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Plakatmotiv: Vera Cruz (1954)

Es geht nicht um Moral.
Es geht nur um Geld!

Titel Vera Cruz
(Vera Cruz)
Drehbuch Roland Kibbee & James R. Webb & Borden Chase
Regie Robert Aldrich, USA 1954
Darsteller

Gary Cooper, Burt Lancaster, Denise Darcel, Cesar Romero, Sara Montiel, George Macready, Jack Elam, Ernest Borgnine, James McCallion, Morris Ankrum, James Seay, Henry Brandon, Archie Savage, Charles Bronson (als Charles Buchinsky), Charles Horvath u.a.

Genre Western, Abenteuer
Filmlänge 94 Minuten
Deutschlandstart
13. Mai 1955
Inhalt

Der ehemalige Südstaaten-Oberst Ben Trane und der Gauner Joe Erin lassen sich im Mexico des Jahres 1866 von einem Gefolgsmann Kaiser Maximilians anheuern. Sie sollen in einem Geleitzug die Gräfin Marie Duvarre während des Bürgerkriegs durch feindliches Gebiet eskortieren, in die Hafenstadt Vera Cruz.

Was den beiden Männern verschwiegen wird: In der Kutsche befindet sich Gold in Höhe von drei Millionen Dollar, womit im fernen Europa neue Soldaten angeworben, sowie Waffen für den Kampf gegen die mexikanischen Rebellen gekauft werden sollen. Die Gräfin hat mit dem Schatz jedoch andere Pläne – sie will das wertvolle Gut für sich selbst haben.

Als sie ihrem Geleitschutz von dem Vorhaben berichtet, reagieren diese ganz unterschiedlich: Plakatmotiv: Vera Cruz (1954) Während Trane das Gold sicher an sein Ziel führen will, ist Joe die ganze Revolution egal. Er hätte den Reichtum ebenfalls gerne für sich …

Was zu sagen wäre

Im Western geht es um ehrbare Männer, die unschuldige Frauen aus der Hand skrupelloser Viehbarone befreien? Vergiss es! Der Bürgerkrieg ist vorbei, der Süden hat verloren, die dortigen Baumwollplantagen werden künftig ohne ihre Sklaven bewirtschaftet werden müssen und die Vertreter dieser alten Ordnung fliehen mit einer Menge Erfahrung in neue Welten; etwa in die des den Südstaaten nicht unbekannten Unabhängigkeitsdrang Mexikos gegen den aus Österreich importierten Kaiser Maximilian.

Benjamin Trane zum Beispiel, aufgewachsen rund um die Herrenhäuser der großen Baumwollplantagen hat offenbar an Besitz verloren aber an Erfahrung gewonnen: „Nichts ist sicher vor der Zerstörungswut des Menschen“, sagt er angesichts des dargebotenen Prunks eines mexikanischen Palasts Maximilians. „Aber es gibt auch nichts, was der Mensch nicht wieder aufbauen kann“, entgegnet lächelnd Marquis Henri de Labordere. „Falls ihm genug Zeit dazu bleibt!“, knurrt Trane. Das ist das Thema dieses Films. Die US-Westerner haben wenig übrig für die Mexikaner. Aber dass die von einem Österreicher unter französischer Kuratel beherrscht werden sollen, widerstrebt dem Freiheitsgedanken sowohl der Süd- als auch der Nordstaatler; deshalb darf in diesem Film auch ein Afroamerikaner in Nordstaaten-Uniform mal kurz einem Star wie Gary Cooper (mit Südstaaten-Vergangenheit) Paroli bieten. <Nachtrag2009>Der Film entstand 1954, da ist die Rassentrennung zwar per Gesetz verboten, im gesellschaftlichen Alltag aber noch gang und gäbe.</Nachtrag2009> Aber selbst das entpuppt sich unter Aldrichs Regie als der lediglich moralische Überbau eines Abenteuerfilms, der sich nicht um Schwarz und Weiß, Nord und Süd, USA und Mexiko kümmert: „Geld! Lohnt es sich, dafür sein Leben zu riskieren?“ „Ist noch das einzige, wofür es sich lohnt!“ „Der Mensch braucht mehr. Etwas, woran er glauben kann.“ Nein, denn eigentlich geht es den vermeintlich ehrbaren Männern, gespielt von Altstar Gary Cooper (Der Garten des Bösen – 1954; 12 Uhr mittags – 1952; Der Mann, der nicht zur Hochzeit kam (aka So ein Papa) – 1944; Wem die Stunde schlägt – 1943; Sergeant York – 1941; Blaubarts achte Frau – 1938; "Mr. Deeds geht in die Stadt" – 1936) und Jungstar Burt Lancaster (Massai – Der große Apache – 1954; Verdammt in alle Ewigkeit – 1953; "Der rote Korsar" – 1952), lediglich um drei Millionen Dollar in einer Kutsche. Dafür gehen sie im Lauf des Films immer neue Koalitionen ein, bei denen die Loyalität zu einem fernen Kaiser, zu Vereinigten Staaten von Amerika im Entstehen, zu Frauen, zu Revolver-Partnern lediglich eine Brücke darstellt, die im jeweiligen Moment den Weg ins Überleben sichert. Plakatmotiv: Vera Cruz (1954) Da demaskiert Aldrich (Massai – Der große Apache – 1954), neun Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, die allseits propagierte Bipolarität der neuen Welt. 

Das angebliche Wir gegen Die dekliniert Aldrich in seinem Film durch und stellt fest, dass diese Bipolarität eigentlich eine Multipolarität ist: Nordstaaten gegen Südstaaten; US-Söldner gegen Mexikaner; Neue Welt – Mexikaner und US-Söldner – gegen Alte Welt – Europäer; Reich gegen Arm. Allen gemeinsam ist: Sie wollen die drei Millionen Dollar, egal, welcher Konfession sie angehören. Der alte Kontinent (Europa) hat unter Aldrichs Regie moralisch keine Chance: Kaiser Maximilian und seine Entourage, die sich, in bunte Uniformen gekleidet, nicht um das Leben ihrer Unterlinge schert, auf der einen Seite, die harten Realisten mit den rauen, pragmatischen – wer schneller zieht, überlebt – Umgangsformen aus dem Wilden Westen in ihren verstaubten Klamotten auf der anderen. In der ersten halben Stunde britzelt der Zynismus des Filmemachers aus jedem Frame und gipfelt in einem bösen Dialog der französischen Gräfin mit dem von Burt Lancaster gespielten Strolch Joe Erin: „Ben Trane liebt die Menschen. Und auf so einen ist niemals Verlass!“, sagt also Joe. Und die französische, sehr durchtriebene Gräfin Marie Duvarre lobt, als sie Joes Verschlagenheit durchschaut. „Du bist zwar Amerikaner. Aber im Herzen Franzose.“ Kurz: alte Welt = böse! Aldrich gehört unter den ungestümen jungen Hollywoodianern zu den linken.

Dieser zynische Western kulminiert im Grund-Dilemma aller Western, deren Personal der modernen Gesellschaft in mehr oder weniger rechtsfreien Räumen Lebensraum erstreiten soll: Wer erreicht mehr? Der harte Mann mit dem Schießeisen (Burt Lancaster) oder der harte Mann mit den bürgerlichen Umgangsformen (Gary Cooper)?

Wertung: 5 von 6 D-Mark
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