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Kinoplakat: Elmer Gantry (1960)

Großes Drama rund um die
Jagd nach dem eigenen Vorteil

Titel Elmer Gantry
(Elmer Gantry)
Drehbuch Richard Brooks
nach dem gleichnamigen Roman von Sinclair Lewis
Regie Richard Brooks, USA 1960
Darsteller

Burt Lancaster, Jean Simmons, Arthur Kennedy, Dean Jagger, Shirley Jones, Patti Page, Edward Andrews, John McIntire, Hugh Marlowe, Joe Maross, Philip Ober, Barry Kelley, Wendell Holmes, Dayton Lummis, Harry Antrim, Larry J. Blake, Phil Bloom, Paul Bradley u.a.

Genre Drama
Filmlänge 146 Minuten
Deutschlandstart
17. Februar 1961
Inhalt

Staubsaugervertreter Elmer Gantry ist in seinem Beruf ein Versager. Groß ist er nur im Vertilgen von Alkohol und Besuchen von Bordellen. Dort entdeckt er auch sein rhetorisches Talent: Gantry riskiert gern mal eine dicke Lippe und beschließt, daraus Kapital zu schlagen.

So beginnt er als Wanderprediger in der Zeltmission von Sharon Falconer und zieht dort bald die Massen in seinen Bann. Gantry wird ein Star der Szene – bis ihn seine Vergangenheit einholt …

Was zu sagen wäre

Der Glaube der Menschen ist ein gigantisches Geschäft. Davon handelt diese Film von Richard Brooks (Die Katze auf dem heißen Blechdach – 1958; "Die Brüder Karamasov" – 1958; Die Maske runter! – 1952) nach dem Roman von Sinclair Lewis. „Aus den ehemals 12 Aposteln ist ein gigantischer Konzern geworden!“, sagt ein Kirchenmann im Film, der überzeugt ist, dass eine Kirche deshalb auch so geführt werden muss, wie ein großes Unternehmen. Denn der Glaube ist eine Ware, nichts anderes als ein Auto oder ein Büstenhalter, für den man sich eine gute Geschichte einfallen lassen muss, wenn man ihn oft verkaufen will. Es gibt ja schließlich auch Büstenhalter von anderen Herstellern. „Wir leben im Wettbewerb mit der Vergnügungsindustrie.“ Deshalb wird den vielbeschworenen „einfachen Menschen vom Land“ großes Spektakel geboten, um sie in die örtlichen Kirchen zu holen, in denen sie dann ihre monatliche Mitgliedsgebühr entrichten und den Klingelbeutel füllen sollen. Worum ging es gleich noch einmal? Ach ja, um Gott und seinen Sohn, der am Kreuz gestorben ist.

Wir lernen die Menschen, die da zuhauf in das Kirchenzelt von Schwester Sharon strömen, nicht näher kennen. Sie bleiben eine anonyme Masse, die sich verführen lassen will. Aber der Zuschauer ahnt, warum sie sich verführen lassen wollen, wovor sie fliehen. Der Film spielt während der Prohibitionszeit, also irgendwann zwischen 1920 und 1933; keine gute Zeit für die Menschen in den USA: große Depression, Börsencrash, Massenarbeitslosigkeit. Und an jeder Ecke steht so ein Typ wie Elmer Gantry. Ein Schwätzer, oder: ein brillanter Redner, der Dir das Ohr vom Schädel redet. Ein Staubsaugervertreter, der keine Staubsauger verkauft und das nicht nur, weil die Staubsauger anderer Anbieter billiger sind, sondern vor allem, weil die Leute kein Geld haben, um einen zu kaufen, die meisten haben nicht mal einen Teppich, den sie damit sauber machen könnten. Gantry liegt allen auf der Tasche, hat in jeder Stadt einen Deckel, auf dem er anschreiben lässt, und eine Frau; Kinoplakat (US): Elmer Gantry (1960) die ist meistens verheiratet, aber mit der ehelichen Treue in jenen Tagen war es eben auch nicht weit her. Und dann kommt da ein fröhlich strahlender Mensch wie Sharon, erzählt Dir von der Schönheit des einfachen Lebens in der freien Natur, von den einfachen Dingen und dass Gott Dich bedingungslos liebt. Wenn Du nur an ihn glaubst. Und den Mitgliedsbeitrag entrichtest. Gott ist meistens das bessere Geschäft. Die, die glauben wollen, finden einen Hafen. Die, die den Glauben vermarkten, ein üppig ausgestattetes Leben.

Burt Lancaster, auf physisch fordernde Rollen abonniert, spielt Elmer Gantry, den begnadeten Verführer (Denen man nicht vergibt – 1960; Zwei rechnen ab – 1957; Die tätowierte Rose – 1955; Der Mann aus Kentucky – 1955; Vera Cruz – 1954; Massai – Der große Apache – 1954; Verdammt in alle Ewigkeit – 1953; "Der rote Korsar" – 1952; Du lebst noch 105 Minuten – 1948). Lancaster lässt seinen Staubsaugervertreter immer strahlen, egal, wie tief er gerade im Dreck liegt. Da liegen die anderen doch auch. Wird schon werden. In Lancasters Gesicht leuchtet der amerikanische, unerschütterlich optimistische Geist. Das Lachen vergeht ihm erst, als er sich zu sehr in eine Sache involviert. Solange er schön oberflächlich bleibt, nichts an sich heran lässt, läuft das Leben so gut es eben geht. Er verliebt sich ausgerechnet in die aufrechte Schwester Sharon Falconer, die nichts mehr möchte, als ihre eigene Kirche errichten und Gott feiern. Dafür ist sie aus ihrer kleinen Kleinstadt im amerikanischen Nirgendwo aufgebrochen, hat sich einen neuen, besser klingenden Namen zugelegt und begonnen, die Massen zu überzeugen. Das kann sie gut. Bei ihr weiß man nicht so recht, ob sie hinter ihrem glücklichen Lächeln und ihrer – hinter den Kulissen – dauernden Erschöpfung eine besonders gute Lügnerin ist, oder vielleicht doch sowas wie ein Engel. Richard Brooks lässt das tatsächlich in der Schwebe, obwohl er betont keinen Märchenfilm oder sowas wie die Zehn Gebote gedreht hat.

Der Film spielt in der harten Realität des Amerika der Depression. Schwester Sharon aber ist so grundgütig – und vollbringt dann auch noch ein Wunder – dass sie kaum in die rau dargestellt Welt passt, durch die sie reist. Als wir sie kennenlernen, schwebt sie auch eher über dieser Welt, in der sie predigt. Jean Simmons (Weites Land – 1958; Das Gewand – 1953) gibt der Sharon eine selige Entrücktheit, gepaart mit geschäftstüchtiger Härte. Erst Gantry zieht sie herunter und buchstäblich ins Dunkle. In der Szene, in der er sie verführt – den Engel entjungfert – verschwinden beide ganz im schwarzen Schatten eines nächtlichen Strands. Der Sündenfall. Danach beginnt der Absturz. Der erst mit dem Fegefeuer endet.

"Elmer Gantry" erzählt von den menschlichen Schwächen und wie sie eine goldene Ära, eine bessere Gesellschaft immer wieder verhindern, weil auch die erträumte bessere Gesellschaft aus Menschen mit ihren Schwächen und Fehlern besteht. Es wird immer einer kommen, der unschuldig lächelnd zerstört, was ein anderer in festem Glauben aufgebaut hat. Für Sharon ist das Elmer Gantry. Für Gantry ist das Lulu, eine frühere Freundin. Und für die Menschen, die Erlösung von ihrer täglichen Fron suchen, sind es die falschen Prediger, die christlichen Glauben in klingelnde Münze verwandeln.

Wertung: 7 von 7 D-Mark
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