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Plakatmotiv: Fast & Furious 10 (2023)

Ein Film als Mittelfinger in
die Fresse der Wokeness

Titel Fast & Furious 10
(Fast X)
Drehbuch Dan Mazeau & Justin Lin
mit Charakteren von Gary Scott Thompson
Regie Louis Leterrier, USA 2023
Darsteller

Vin Diesel, Jason Momoa, Michelle Rodríguez, Tyrese Gibson, Ludacris, Sung Kang, Nathalie Emmanuel, Leo Abelo Perry, John Cena, Jordana Brewster, Charlize Theron, Alan Ritchson, Brie Larson, Scott Eastwood, Daniela Melchior, Rita Moreno, Joaquim de Almeida, Luis Da Silva Jr., Jason Statham, Helen Mirren, Pete Davidson, Gal Gadot, Dwayne Johnson, Sung Kang u.a.

Genre Action, Abenteuer
Filmlänge 141 Minuten
Deutschlandstart
17. Mai 2023
Inhalt

Im Jahr 2011 hatten Dominic Toretto und seine Familie sich nach allerlei Hin und Her nach Rio De Janeiro abgesetzt und dort in der Folge den großen Mafiagangster-Bozo Hernan Reyes erst um alle seine Millionen Dollar erleichtert und ihn anschließend auch noch umgebracht. Was damals niemals so recht zur Kenntnis genommen zu haben scheint, auch die Leute von der geheimen Agency nicht, ist, dass Reyes einen Sohn hat: Dante.

Und Dante ist seit damals mächtig angepisst. Er sinnt auf Rache der kalten Art. Nicht die Feinde einfach töten. Nein, vorher sollen sie, also in diesem Fall vor allem Dominic Toretto, leiden. Und wie kann man Toretto, diesen Familienmenschen, besser leiden lassen, als dessen Familie nach und nach auszuschalten?

Dante hat einen fein geäderten Plan ausgearbeitet, der damit beginnt, der Flügel-gestutzten Cyberterroristin Cipher ihre elektronischen Spielzeuge wegzunehmen. Die wendet sich daraufhin – der Feind meines Feindes ist mein Freund – an Dom Toretto, um ihn vor dem „leibhaftigen Teufel“ zu warnen. Da ist es aber schon zu spät.

In Rom werden Doms Freunde von Dante in eine Falle gelockt, an deren Ende größere Teile der Heiligen Stadt in Trümmern liegen und die gesamte Clique zurück auf Platz 1 der meist gesuchten Verbrecher der Welt gesetzt wird.

Als nächstes hat es Dante auf Dominics Sohn Brian abgesehen, der zwar in Dads Dodge schon ordentliche Donuts kringeln kann, aber mit seinen knapp zehn Jahren auch immer noch leichte Beute für den gut organisierten Dante ist. Allerdings ist Dom auch nicht schlecht in Sachen Vorbereitung …

Was zu sagen wäre

Der zentrale Satz in diesem Film lautet „Wir brauchen Panzer und Waffen!“ Damit haben die Jungs und Mädels vor drei Jahren schon Bedrohungen aus dem Weltall im Weltall ausgeschaltet; da sollte das für einen höchst irdischen Gangster namens Dante – wie Dante Alighieri, Schöpfer der modernen italienischen Sprache, der Göttlichen Komödie und vor allem deren erstem Teil "Inferno" – doch wohl ausreichen. Dante stellt sich aber schnell als weit gefährlicher heraus als ein simpler Killersatellit im All, natürlich: Eine Fortsetzung muss gegenüber ihrem Vorgänger ja einen oben drauf setzen.

In diesem Fall hat es auch hinter den Kulissen wieder eine Fortsetzung gegeben: Es gab mal wieder Krach zwischen den Beteiligten, diesmal wohl vor allem, weil Star Vin Diesel, der sich zwischenzeitlich auch ein "Produzent"-Schild umgehängt hat, dauernd das Drehbuch seinen Wünschen anpassen wollte, was irgendwann Dauerregisseur Justin Lin (Teile 3, 4, 5, 6 & 9) nicht mehr mitmachte und, als sich auch noch das produzierende Studio Universal dauernd einmischte und Dialoge geändert haben wollte, die Brocken hinschmiss. Dann kam die Corona-Pandemie, die ganz viele Filmproduktionen auf "Hold" setzte, dann die Suche nach einem geeigneten Regisseur und schließlich die mittlerweile gängige Methode, den letzten Teil – denn das sollte F&F10 ursprünglich werden – auf zwei Filme zu strecken; Teil 11 ist in Arbeit, bzw. wurde während der Arbeiten an Teil 10 zum Teil schon mitgedreht.

Die lange Zwangspause tut, zumindest im Kinosessel, zwar dem Erzählfluss nicht sonderlich gut, kostete die Produktion gerüchteweise auch eine Million Dollar pro ausgefallenem Drehtag, gab aber die Gelegenheit, dem Franchise noch ein paar Stars für Kleinrollen hinzuzugeben. Helen Mirren zum Beispiel ("Shazam! Fury of the Gods" – 2023; Anna – Die Agentin – 2019; Verborgene Schönheit – 2016; Trumbo – 2015; Madame Mallory und der Duft von Curry – 2014; Hitchcock – 2012; R.E.D.: Älter. Härter. Besser. – 2010; Brighton Rock – 2010; State of Play – Der Stand der Dinge – 2009; Die Queen – 2006; Anatomie einer Entführung – 2004; Gosford Park – 2001; Tötet Mrs. Tingle! – 1999; Mosquito Coast – 1986; "2010 – Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen" – 1984; Excalibur – 1981; Caligula – 1979), die wir überrascht als prominentes Gesicht in einer Kleinstrolle zur Kenntnis nehmen, gehört tatsächlich bereits seit zwei Filmen zum Nebencast als – wahrscheinlich – Mutter des Jason-Statham-Charakters Shaw, der in Teil 8 noch Deckard hieß. Vergessen. Brie Larson ist neu dabei dabei, ehemals Prinzessin des Low-Budget-Festivalkinos, aber seit dem Ruf von Disney eine der Big-Budget-Heroins-Of-The-Day (Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings – 2021; Avengers: Endgame – 2019; Captain Marvel – 2019; Unicorn Store – 2017; Kong: Skull Island – 2017; Raum – 2015; Dating Queen – 2015; Don Jon – 2013; The Spectacular Now: Perfekt ist jetzt – 2013; Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt – 2010). Larsons Tess ist, wenn ich das richtig verstanden habe, die Schwester von Brian O'Conner, Doms gutem Kumpel vom – ehemals – FBI, den Paul Walker so lange spielte, bis er im November 2013 bei einem Autounfall (auf dem Beifahrersitz) ums Leben kam; kann aber auch sein, dass sie die Tochter des geheimnisumwaberten Mister Nobody ist, den Kurt Russell in einigen F&F-Folgen in Kurzauftritten performt hat, und der im aktuellen Film als „untergetaucht“ gilt. Dann wäre sie wohl die Schwester von "Little Nobody", den Scott Eastwood auch hier in einem Gastauftritt spielt; das wird nicht so ganz klar, ist aber auch nicht so wichtig in einem Franchise, das sogar Tote zum Leben erweckt: Michelle Rodriguez kam schon zurück, ebenso Han, der smarte Hongkong-Chinese; im Schlussbild hat eine quicklebendige Gal Gadot einen Kurzauftritt. War die nicht in Folge Sechs getötet worden? Oder spielt sie hier eine bisher nicht bekannte Zwillingsschwester? Weiß man nicht. Ist aber in dieser Art Kino letztlich egal. Worum es hier geht ist Over-the-Edge-Action. Und der Rest klärt sich – bestimmt! – im elften und letzten Film der Reihe.

Die Regie hat jetzt Louis Leterrier übernommen, der in Auto-Action auch kein Anfänger ist (Die Unfassbaren – Now You See Me – 2013; Kampf der Titanen – 2010; Der unglaubliche Hulk – 2008; Transporter – The Mission – 2005; The Transporter – 2002). Sein Film kam erst 2023 in die Kinos, was ein wenig den Faden hat abreißen lassen zum direkten Vorgänger – mittlerweile gehen die Filme ja alle ineinander über, kaum ist die Action mit dem Abspann beendet, haben Toretto und seine Freunde/Familie genau Zeit für ein Abendessern oder Frühstück im trauten Kreise, zu dem sich diesmal seine Mutter gesellt, gespielt von einem weiteren großen Namen der Hollywood-Geschichte: Rita Moreno (West Side Story – 2021; West Side Story – 1961; Der König und ich – 1956; Du sollst mein Glücksstern sein – 1952). Aber bei aller Fimlegendenhuberei bleiben auch ihr dann nur ein paar Kalendersprüche über Wert und Zweck von Familie, bevor Dante die Truppe aufmischt – was auch höchste Zeit wird, denn da sind auf der Leinwand schon ungefähr zehn Filmminuten ohne frische Actionszenen vergangen; bis dahin wurden wir mit den lustigen Schwerer-Tresor-schleudert-am-Abschleppkabel-rasender-SUVs-durch-Straßen-und-macht-Kleinholz-aus-der-City-von-Rio-Szenen von 2011 bei Laune gehalten.

Das Plakat raunt vom „Ende der Straße“. Der Trailer stellt dramatische Verluste im erweiterten Familienkreis des Dominic Toretto in Aussicht. So macht man das heute, wenn man eine ausgenudelte Action-Dramaserie gewinnbringend halten muss, deren digital durchgestylte Action nur noch zum Abwinken reizt, während das Storytelling seinen Dienst schon ungefähr nach Teil 5 eingestellt hat. Das Ende „aller Straßen“ war schon auf dem Plakat zu Teil 6 mal versprochen; der lief 2013, also vor zehn Jahren. Seitdem sind – siehe oben – Mitglieder der Toretto-Truppe gestorben und wieder auferstanden, Figuren, die auch heute noch bei voller Fahrt durch enge Gassen konzentriert mit altmodischen Walkie-Talkies (!!) kommunizieren und zum Feierabend mit einem mexikanischen Bier anstoßen, dessen Namen wir heute nur noch mit einem pandemischen Virus verbinden. Plakatmotiv: Fast & Furious 10 (2023) Und vor diesem Film wird in den Kinotrailern der neue "Spider-Man"-Zeichentrickfilm angekündigt, in dem der Held sich entscheiden muss, ob er „einen Menschen oder ein Universum retten“ will – so, wie Dominic Toretto im aktuellen Film. Entlang dieser modernen Dramaturgie sterben also in F&F10 tatsächlich viele Friends of Toretto – vermeintlich. Immer außerhalb des Leinwandrandes. Und werden also vermutlich alle im elften (und letzten?) Teil wohl mit einem lockeren Spruch auf den Lippen wieder auftauchen.

Die zauberhafte Hollywood-Maschinerie hat es geschafft, irgendwas um die 340 Millionen US-Dollar auszugeben, nur um diesen einen Film fertig zu stellen, der aussieht, wie ein gehobenes B-Movie, sowas, was in den 1970ern als "Frankensteins Todesrennen" (1975) durch ging. Die digitalen Effekte sind im Zeitalter von Avatar – The Way of Water (2022) oder Ant-Man and the Wasp: Quantumania (2023) irgendwie niedlich. Nur der vermarktungssichere Soundtrack und die zeitgenössische Montage, die selten mehr als 25 Frames am Stück zum Gucken gewährt, sichern die Hip-Hop-rasante Dramaturgie. Am sehr unterhaltsamen Leben hält diese Produktion einzig Jason Momoa (Dune – 2021; Zack Snyder's Justice League – 2021; Aquaman – 2018; Justice League – 2017; Batman v Superman: Dawn of Justice – 2016; Shootout – Keine Gnade – 2012; Conan – 2011), der seinen Schurken Dante mit exaltierter Freude als Rampensau spielt, fernab jener knurrigen Bitternis breiter dickschädeliger Männer, die in zeitgenössischem Film und Fernsehen gerade en vogue ist – Momoa als Dante trägt lackierte Fingernägel spazieren und bindet sich Klein-Mädchenzöpfe.

Es werden noch zig solcher Produkte egal welchen Namens die Leinwände fluten, deshalb wäre es wahrscheinlich verfrüht, heute schon von einem sich schließenden Kreis zu sprechen. Aber seit George Lucas 1977 mit seinem Krieg der Sterne das Genre B-Movie unvermutet in den Rang des A-Movies, also das des möglicherweise monumental erfolgreichen Films an der Kinokasse erhoben hat, haben wir uns lange mit offensichtlichem Quatsch unterhalten lassen. Han Solo konnte voll aufgerödelte Stormtrooper mit einem nackten Faustschlag niederstrecken; bevor wir über die wahrscheinliche Widerstandsfähigkeit eines solchen Stormtrooper-Helmes nachdenken konnten, gab es schon das nächste Laser-Gefecht. Das hat sich bis heute im Kino nicht weiter entwickelt. Nur die Pausen zum Nachdenken im Kinosessel sind kürzer geworden. Ex-Wrestler John Cena (The Suicide Squad – 2021; Bumblebee – 2018; Dating Queen – 2015), der Doms jüngeren Bruder Jakob spielt, der im vorherigen Film noch den auf den älteren Bruder neidischen Schurken … verkürzen wir das … der prügelt jedenfalls jetzt gemeinsam mit seiner kleinen Schwester Mia Stahlbehelmte Elitekämpfer im Dutzend mit bloßer Faust nieder und geht im Finale in den Heldentod – der ja aber wahrscheinlich dann ein solcher gar nicht sein wird.

Wir müssen uns Teil 11 nach der mittlerweile geballten Ladung an lebendem, verstorbenem und dann doch wieder auferstandenem Personal als eine einzige große Reunion vorstellen, bei der kein Auge trocken bleiben wird.

Und sicher wird es ein Autorennen geben, wahrscheinlich eines mit Augenzwinkern, weil wohl alle schurkischen Weltenzerstörer zwischenzeitlich ausgeschaltet sein werden. Aber die Motoren werden jaulen, die Benzinwolken die Nacht erhitzen, die Hotpants der Flaggenmädels im Schritt quitschen und auch der letzte Film alles in allem ein Gestreckter Mittelfinger in die Fresse der woken Community sein.

Wertung: 2 von 8 €uro
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