IMDB

Plakatmotiv: Der Clan der Sizilianer (1969)

Große Oper über die Ehre der
Familie unter eiskalten Gangstern

Titel Der Clan der Sizilianer
(Le clan des Siciliens)
Drehbuch Henri Verneuil & José Giovanni & Pierre Pelegri
nach dem Roman von Auguste Le Breton
Regie Henri Verneuil, Frankreich, Italien 1969
Darsteller

Jean Gabin, Alain Delon, Lino Ventura, Irina Demick, Amedeo Nazzari, Philippe Baronnet, Karen Blanguernon, Yves Brainville, Gérard Buhr, Elisa Cegani, Raoul Delfosse, Jacques Duby, Yves Lefebvre, Edward Meeks, Sally Nesbitt u.a.

Genre Crime, Drama
Filmlänge 115 Minuten
Deutschlandstart
13. Februar 1970
Inhalt

Die sizilianische Familie Manalese betreibt am Canal Saint-Martin in Paris eine Firma für Spielautomaten und Flipper. Ihr eigentliches Vermögen macht der Clan mit kriminellen Geschäften. Familienpatriarch fortgeschrittenen Alters ist Vittorio Manalese, der für die Zukunft seine Rückkehr nach Sizilien als geachteter Bürger plant, von wo er als armer Emigrant in seiner Jugend nach Frankreich kam. Zu seiner Familie gehören seine Frau, drei Söhne samt Ehefrauen und ein kleiner Enkel.

Eben hat der Manalese-Clan Roger Sartet aus dem Gefängnis geholt; dort sitzt er wegen Mordes an zwei Polizisten in Untersuchungshaft. Die Befreiung ist eine brillante Aktion, minutiös geplant, elegant und ohne jegliche Gewaltanwendung durchgeführt. Patriarch Vittorio versteckt Sartet vorerst in der Wohnung seines ältesten Sohnes Aldo. Dort soll er sich nicht von der Stelle rühren, den die Fahndung nach ihm läuft auf Hochtouren. Leiter der Fahndung ist Kommissar Le Goff, der Sartet einst festgenommen hatte. Und er kann sich auf den Heißsporn Wartet verlassen: Le Goff bekommt einen Tipp, dass sich Sartet in einem Bordell aufhält. Doch der Gangster erschießt einen Polizisten und kann auch diesmal fliehen.

Plakatmotiv (Fr.): Le Clan des Siciliens – Der Clan der Sizilianer (1969)Vittorio ist von Sartets Einzelgängen nicht begeistert und äußert dem Franzosen gegenüber deutlich sein Misstrauen. Aber Wartet hat etwas, was die Manaleses interessiert; sie haben ihn nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit aus dem Gefängnis geholt. Ein Mithäftling hatte Sartet die Sicherheitspläne für eine Juwelenausstellung in Rom überlassen. Vittorio ist nicht abgeneigt und bezieht seinen alten Freund Tony Nicosia ein, Sizilianer und Profi wie er. Gemeinsam beginnen sie mit der Planung.

Doch als der alte Manalese erfährt, dass Sartet ein sexuelles Abenteuer mit seiner Schwiegertochter Jeanne hatte, trifft er einen folgenreichen Entschluss …

Was zu sagen wäre

Die Familienehre steht über allem in dieser sizilianischen Familie. Dort unten im Süden wurde der begriff der Omertá geprägt, der unbedingten, absoluten Verschwiegenheit gegenüber jedem Außenstehenden. Wer nicht wenigstens Sizilianer ist kann niemals zur Familie gehören.

Diese verschlossene Haltung hat sich oben im Norden, in der französischen Hauptstadt Paris, ein wenig gelockert. Der älteste Sohn der Familie hat eine Französin geheiratet. Patriarch Vittorio muss ihn bisweilen beim Abendbrot daran erinnern, dass seine Frau sich sittsamer kleiden solle. Aus dem Gefängnis stößt noch ein zweiter Franzose zur Familie für einen gemeinsamen Coup, der in der generalstabsmäßig durchgezogenen Entführung einer Passagiermaschine auf einen abgesperrten Highway nördlich von New York gipfelt, bei dem Diamanten in Höhe von mehreren hundert Millionen Francs erbeutet werden. Aber zu dem Zeitpunkt haben die Fremden in der Familie schon den Spaltpilz gesetzt. Weil sie keine Disziplin haben, keinen Respekt vor den alten Werten der Familie. Weil den Franzosen ihr Laisser-Faire heilig ist.

Henri Verneuil hat einen großen Gangsterfilm gedreht, in dem die Menschen im Mittelpunkt stehen, der Coup selbst zur Randnotiz schnurrt. Verneuil (Der Präsident – 1961) wirft einen kühlen Blick auf europäische Unterschiede. Plakatmotiv (US): The Sicilian Clan – Der Clan der Sizilianer (1969) Sizilianische, bäuerlich geprägte Sehnsüchte hier, nordfranzösische Großstadt-Coolness da. Der Patriarch träumt davon, dass die Männer, bei denen er als Kind betteln musste, heute bei ihm zu Kreuze kriechen und er einst neben seinen Eltern begraben liegt, die jetzt schon „das schönste Grab in der ganzen Gegend" haben. Die französische Schwiegertochter findet, man solle „das Geld lieber für die Lebenden ausgeben“. Die Sizilianer haben gelernt, dass man unauffälliger durch Polizeifahndungen kommt, wenn man keine Toten hinterlässt. Der französische Knastbruder Sartet hingegen macht lieber keine Gefangenen, schießt sich seinen Weg nötigenfalls frei.

Zwischen ihnen steht Kommissar Le Goff, der sich das Rauchen abgewöhnt, indem er immer eine unangezündete Zigarette im Mund hängen hat. Lino Ventura spielt ihn unterkühlt, fast leidenschaftslos (Armee im Schatten – 1969; Die Abenteurer – 1967; Einer bleibt auf der Strecke – 1965; Taxi nach Tobruk – 1961; Der Panther wird gehetzt – 1960; Tatort Paris – 1959; Fahrstuhl zum Schafott – 1958). Irgendwann legt er den Telefonhörer auf die Gabel und sagt mit unendlich trauriger, müder Stimme „Gib mir mal Feuer.“ Mehr muss über den Inhalt des vorherigen Telefonats nicht gesagt werden. Es ist ein reduzierter Film. Geredet wird das Nötige. Gezeigt wird das Nötige. Und Kameramann Henri Decaë taucht alles in unterkühlte Lichtstimmung. Selbst eine Strandepisode im südfranzösischen Menton bringt keine Wärme auf. Dafür sorgt schon die Sonnenbrillen-Präsenz Alain Delons (Der Swimmingpool – 1969; Der eiskalte Engel – 1967; Die Abenteurer – 1967; Brennt Paris? – 1966; Der Leopard – 1963; Rocco und seine Brüder – 1960; Nur die Sonne war Zeuge – 1960), der die Gläser nicht mal im abgedunkelten Flugzeug abnimmt und sich weder von Todesurteilen noch sizilianischer Familienehre aus der Ruhe bringen lässt.

Jean Gabin, der Grandseigneur des französischen Kinos kann Wärme wenigstens vortäuschen, wenn er mit seinen Söhnen, Schwiegertöchtern und dem Enkel bei Pasta zusammensitzt. Videocover: Der Clan der Sizilianer (1969) Da ist er ganz der fröhlich zugeneigte Papa. Aber der hat beste Verbindungen in alle Welt und wenn er das Schießen auch ablehnt – wegen besagter strengerer Polizeikontrollen – ist er ohne zu zögern bereit, sofort zu schießen, wenn es unumgänglich ist. Seine beiden nicht sehr langen Szenen mit Lino Ventura sind wunderbar. Zwei Herren führen ein Gespräch, bei dem es zwischen den Zeilen um Raub und Mord geht; in den Zeilen selbst werden Höflichkeiten ausgetauscht.

Die vierte Hauptrolle neben den drei Stars spielt Ennio Morricone. Sein Score führt ein Eigenleben, manchmal, so scheint es, ordnen sich Bilder und Dramaturgie den eleganten Melodien Morricones unter. Das erinnert an Sergio Leones Spiel mir das Lied vom Tod aus dem vergangenen Jahr. Da komponierte Morricone seinen Score nach dem Drehbuch und Sergio Leone passte seine Montage in entscheidenden Szenen der Musik an. Leones Western wird wegen seiner Musik auch als Western- oder Pferde-Oper bezeichnet. Dementsprechend kann man Verneuil "Clan der Sizilianer" als Gangster-Oper bezeichnen.

Wertung: 8 von 8 D-Mark
IMDB