Menges Drehbuch sehr deutlich. Kein Wunder, dass Industrie und Kommunen schon vor der Ausstrahlung des Films Protest eingelegt haben. Man warf dem Film eine industriefeindliche Tendenz vor. Kommunal- und Landespolitiker in Nordrhein-Westfalen sorgten sich um die öffentliche Wahrnehmung der Region, fürchteten einen Imageschaden. Im Film sagt Globag-Boss Grobeck schließlich über die Proteste gegen seine rauchenden Schlote, wo nach Aussage der Demonstranten vorher die letzte Grüne Lunge des Ruhrgebiets existiert habe, man müsse nicht im Ruhrgebiet Arbeitsplätze schaffen, man könne auch in die Niederlande oder an viele andere Standorte gehen.

Im Film ist „der Spuk“, wie der Koordinator der Smog-Abwehr sagt, nach vier Tagen vorbei. Die Zahl der Toten ist noch nicht bezifferbar, aber die Behörden ziehen ein für sich gesundes Fazit der Problemlage. Weder kann die genaue Anzahl der Toten bestimmt werden – sicher ist nur, dass sie im Gegensatz zur Smog-Katastrophe in London 1952 verschwindend gering ist – noch kann zu dem Zeitpunkt über bestimmtes Versagen bei der Reaktion auf die Smog-Angelegenheit gesprochen werden. Am Ende des Films ist der Himmel wieder blau, durchkreuzt von einzelnen Flugzeugstreifen. Zu fröhlicher Tanzmusik geht das Leben wiederlos, mit Autoschlangen und rauchenden Schornsteinen. Nur Familie Rykalla hat Einschneidendes zu verarbeiten: Ihr Baby ist an den Folgen der Atemwegserkrankung gestorben.

<Nachtrag2002>Schon mit diesem Fernsehfilm zeigt Wolfgang Petersen, später Starregisseur (Der Sturm – 2000; Air Force One – 1997; Outbreak – 1995; In the Line of Fire – 1993; "Tod im Spiegel" – 1991; Enemy Mine – 1985; Die unendliche Geschichte – 1984; Das Boot – 1981), dass er eine eigene Bildsprache mitbringt. Er hätte auch stur das Drama der Familie Rykalla erzählen können, wäre sicher auch ans Herz gegangen. Hätte aber keine weitere Aufklärung über eine Problematik wie die Luftverschmutzung gebracht.</Nachtrag2002>

Wertung: 8 von 8 D-Mark
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