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Plakatmotiv: Wem die Stunde schlägt (1943)

Wenn es im Bürgerkrieg
nur um die Liebe geht

Titel Wem die Stunde schlägt
(For Whom the Bell Tolls)
Drehbuch Dudley Nichols
nach dem gleichnamigen Roman von Ernest Hemingway
Regie Sam Wood, USA 1943
Darsteller

Gary Cooper, Ingrid Bergman, Akim Tamiroff, Arturo de Córdova, Vladimir Sokoloff, Mikhail Rasumny, Fortunio Bonanova, Eric Feldary, Victor Varconi, Katina Paxinou, Joseph Calleia, Lilo Yarson, Alexander Granach, Adia Kuznetzoff, Leonid Snegoff, Leo Bulgakov, Duncan Renaldo, Frank Puglia u.a.

Genre Abenteuer, Drama, Geschichte
Filmlänge 158 Minuten
Deutschlandstart
12. Januar 1951
Inhalt

Spanischer Bürgerkrieg, 1937: Der Amerikaner Robert Jordan kämpft als Freiwilliger Seite an Seite mit den Republikanern gegen die Nationalisten und führt als Sprengstoffexperte diverse Sabotageakte durch. Mit nur drei Tagen Vorbereitungszeit soll er als nächstes eine strategisch wichtige Brücke sprengen, die sich über einer Schlucht befindet.
Da Jordan den Plan nicht alleine umsetzen kann, schließt er sich einer Gruppe Widerstandskämpfer an, die ihr Lager in den Bergen aufgeschlagen haben. Auch die junge María, deren Eltern einst von den Falangisten ermordet wurden, ist Teil dieser Gruppe. María und Jordan finden Halt aneinander und verlieben sich – zum Unmut des Anführers Pablo. Pablo ist vom Erfolg der Mission nicht überzeugt und setzt alles daran, diese zu sabotieren.
Die Rebellen und besonders Pablos Frau Pilar schlagen sich jedoch auf Jordans Seite und wollen ihm helfen, die Brücke zu sprengen. Jordan nimmt die Führung der Gruppe mit Pilars Einverständnis an sich. Als die Franco-Truppen die Brücke bei Sonnenaufgang überqueren wollen, gelingt Jordan in allerletzter Minute die Sprengung. Nach dem Erfolg steht dem Liebesglück von María und Jordan nichts mehr im Wege – bis sich Jordan bei der Flucht ein Bein bricht und nicht weiterreiten kann …

Was zu sagen wäre

Das ist ein Film, der sich lange vor mir gedrückt hat. Der Filmtitel war mir früh – ich schätze mal, seit Ende der 70er – bekannt und immer, wenn der Titel in irgendeinem Zusammenhang auftauchte, wusste ich: Ah, wichtig, aber nie gesehen! 2005 war es dann so weit. Und das war zu spät – um zu verstehen, warum dieser Film zu seiner Zeit ein kommerzieller Erfolg gewesen ist. Plakatmotiv: Wem die Stunde schlägt (1943) Der Film, der etwa drei Millionen US-Dollar gekostet hatte, spielte allein in den USA insgesamt sieben Millionen US-Dollar ein und galt somit als großer Erfolg für Paramount Pictures.

Grob gesagt geht es darum, dass ein die republikanischen Rebellen in Spanien unterstützender Amerikaner 1937 eine Brücke in dem Moment sprengen soll, in dem eine wichtige Nachschubrotte darüber rollt. Tatsächlich aber geht es im Film um die Kameradschaft inmitten der alltäglichen Bedrohung durch den Tod während des Spanischen Bürgerkrieges. Das heißt, dass die handelnden Personen einen Großteil der Filmzeit in einer Höhle sitzen und über Kompetenzen und Loyalitäten streiten.

Kaum hat sich der Amerikaner Robert, den sie hier Roberto nennen, den Partisanen angeschlossen, verliebt er sich in die junge Spanierin Maria. Der Regisseur des Films, Sam Wood, tut das auch. Maria wird gespielt von der Schwedin Ingrid Bergmann und Sam Wood – einer der drei Regisseure von "Vom Winde verweht" (1939) – zeigt ihr Gesicht derart oft in CloseUps, dass es nach Verlegenheit aussieht, sonst nichts zu zeigen zu haben; ein Jahr nach ihrem Weichzeichner-Auftritt im Schwarz-Weiß-Klassiker Casablanca (1942) strahlt Bergmann jetzt im Farbfilm in allen Pastelltönen der Romantik. Gleich ihr erster Auftritt, das Gesicht mit brauner Tönung glatt geschminkt zwischen all den vierschrötigen Kerlen mit gelben Zähnen im Rebellenversteck, lässt dem von Gary Cooper (Sergeant York – 1941; Blaubarts achte Frau – 1938; "Mr. Deeds geht in die Stadt" – 1936) gespielten Robert keine Chance: Nach zwei Szenen sind beide in Liebe entflammt füreinander: „Küss mich!“ „Du bist schamlos!“ Diese Coolness erinnert an Han Solo in Das Imperium schlägt zurück, als er auf Leias Ausruf „Ich liebe Dich!“ mit ”Ich weiß.“ antwortet – aber das konnte ja Sam Wood 1943 freilich noch gar nicht wissen.

Tatsächlich passiert in diesem Partisanenfilm ausgesprochen wenig. Dafür wird umso mehr geredet. Das faschistisch regierte Spanien in den 1930er Jahren war ein Experimentierfeld von faschistischen Italienern und Nazi-Deutschen. Deswegen engagierten sich US-Amerikaner – ganz inoffiziell – auf der Seite der Republikaner, die gegen die faschistischen Herrscher ins Feld zogen. Einer von ihnen ist Robert, der dann erst einmal mehr als eine Filmstunde in der Höhle der Partisanen sitzt und sich über Autoritäten und Führungsqualitäten streitet. Da geht es um die Rollen von Männern und Frauen im Krieg, um Sinn oder Unsinn von Kommandounternehmen wie dem, die Brücke zu sprengen; und es stellt sich heraus, dass die maßgeblichen Männer versoffene Machos sind, die längst tot wären, gäbe es nicht Frauen wie Pilar, eigentlich die Frau des Anführers Pablo und damit bessere Küchenchefin. Aber während Pablo zum Bedenkenträger mutiert – „Wenn wir die Brücke sprengen, werden sie uns aus unseren Verstecken vertreiben.Plakatmotiv: Wem die Stunde schlägt (1943) – der lieber noch einen weiteren Becher Wein hätte, sorgt Pilar für die notwendigen Verknüpfungen unter den Partisanengruppen und ist bald deren neue Anführerin – die Griechin Katina Paxinou wurde für ihre Rolle als Partisanin Pilar mit dem Oscar für die weibliche Nebenrolle ausgezeichnet.

Für Filmakademiker interessant ist die Sprache zwischen den Zeilen. Dauernd ist von Marias Kurzhaarfrisur die Rede. „Sie brachten mich in den Friseurladen. Sie setzten mich in den Stuhl und hielten mich fest. Ich sah auf mein Gesicht im Spiegel, aber ich konnte nur meine Mutter und meinen Vater während der Erschießung sehen. In mir waren die Worte meiner Mutter wie ein Schrei, der weiter ging und weiter ging und … und dann fühlte ich einen Schmerz. Sie haben an meinen Haaren gezogen und sie mit einem Messer abgeschnitten. Und dann haben sie mir die Zöpfe in den Mund gesteckt und sie um meinen Hals geknotet, um sich lustig zu machen. Und dann … haben sie mir den Kopf rasiert. Und da … da habe ich angefangen zu weinen, denn bis dahin war ich wie erstarrt und hatte keine Gefühle. In dem Spiegel konnte ich sehen, wie die Männer lachten. Und ich starte unentwegt in mein entsetztes Gesicht mit den Zöpfen, mit denen sie mich geknebelt hatten.“ Spät wird klar, dass dies im Kino des Jahres 1943 eine Metapher für eine Vergewaltigung ist. Später heißt es noch, die beiden Soldaten hätten mit Maria auf einem Sofa die schlimmsten Dinge angestellt. Aber da ist eigentlich schon alles gesagt. 

Der Film zeigt bemerkenswerte Landschaftstotalen mit Menschen darin, was 1943 offenbar für große Faszination beim Publikum gesorgt hat (siehe oben); aus heutiger Sicht betrachtet aber sind das alles Aufnahmen von Menschen vor Pappfelsen im Studio, die vor Leinwandhintergrund agieren. Den Filmemachern von damals kann man das nun nicht vorwerfen, weil sie eine bessere Filmtechnik nicht zur Verfügung hatten. Aber rein auf die Bilder – ohne deren technische Komposition – konzentriert haben wir es bei "Wem die Stunde schlägt" mit vielen sprechenden Köpfen in spanischen Bergen zu tun.

Wo Hemingways Roman wahrscheinlich mitten ins Herz geschossen hat, bleibt dessen Verfilmung bedauerlich leer. Sam Wood stellt seinem Film die Verse des Dichters John Donne voran, denen der Filmtitel mit der Glocke entlehnt ist: ”Any Mans / death diminishes / me, because I am / involved in Mankinde; / and therefore never / send to know / For who / The Bell tolls / It tolls for Thee“ (Jedes Menschen Tod ist auch meiner, denn ich bin Teil der Menschheit. Deshalb frage nie danach, wem die Stunde schlägt. Sie schlägt Dir selbst.).

Die große Dramatik wird 1943 (zwei Jahre vor Ende des Zweiten Weltkrieges) anders erkannt worden sein, als nun 2005. Ein Mann ist 1943 in den Heldentod gegangen für die übergeordneten Ziele einer Gemeinschaft, damit das schöne Gesicht Ingrid Bergmanns weiterlebe.

Wertung: 2 von 6 D-Mark
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