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Plakatmotiv: Der Leopard (1963)

Prachtvoller Bilderbogen
über eine bewegte Zeit

Titel Der Leopard
(Il gattopardo)
Drehbuch Suso Cecchi D’Amico & Pasquale Festa Campanile & Enrico Medioli & Massimo Franciosa & Luchino Visconti
nach dem gleichnamigen Roman von Giuseppe Tomasi di Lampedusa
Regie Luchino Visconti, Italien, Frankreich 1963
Darsteller

Burt Lancaster, Alain Delon, Claudia Cardinale, Paolo Stoppa, Rina Morelli, Romolo Valli, Mario Girotti, Pierre Clémenti, Lucilla Morlacchi, Giuliano Gemma, Evelyn Stewart, Ottavia Piccolo, Carlo Valenzano, Brook Fuller, Anna Maria Bottini, Lola Braccini, Marino Masé, Howard Nelson Rubien u.a.

Genre Drama, Geschichte
Filmlänge 186 Minuten
Deutschlandstart
8. November 1963
Inhalt

Sizilien, 1860: Der konservative Don Fabrizio, der angesehene Fürst von Salina, weilt mit seiner Familie beim Gottesdienst in der Schlosskapelle. In die Gebete und Litaneien dringen verworrene Rufe von draußen. Nach der Messe wird die kleine Gemeinde mit einer beunruhigenden Nachricht konfrontiert: Volksheld Garibaldi, Vorkämpfer für ein vereintes Italien, ist mit seinen "1000 Rothemden" in Marsala gelandet.

Zur Überraschung seiner Standesgenossen stellt sich der Fürst auf die Seite der neuen Herrschaft, der sich auch sein Neffe Tancredi angeschlossen hat.
Während eines Aufenthalts der Familie auf ihrem Landsitz in Donnafugata flirtet Tancredi mit Concetta, der ältesten Tochter des Fürsten Don Fabrizio. Dieser sperrt sich jedoch gegen eine eheliche Verbindung der beiden. Auf einem Empfang der Honoratioren von Donnafugata verliebt sich Tancredi in Angelica, die Tochter des Bürgermeisters Don Calogero Sedara. Don Fabrizio, der erkannt hat, dass die Vermischung der vermögenden Bourgeoisie mit der zum Abstieg verurteilten Aristokratie nur noch eine Frage der Zeit ist, fördert diese Verbindung mit aller Kraft.
Bald darauf entscheidet sich Sizilien für ein vereintes Königreich Italien unter König Viktor Emanuel II. Anlässlich eines großen Balls in Palermo wird Angelica von Tancredi und dem Fürsten in die aristokratische Gesellschaft eingeführt. Der gesellschaftliche Wandel ist nicht mehr aufzuhalten, und der Einfluss des Bürgertums wächst und wächst …

Was zu sagen wäre

Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, muss alles sich ändern“, sagt Tancredi, der Liebingsneffe des alten Don Fabrizio. Und es sind Zeiten großer Veränderungen in Italien des Jahres 1860. Im "Risorgimento" begehrt das Bürgertum auf, ein Mittelstand entsteht, der alte und häufig verarmte Adel verliert an Bedeutung. Aus den vielen eigenstaatlichen Fürstentümern und Regionen der Apenninhalbinsel entsteht ein unabhängiger Nationalstaat Italien.

Der Niedergang der Adelshäuser ist überall sichtbar, der Putz bröckelt von den Wänden, immer mehr Zimmer in den Palästen stehen leer. Don Fabrizio weiß, dass seine Zeit, die Zeit der herrschenden Fürstenhäuser zu Ende geht, Tancredi weiß das auch. Plakatmotiv: Der Leopard (1963) Deshalb schließt er sich bald dem Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi an, der mit seinen Gefolgsleuten in Sizilien landet, um die unbeliebte Fremdherrschaft der Bourbonen in Süditalien zu beenden. Später schließt sich Tancredi der neuen italienischen Armee an und kämpft gegen Garibaldi. Luchino Visconti (Rocco und seine Brüder – 1960) erzählt diesen schleichenden Niedergang drei Stunden als opulentes visuelles Spektakel. Mag der Putz auch bröckeln, die Paläste sind immer noch verschwenderisch ausgestattet mit Leuchtern, Teppichen, glänzenden Tischen, eleganten Chaiselongues, gepolsterten Sitzmöbeln; Viscontis Film durchweht den Hauch eleganter Melancholie. Fremd wirkt auf den ersten Blick die Besetzung der Titelfigur mit Burt Lancaster. Viscontis Wunschbesetzung für die Hauptrolle des Fürsten war eigentlich Marlon Brando. Schließlich wurde Burt Lancaster von den Produzenten verpflichtet, was Visconti argwöhnisch machte. Lancaster stand zwar als großer Hollywood-Star auf dem Zenit seines Ruhmes, hatte aber nie italienische Aristokraten gespielt, sondern immer typisch amerikanische Figuren in Western oder Kriminalfilmen (Der Gefangene von Alcatraz – 1962; Urteil von Nürnberg – 1961; Elmer Gantry – Gott ist im Geschäft – 1960; Denen man nicht vergibt – 1960; Zwei rechnen ab – 1957; Die tätowierte Rose – 1955; Der Mann aus Kentucky – 1955; Vera Cruz – 1954; Massai – Der große Apache – 1954; Verdammt in alle Ewigkeit – 1953; "Der rote Korsar" – 1952; Du lebst noch 105 Minuten – 1948). Diese Figuren-Vergangenheit vergisst man aber bald. Lancaster spielt einen durchsetzungsstarken italienischen Fürst, der dabei zusieht, wie ihm sein gewohntes Leben aus den Händen gleitet und irgendwann mit einer Träne im Auge erkennt, dass er zu alt geworden ist: „Wir waren die Leoparden, die Löwen, die Adler. Unseren Platz werden Schafe, Hyänen und Schakale einnehmen. Doch in einem gleichen wir uns – Leoparden, Schakale, Hyänen und Schafe: Alle glauben nämlich von sich, sie seien das Salz der Erde.

Einen Handlungsfaden, der sich nach drei Stunden zu einem großen Finale verdichtet, gibt es nicht. Als Zuschauer sind wir Gast im Hause des Fürsten und erleben einzelne Episoden, ähnlich, wie das der zugrunde liegende Roman von Giuseppe Tomasi di Lampedusa auch schon macht, indem er in acht Kapiteln („Teilen“) Episoden aus dem Leben des sizilianischen Fürstenhauses zwischen Mai 1860 und Mai 1910 erzählt. Visconti geht nicht bis 1910, er steigt rund um 1870 aus, wenn der Fürst während eines rauschenden Balls feststellt, dass er in der neu gemischten Gesellschaft aus altem Adel, Offizieren und ständig über Geld redenden Bürgertums kaum noch dazugehört und schließlich in einer dunklen Gasse Palermos geradezu darum fleht, von seinem irdischen Dasein erlöst zu werden und dann in der Dunkelheit verschwindet. Dieser einsamen Schlussszene ist eine rund dreiviertelstündige Ballszene vorausgegangen, in die die Filmemacher alles gesteckt haben, was sie finden konnten – zahllose Statisten in edlen Gewändern, unzählige livrierte Diener, die Tabletts herumtragen, riesige in rot, gold oder blau schimmernde Säle, elegantes Porzellan und wieder sehr viele gepolsterte Möbel.

Auf diesem Ball des Fürsten von Ponteleone in Palermo wird Angelica in die adlige Gesellschaft eingeführt, die bald Tancredi heiraten wird. Der stammt von uraltem Adel ab, ist aber verarmt und schon deshalb sehr an der schönen Angelica interessiert, weil deren Vater zwar ein Bürgerlicher ist, es aber mit zwielichtigen Geschäften zu einem Vermögen gebracht hat und Tancredi ein charmanter Wendehals mit politischen Ambitionen ist; Plakatmotiv: Der Leopard (1963) Schwiegervaters Geld kann er gut gebrauchen. Ihn spielt der Franzose Alain Delon (Rocco und seine Brüder – 1960; Nur die Sonne war Zeuge – 1960) zu Beginn als fröhlichen Hurra-Revolutionär und später als Frack tragenden Bonvivant.

Über seine Liebe zu Angelica heißt es in der Romanvorlage: „Dies waren die besten Tage im Leben Tancredis und Angelicas … das Vorspiel zu ihrer späteren Ehe, die ihnen, auch erotisch, nie recht gelingen sollte.“ Von dieser enttäuschenden, aber doch vielen Ehen innewohnenden Entwicklung sehen wir im Film nichts, der endet, bevor die „besten Tage“ des Paares vorbei sind. Im Film erleben wir als Angelica eine strahlende Claudia Cardinale (Cartouche, der Bandit – 1962; Rocco und seine Brüder – 1960), die mit ihrem herzhaft lauten Lachen einmal eine ganze Tischgesellschaft sprengt.

Luchino Visconti, überzeugter Marxist, lässt sich auf seine Figuren ein. Er hätte den Niedergang des Feudalsystems im Hause eines Fürsten auch zynischer erzählen können. Aber er hält sich raus, kommentiert nicht, beobachtet stattdessen und malt damit das Panorama des politischen Italien mit dem Kampf zwischen den gesellschaftlichen Schichten, dem armen Süden und dem reichen Norden, erzählt von Opportunisten, die gewinnen, weil die Träumer immer verlieren. Das macht den Film "Der Leopard" zeitlos, denn das sind alles Zustände, die sich nicht geändert haben.

Was sagt der Fürst über seine Heimat Sizilien: „Ewigen Schlaf, das ist alles, was die Sizilianer wollen. Und sie werden immer jeden hassen, der sie wecken will. Selbst wenn er als Freund kommt und die schönsten Geschenke bringt. Und im Vertrauen gesagt, ich hege starke Zweifel, ob das neue Reich in seinem Gepäck viele Geschenke für uns hat. (…) Die Sizilianer wünschen keinen Veränderung der jetzigen Zustände. Aus einem ganz einfachen Grund: Weil sie sich für vollkommen halten. Aus Eitelkeit nehmen sie ihr Elend nicht wahr.

Wertung: 7 von 7 D-Mark
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