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Plakatmotiv: Scorpio, der Killer (1973)

Kalte Profis in künstlicher Welt,
Agenten, die nichts mehr schützen

Titel Scorpio, der Killer
(Scorpio)
Drehbuch David W. Rintels & Gerald Wilson
Regie Michael Winner, USA 1973
Darsteller

Burt Lancaster, Alain Delon, Paul Scofield, John Colicos, Gayle Hunnicutt, J.D. Cannon, Joanne Linville, Mel Stewart, Vladek Sheybal, Mary Maude, Jack Colvin, James Sikking, Burke Byrnes, William Smithers, Shmuel Rodensky u.a.

Genre Action, Drama
Filmlänge 110 Minuten
Deutschlandstart
25. Oktober 1973
Inhalt

"Scorpio" ist der Spitzname des französischen Agenten Jean Laurier, der mit seinem Mentor Cross einen Auftrag erledigt. Dann entscheidet CIA-Chef McLeod aber, dass Cross selbst eliminiert werden soll.

Cross kann aus Washington nach Europa fliehen, aber seine Frau wird getötet. Daraufhin sucht er Hilfe bei dem ihm bekannten sowjetischen Agenten Sergei Zharkov, mit dem er sich in Wien trifft. Jetzt ist er verdächtigt, ein Überläufer zu sein. McLeod setzt Laurier auf Cross an und spürt ihn schließlich in Wien auf, aber Cross kann ihn mit Mühe abschütteln. Er kehrt nach Washington zurück, um den Tod seiner Frau zu rächen.

Der Auftrag des CIA, Cross zu liquidieren, besteht für Laurier weiterhin …

Was zu sagen wäre

Michael Winners Film führt uns in eine menschenleere Welt. Sie ist schon von Menschen bevölkert, aber nur von Geheimdienstmenschen, die Sachen sagen wie „Befehl von oben“, bevor sie abdrücken und eben noch Freund gewesene Männer erschießen. Normale Menschen kommen nur als sterbende Statisten vor, als Humanoide, die halt überfahren werden bei der Jagd, Beifang bei Schießereien. Aber in der Hauptsache sind Agenten und deren willfährige Frauen im Bild.

Und diese Agenten sind keine Männer und (wenige) Frauen, die im Auftrag eines Geheimdienstes ihre Landsleute vor bösen Invasoren schützen. Diese Agenten sind clandestine Killer ohne Moral und Vaterland. „Wir werden in zunehmendem Maße durch junge Leute ersetzt mit intelligenten dummen Gesichtern“, sagt Sergei Zharkov. „Leute mit modischen Ambitionen. Und einer Hingabe an nichts weiter als Leistung und Nutzeffekt. Maschinenmenschen. Bloße Knopfdrücker. Technokraten mit hochkompliziertem Spielzeug.“ Einen solchen, seinen jungen Führungsoffizier, lässt Zharkov später im Film lächelnd über die Klinge seiner Erfahrung stolpern.

Die Geschichte spielt großteils in Wien, der Stadt der Spione, wo Michael Winner (Kalter Hauch – 1972; Chatos Land – 1972) eine großartige Verfolgungsjagd zu Fuß durch eine U-Bahnbaustelle inszeniert mit Schießerei, Explosion und ordentlich Thrill. Die Besetzung auch der Nebenrollen ist beeindruckend. Paul Scofield als Zharkov ist ein treuer Gefährte, John Colicos als McLeod ein herrlich fieser CIA-Bürohengst, Shmuel Rodensky die einzige menschliche Figur in diesem Film voller Eismänner.

Burt Lancaster (Airport – 1970; Die gefürchteten Vier – 1966; 40 Wagen westwärts – 1965; Der Zug – 1964; "Sieben Tage im Mai" – 1964; Der Leopard – 1963; Der Gefangene von Alcatraz – 1962; Urteil von Nürnberg – 1961; Elmer Gantry – Gott ist im Geschäft – 1960; Denen man nicht vergibt – 1960; Zwei rechnen ab – 1957; Die tätowierte Rose – 1955; Der Mann aus Kentucky – 1955; Vera Cruz – 1954; Massai – Der große Apache – 1954; Verdammt in alle Ewigkeit – 1953; "Der rote Korsar" – 1952; Du lebst noch 105 Minuten – 1948) wandelt als alternder Profikiller mit waidwundem Blick durch diese entmenschlichte Welt, sich stets bewusst, dass es hinter der nächsten Ecke zu Ende sein kann, er aus genau diesem Grund aber immer auch noch ein As im Ärmel hat. Seine Moral hat er noch nicht ganz verloren; er zeigt sie, wenn er sich mit seinem russischen Pendant Zharkov besäuft und über alte Zeiten schwärmt. „Ich kenne Zharkov nun schon seit bald 30 Jahren. Mal als Verbündeten. Mal als Feind. Und immer als Freund. Wir waren beide frühreife Antifaschisten, wie man das in Washington so schön nannte. Aber weder Zharkov noch ich haben jemals etwas verkauft. (…) Du“, sagt er mal zu Laurier, „suchst Gottes strahlendes Antlitz, nicht wahr, Jean! Etwas, woran Du glauben kannst. Wie ein kleines Mädchen im weißen Kommunionskleid. Aber Du hast die Seele eines Henkers und deswegen brauchst Du einen noch großen Glauben.

Seinen eben noch Freund genannten Gegenspieler Jean spielt Alain Delon (Der Chef – 1972; Rivalen unter roter Sonne – 1971; 4 im roten Kreis – 1970; Borsalino – 1974; Der Clan der Sizilianer – 1969; Der Swimmingpool – 1969; Der eiskalte Engel – 1967; Die Abenteurer – 1967; Brennt Paris? – 1966; Der Leopard – 1963; Rocco und seine Brüder – 1960; Nur die Sonne war Zeuge – 1960). Dieser Jean ist ganz vernarrt in Katzen. Er kann nicht vorbeigehen an diesen Tieren, die in der Fachliteratur mit den Attributen "unabhängig" und "eigensinnig" beschrieben werden.

Beide Männer sind wortkarge Stereotypen des Spionagefilms, die von ihrem „Spiel“ sprechen, bevor sie sterben. Selbst, wenn sie mit ihren Frauen schlafen, haben sie immer einen Blick auf das Fenster, hinter dem unvermittelt der Tod aufspringen könnte. Diese Stereotypie der Figuren fügt sich gut ein in die frostige Stimmung, die über dem ganzen Film liegt. Sie unterstreicht die Fiktion des Ganzen, die sich von der realen Welt draußen vor dem Kino abhebt. Die Kälte auf der Leinwand, der klamme Blick auf unsere Geheimdienste spiegelt eine diffuse Angst unter US-Filmemachern, die ein ausufernder Krieg in Vietnam und irre machende Schlagzeilen über eine Abhöraffaire im Weißen Haus, hervorrufen. <Nachtrag2001>Ein Jahr, nachdem der Film in die Kinos kam, trat Richard Nixon zurück, weil auf seine Veranlassung hin ein Büro der Demokraten im Watergate Hotel abgehört worden war.</Nachtrag2001>

Wertung: 5 von 8 D-Mark
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