„Money Monster“ heißt die Show, mit der Lee Gates jeden Abend Anlagetipps unters Volk wirft – hier ein heißer, da ein Geheim-Tipp, das alles verpackt in eine launige Show inklusive Showgirls und lärmendem Buzzer. Die Sendung ist mehr Show als seriöses Wirtschaftsfernsehen, aber das Volk kauft Aktien für die Altersvorsorge, das Volk versteht wenig bis nichts von Aktien, will aber gleichzeitig alles wissen und dabei unterhalten werden – Lee Gates ist offenbar der richtige Mann, dieses Bedürfnis zu befriedigen: von Wirtschaft wenig, von Show etwas mehr Ahnung.
Deswegen will seine Producerin Patty Fenn auch weg von der Sendung, den neuen Vertrag hat sie schon in der Tasche. Deswegen will Kyle Budwell ihn auch am liebsten erschießen, die geladene Waffe und eine Sprengstoffweste hat er in der Tasche und bald auch im Studio, wo er Gates‘ Livesendung unterbricht und ihn zwingen will, „die Wahrheit zu sagen“. Budwell hat gerade 60.000 Dollar verloren, sein ganzes Erspartes, Erbe seiner Mutter, hatte er in IBIS-Aktien investiert, nachdem Gates die in seiner Show wärmstens – „sicherer als jedes Sparbuch“ – empfohlen hatte.
Gestern nun hatte sich IBIS als Opfer eines bedauerlichen Computerfehlers, eines Glitch, geoutet, der dazu geführt habe, dass 800 Millionen Dollar verschwunden seien – bedauerlich, nicht zu erklären, aber auch nicht mehr zu reparieren. Kyle Budwell hat sein kleines Vermögen verloren, fühlt sich betrogen und möchte nun wissen, warum die Firma diesen Verlust eingefahren hat.
Er droht damit, nicht zu gehen und Gates hochzusprengen, wenn er keine Antworten bekommt.
Während Gates nun vor den Livekameras schwitzt, organisiert Patty aus der Regie ihre Redakteure, die unter Hochdruck das Geheimnis hinter dem IBIS-Glitch recherchieren müssen, damit der Mann mit der Bombe seine Antworten bekommt …
Das ist nicht der Film, den Jodie Foster uns über ihre Trailer dazu verkauft hatte. Da sah "Money Monster" aus wie ein weiterer dieser Hollywood-Thriller, die von Minute zu Minute unwahrscheinlicher, schneller und lauter werden und dann in einem überraschenden (oder auch weniger überraschenden) Finale explodieren. Und weil aber Jodie Foster auf dem Regiestuhl sitzt, die schon ihr ganzes Filmleben lang auf dem schmalen Grad zwischen Arthouse und Hollywood wandelt, dürfen wir auf Finessen hoffen – und sollte es dennoch langweilig werden, sind da immer noch George Clooney und Julia Roberts (Mother's Day: Liebe ist kein Kinderspiel – 2016; Im August in Osage County – 2013; Spieglein Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen – 2012; Larry Crowne – 2011; "Eat Pray Love" – 2010; Valentinstag – 2010; Duplicity – Gemeinsame Geheimsache – 2009; Der Krieg des Charlie Wilson – 2007; Ocean's Twelve – 2004; Hautnah – 2004; Mona Lisas Lächeln – 2003; Geständnisse – Confessions of a Dangerous Mind – 2002; Voll Frontal – 2002; Ocean's Eleven – 2001; America's Sweethearts – 2001; Erin Brockovich – 2000; Die Braut, die sich nicht traut – 1999; Notting Hill – 1999; Seite an Seite – 1998; Fletchers Visionen – 1997; Die Hochzeit meines besten Freundes – 1997; Alle sagen: I love you – 1996; Michael Collins – 1996; Mary Reilly – 1996; Power of Love – 1995; Prêt-à-Porter – 1994; I love Trouble – Nichts als Ärger – 1994; Die Akte – 1993; The Player – 1992; Hook – 1991; Entscheidung aus Liebe – 1991; Der Feind in meinem Bett – 1991; Flatliners – Heute ist ein schöner Tag zum Sterben – 1990; Pretty Woman – 1990; Magnolien aus Stahl – 1989; Pizza, Pizza – Ein Stück vom Himmel – 1988). Eine kluge Marketingstrategie.
Kein Thriller, sondern eine Satire
Der Film ist kein Thriller, kein Drama, keine Crimescene. „Money Monster“ ist eine Komödie, nahezu eine Satire auf die medial durch- und ausgeleuchtete, auf Gewinnen und Verlieren, übers-Ohr-hauen und Schäfchen-ins-Trockene-bringen geeichte Gesellschaft. Der Wirtschaftskrimi, der da erzählt wird, ist das Nebenprodukt, das höchst unterhaltsam funktionierende Gleitmittel, mit dem Foster uns ein paar Einsichten einschieben möchte.
Wenn Fosters Film ein Problem hat, dann den, dass er in der Storyline tatsächlich nicht mehr liefert, als der Trailer verspricht: handwerklich ansprechendes Kino (von ein paar lächerlich schlechten Greenscreen-Hintergünden mal abgesehen) mit lustvoll aufspielenden Stars und der nicht neuen Erkenntnis, dass Banker blöde Arschlöcher sind, die über Leichen gehen, solange die Dividende stimmt. Aber das wissen wir natürlich, seit Michael Douglas 1987 unter Oliver Stones Regie erklärte „Gier ist gut!“, und selbst in dem fantastisch absurden The Big Short aus dem vergangenen Jahr, der die Auslöser der Weltwirtschaftskrise ab 2008 beleuchtete, blieb das „Wall-Street“-Strickmuster erhalten, bei dem der Wall Street erst nach und nach die goldglänzende Camouflage vom Betrug gezogen wurde.
Alle spielen, alle wetten, alle inszenieren
In Jodie Fosters „Money Monster“ sind die Banker von vorneherein die smarten Lügner – außer ihren eleganten Mänteln und den Schals und den Privatjets haben sie nichts Schönes mehr. Damit ist dann aber auf dieser Ebene auch schon alles gesagt. Dazu gesellt der Film eine Gesellschaft – Fernsehmacher, Polizisten, ordinary people – die dauernd wettet. Der Verhandlungsführer der Polizei wettet auf die Herkunft des bewaffneten Mannes im TV-Studio und der Einsatzleiter bedauert später, „die Wette nicht angenommen zu haben“. Die Producerin der TV-Show kommandiert noch unter höchster Explosionsgefahr ihre Kameraleute im Studio, um die aussichtsreichere Kameraposition zu bekommen – the show must go on, auch sie eine Spielerin, die mit der Realität des Lebens nichts zu tun haben will. Die völlig bekloppte TV-Show dieses Lee Gates, die die SZ-Filmkritikerin Susan Vahabzadeh wunderbar treffend als eine Art „Tutti Frutti mit Aktien“ bezeichnet, scheint offenbar viele (ansonstern alltagstaugliche) Menschen zu inspirieren, den Anlagetipps dieses Windhundes zu vertrauen – kurz: Die Banker mögen ja scheiße sein, aber niemand nimmt ihnen das übel. Als der CEO des IBIS-Konzerns den bedauerlichen Verlust der 800 Millionen Dollar offenbart, fragt niemand nach; die Erklärung „Glitch“ („Programmierfehler“) reicht allen. Das weckt unverarbeitete Erinnerungen an jene Tage, in denen die Banken in der realen Welt zig Milliarden Dollar versenkten, erklärten, das Geld sei einfach weg, etwas von „Blase“ fabulierten und dann – „systemrelevant“ – die Hand aufhielten. Aber der Film bleibt eine Blase.
Yoda kommt auch drin vor
Da gibt es diesen IBIS-Konzern mit dem 800-Millionen-Verlust. Da müssen wir als Zuschauer schon eine Menge glauben, um annähernd zu verstehen, warum jemand deren Aktien kauft; der Film liefert dafür keine Erklärung. Wir im Kinosessel erfahren nicht, was dieses Unternehmen wirtschaftlich sexy macht – die knapp bekleideten Hupfdolen in George Clooneys Studio allein können es ja nicht sein. Dazu kommt der Deus ex Machina in Form zweier Hacker in Reykjavik, die in Nullkommanix plötzlich – aber wenigstens in Yoda-Sprech – Hintergrundinformationen right in time liefern, um den (über)großen Showdown inszenieren zu können.
Die Darstellung der Polizei als … jetzt eher nicht so fähige Truppe im Einsatz unterstreicht das satirische Genre des Films; in einem beinharten Thriller würden die Cops, die NYPD-Cops zumal, sicher anders und entschlossener reagieren. Jodie Foster und ihre Autoren Jamie Linden, Alan DiFiore und Jim Kouf inszenieren die Cops als notwendiges Realismus-Übel, das im anschließenden Wie-war-der-Film-Gespräch zu Widerspruch geradezu einlädt.
Die Hauptfiguren bleiben herzlich egal – aber fantastisch in Szene gesetzt
Das größte Übel aber, das sich während des Abspanns langsam offenbart, ist, dass einem die Figuren die ganze Zeit eigentlich herzlich egal waren: Keine Sekunde bange ich um den smarten TV-Moderator, schon gar nicht um seine noch viel smartere Producerin – Julia Roberts hat ihrer erstaunlichen Karriere hier ein weiteres Highlight in Sachen Präsenz und kleine Gesten hinzugefügt. Es gibt, neben dem armen Simpel Kyle Budwell, eine weitere tragische Figur in diesem Film, die zur Schlüsselfigur in der Aufdeckung der 800-Millionen-Unterschlagung wird; tragisch ist die Figur, weil sie im Laufe des Films herausfindet, dass auch sie betrogen wurde – wenn auch nicht um Geld. Aber auch diese Schlüsselfigur bleibt zweidimensional ohne eigenes Leben; sie wirkt, als sei sie nur in diesem Film, weil irgendeiner ja den TV-Leuten die entscheidenden Inside-Tipps liefern muss. Der Verschwörungsplot – der, dem die 800 Millionen Dollar zum Opfer gefallen sind und der dem bewaffneten Mann im Studio dann natürlich Recht gibt – ist schließlich derart simpel, dass auch er keine Überraschung im Ärmel hat.
Das ist kein Film über das Jahr hinaus. Aber er ist höllisch unterhaltsam, und Clooney (Hail, Caesar! – 2016; Monuments Men – 2014; The Ides of March – 2011; Männer, die auf Ziegen starren – 2009; Up in the Air – 2009; Good Night, and Good Luck. – 2005; Ein (un)möglicher Härtefall – 2003; Confessions of a Dangerous Mind – 2002; Solaris – 2002; Ocean's Eleven – 2001; Der Sturm – 2000; O Brother, Where Art Thou? – 2000; Three Kings – 1999; Out of Sight – 1998; Projekt: Peacemaker – 1997; Batman & Robin – 1997; Tage wie dieser … – 1996; From Dusk Till Dawn – 1996) und Roberts passen in dieser Konstellation einfach perfekt