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Plakatmotiv: Nur die Sonne war Zeuge (1960)

Ein eleganter und sonniger
Thriller über Schuld und Mord

Titel Nur die Sonne war Zeuge
(Plein soleil)
Drehbuch René Clément + Paul Gégauff
nach dem Roman "Der talentierte Mr. Ripley" von Patricia Highsmith
Regie René Clément, Frankreich, Italien 1960
Darsteller
Alain Delon, Marie Laforêt, Maurice Ronet, Erno Crisa, Frank Latimore, Billy Kearns, Ave Ninchi, Viviane Chantel, Nerio Bernardi, Barbel Fanger, Lily Romanelli, Nicolas Petrov, Elvire Popesco u.a.
Genre Crime, Drama
Filmlänge 118 Minuten
Deutschlandstart
16. September 1960
Inhalt

Der amerikanische Millionärssohn Philippe Greenleaf genießt sein Leben lieber mit seiner Freundin Marge Duval in Italien, als sich zu Hause um die Geschäfte zu kümmern. Deswegen hat ihm sein Vater Philippes alten Freund Tom Ripley hinterher geschickt, dem er 5.000 Dollar versprochen hat, wenn er es schafft, Philippe nach Hause zu bringen.

Tom ist ein armer Schlucker, der den reichen Philippe schon in Kindheitstagen bewundert hat. Während Tom hofft, in bessere Kreise aufsteigen zu können, behandelt Philippe Tom wie alle anderen Menschen, die unter seiner Würde leben: wie einen Bediensteten. Philippe ist ein Egozentriker, der seine Umgebung instrumentalisiert, selbst seine Verlobte Marge Duval, die Philippe liebt, mit seinen Extravaganzen aber nicht klar kommt, und vor allem nicht damit, wie er Tom behandelt …

Was zu sagen wäre

Wenn Reiche immer reicher werden, so zieht ihr Reichtum auch die Armen mit nach oben. Das ist eine der gängigen Thesen des Kapitalismus'. In diesem Film bewegen wir uns in Kreisen von Leuten, die so reich sind, dass sie nie wieder arbeiten müssen für ihren Lebensunterhalt, die auf die Frage, womit sie sich beschäftigen, etwas gelangweilt antworten, „ich brauche keine Beschäftigung. Ich habe Geld“. Es ist die zweite, vielleicht auch schon dritte Generation, des irgendwann einmal erarbeiteten Reichtums, die Erben, die in Roms Cafés sitzen und das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinaus werfen.

Unter ihnen ist einer, der all diese Vorteile nicht hat, der nie Geld hatte, schon gar nichts geerbt hat, dem aber dieser Reichtum seit frühester Kindheit wie eine Möhre dem Esel vor die Nase gehalten wurde: „Das kannst Du auch haben, wenn Du nur immer hart arbeitest und fleißig bist.“ Noch so eine These aus dem Kapitalismus-Einmaleins. So, wie wir diesen Jungen, Tom heißt er, kennenlernen, können wir davon ausgehen, dass er einige Versuche unternommen hat, hart zu arbeiten, oder zumindest fleißig dem Reichtum entgegenzusteuern. Hat offenbar alles nicht geklappt. Stimmt vielleicht mit den Thesen des Kapitalismus' was nicht? Plakatmotiv (Fr.): Plein Soleil – Nur die Sonne war Zeuge (1960) Und sollen die einfach nur kaschieren, dass das Leben ungerecht ist, Pech gehabt, Junge? Tom Ripley findet eine weitere These, die da lautet: Der Kapitalismus tötet.

Mord ohne schlechtes Gewissen

Tom Ripley hat sich entschlossen, sich seinen Anteil am Leben in feinen Hemden, Schuhen aus weichem Leder, auf schönen Segelyachten zu holen, indem er mordet. Eigentlich will er nur einmal morden, seinen Jugendfreund Philippe, eigentlich ein arrogantes Arschloch, das sich nicht an den Tom aus der Kindheit erinnert, aber ihn als Laufburschen und Saufkumpan gebrauchen kann, wenn ihm seine Verlobte auf die Nerven geht. Aus Sicht des Zuschauers ist es um diesen Philippe nicht wirklich schade. Am Ende des Films ist Tom Ripley ein Doppelmörder. Und es zeigt sich, wie schwer es ist, einen Menschen zu ermorden mit all den Folgeaufgaben, sofern man nicht als Mörder erwischt werden will.

Alain Delon, der den Tom spielt, muss sich an Bord der Yacht mächtig ins Zeug legen, den mit einem Messerhieb getöteten Philippe nicht nur von Bord zu kriegen, sondern auch dafür zu sorgen, dass er in den Tiefen des Mittelmeers versinkt. Seinen zweiten Toten, einen fülligen Typen, schwerer als er selbst, muss er in einer schweißtreibenden Aktion zwei Stockwerke runter wuchten, immer in der Gefahr, erwischt zu werden, um ihn irgendwo draußen vor der Stadt zu entsorgen. Beide Szenen dauern. Das ist nicht wie im herkömmlichen Krimi, wo einmal geschossen wird und dann bleibt der Tote da liegen.

Ein Held der Arbeit

René Clément inszeniert diese Kurzdramen nahezu ohne Musik, einmal im strahlenden Sonnenschein, einmal auf schwungvoll eleganter Treppe und bringt uns da die harte Arbeit des jungen Mannes für die Möhre "Reichtum" sehr nahe. Der Mörder wird zum Held der Arbeit und wir im Kinosessel bangen mit ihm im sonnigen Urlaubsland Italien. Cléments Kameramann Henri Decaë taucht die Bilder in warme Farben, sonnige Träume an wunderschönen, malerischen Orten in Italien, man möchte gleich die Koffer packen. Gleichzeitig strahlt die Geschichte nichts anderes aus als Kälte. Zwei reiche Schnösel, ein Mörder, verschiedene Figuren der Gesellschaft, die nicht Bitte und Danke sagen können und zwei Morde. Dazwischen eine junge, verliebte Frau, deren kunsthistorische Ambitionen Behauptung bleiben, Hauptsache, sie behält ihren Philippe, den sie sich immer wieder schön denkt.

"Plein Soleil" ist ein ein ruhiger Film, kein Marktschreier, der seine Kunst ausstellt. Stilistisch streng macht er keine Umwege, bleibt immer an seinem Sujet. Das beginnt mit einer fröhlichen Männerfreundschaft auf römischer Piazza, in die sich mit der Zeit Misstöne der Arroganz mischen. Plakatmotiv (Fr.): Plein Soleil – Nur die Sonne war Zeuge (1960) Wir merken es an unhöflichen Sätzen, an verächtlichen Blicken, an ungehaltenen Versprechen nach und nach, dass hier nicht nur etwas nicht stimmt, sondern dass hier ein starkes soziales Gefälle die Sommerfrische trübt. Und nach etwas mehr als einer halben Filmstunde fragt der Schnösel seinen Kumpel Tom, warum der seine Bankauszüge in der Tasche habe: „Du bringst mich um und bist reich?!“ „Mein Kompliment. Man kann Dir nichts verheimlichen.

Ein neues, zerstörerisches Finale

Der Film ist ein ungeschliffenes Juwel unter den Kriminalfilmen, der seinen Joker in den Sand setzt. Die Moral versetzt ihm Kratzer. Dass die homoerotische Beziehung zwischen Philippe und Tom außen vor bleibt, naja, der Film ist aus dem Jahr 1960. Aber Patricia Highsmiths Romanvorlage erzählt dann eine ganz andere Geschichte: Im Roman kommt der amoralische Held Tom Ripley ungestraft davon. Im Film steht, als das Wort "Fin" eingeblendet wird, seine Verhaftung kurz bevor. Das ist schade. Nicht, weil die anderen Ripley-Bücher, die Patricia Highsmith noch geschrieben hat, nun schwer verfilmt werden können. Schade ist das, weil die Figur des Tom Ripley die ganze Zeit über darauf angelegt ist, der feinen Gesellschaft eine plebejische Nase zu drehen. Dass er davonkommt, macht den Roman so außergewöhnlich. Ist es nicht schön, wenn es in der Phantasie von Literatur, im Film möglich wird, die Mauer zwischen Reichtum und Armut einzureißen? Auch, wenn dafür Blutzoll entrichtet werden muss?

Dass Tom Ripley im Film verhaftet wird, führt die Eleganz der Inszenierung, die Schönheit der Bilder, die Möglichkeiten des Lebens, die der Film feiert, auf den letzten Metern ad absurdum.

Wertung: 6 von 7 D-Mark
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